So wichtig ein Tapetenwechsel ist, auch den Klimaaspekt muss man dabei berücksichtigen. Dafür will der Nürnberger Roland Streicher, Gründer und Chef des Reiseanbieters "ReNatour - Natürlich Reisen", Reisende sensibilisieren. "Es geht um sozial- und umweltverträgliches Reisen, sagt er. Rund 80 Prozent der CO2-Emissionen würden schon mit der Anreise der Urlauber verursacht. Daher reist Streicher als begeisterter Skifahrer mit öffentlichen Verkehrsmitteln an und geht angesichts mancher "Verbrechen an der Natur" für Skitouristen lieber Skitouren.

Streicher gehört bundesweit zu den Pionieren des alternativen Tourismus, lange bevor die Klagen über den "Overtourismus" entstanden. Seinen eigenen Betrieb hob der Betriebswirt 1994 als einen der ersten nachhaltigen Reiseveranstalter in Deutschland aus der Taufe. 1998 begründete er den Verein Forum Anders Reisen mit Sitz zunächst in Nürnberg mit. Der zählt heute über 130 Mitglieder, die sich zu einem nachhaltigen Tourismus verpflichtet haben. Damit sind Reisen nach Nah und Fern gemeint, die langfristig ökologisch tragbar, wirtschaftlich machbar sowie ethisch und sozial gerecht für die Einheimischen sein sollen.

Streicher hält nichts von Massentourismus 

Streicher selbst will aber in Sachen Urlaub "nichts verbieten". Zumal Naturschutz vor Ort oft auf Einnahmen aus dem Tourismus angewiesen ist. Allerdings sind für ihn Ziele des Massentourismus Tabu, weil sie angesichts der Urlaubermengen in den Bergen oder am Strand kaum Rücksicht auf lokal Beschäftigte oder Natur nehmen können. Stattdessen setzt er auf naturnahe Familien- oder Wanderreisen, die meist landestypisch kleine, familiengeführte Unterkünfte zum Ziel haben. Den Radius seiner Angebote hat er auf Europa beschränkt.

Andere Mitglieder vom Forum Anders Reisen bieten auch Fernziele etwa nach Fernost an. "Flugtourismus war früher bei den nachhaltigen Anbietern verpönt", erinnert sich Streicher. Auch heute sei aus Sicht des Klimaschutzes der Flug das Hauptproblem. Daher erfahren Fernreisende schon vor der Buchung bei nachhaltigen Reiseanbietern die jeweiligen CO2-Emissionen für Hin- und Rückflug pro Person. Wer trotzdem einen Flieger nutzen möchte, könne durch einen Zusatzbetrag bei der Buchung die Verschmutzung kompensieren. Diese freiwillige Option würden laut Streicher 20 bis 30 Prozent seiner Kunden nutzen. Bundesweit schätzt er den Anteil der Flugpassagiere mit Kompensationszahlung nur auf einen einstelligen Prozentsatz.

2004 gründete Streicher "Atmosfair" 

Für diese Kompensation hat Streicher im Jahr 2004 auch die Initiative Atmosfair mitgegründet. Die Organisation hat sich unter anderem auf die Kompensation von Treibhausgasen durch erneuerbare Energien für klimaneutrales Reisen spezialisiert. So lange es keine klimaneutralen Flüge etwa durch Biotreibstoffe oder Wasserstoff gebe, sei dieses Verfahren sinnvoll, meint man bei Atmosfair. Manche kritisieren solche Kompensation als Greenwashing. Streicher kann die Kritik als Ablasshandel nicht nachvollziehen: "Wer kompensiert, macht immerhin etwas."

Der Reisefachmann illustriert das Prinzip am Beispiel seiner beiden Unterkünfte auf der griechischen Insel Korfu. Dort investiere er gemeinsam mit Atmosfair in Photovoltaik-Anlagen, um einen hohen Anteil am Stromverbrauch selbst zu erzeugen. Zu dem Konzept gehört auch eine landestypische Küche. Es sei gar nicht so einfach gewesen, die Köche weg von "Fleischbergen für die Gäste" hin zu mehr Gemüse zu überzeugen. Mittlerweile können die Gäste auf Aubergine und Zucchini aus eigenem Anbau noch einen Blick werfen, bevor sie abends zubereitet werden. Auf diese Weise soll auch die regionale Wertschöpfung - bin hin zur besseren Bezahlung der Beschäftigten - verbessert werden.

Streichers naturnahes Lieblingsziel ist Lappland 

Wann ein Reiseangebot tatsächlich nachhaltig ist, ist für Verbraucher allerdings alles andere als einfach zu erkennen. Streicher schätzt die Zahl der Gütesiegel allein im deutschen Tourismus auf 70 bis 80. Manche greifen nur einzelne Aspekte auf, um sich vom Wettbewerber abzugrenzen. Am liebsten wäre dem Nürnberger Pionier eine Art verlässliches Ampelsystem, um auf einen Blick die Nachhaltigkeit eines Urlaubs zu erkennen. ReNatour selbst lässt sich bislang alle drei Jahre von dem Anbieter TourCert für sein CSR-Management (Corporate Social Responsibility) zertifizieren.

Zu seinen persönlichen Favoriten naturnaher Reiseziele gehört für Streicher Lappland. Er kenne keinen Ort für einen Winterurlaub, bei dem man Stille so intensiv erleben könne. Wenn man dort im Schnee stehe, höre man nur das Blut im Ohr pulsieren. Der Weg zur Unterkunft wird mit einem Rentierschlitten absolviert, das Wasser ist selbst vom Brunnen zu holen, geheizt wird mit Holz. "Das ist Natur pur."