Landlust, Landidee, Landkind: Die Begeisterung fürs Landleben in Magazinform kann jeder am Kiosk selbst betrachten, doch bei jungen Pfarrerinnen und Pfarrern ist das Dorfpfarramt eher selten Wunschziel Nummer eins. Um das zu ändern, wurde vor genau 50 Jahren das Landgemeindepraktikum "als Werbeveranstaltung ins Leben gerufen", sagt Professor Christian Eyselein von der Augustana-Hochschule in Neuendettelsau. Seit über 30 Jahren betreut er das Landgemeindepraktikum nun bereits als Organisator und Leiter der theologischen Begleitung.

"Die Menschen im Dorf bleiben, auch wenn man geht"

Herr Eyselein, die Kirche befindet sich in einem Strukturwandel und Konzentrationsprozess. Welche Zukunft hat da das Pfarramt auf dem Dorf überhaupt noch?

Christian Eyselein: Die ländlichen Gemeinden haben in den vergangenen Jahrzehnten erlebt: Schulen, Banken, Rathäuser, Bäcker und Arztpraxen, alles wurde geschlossen und ausgedünnt. Oftmals ist das Pfarramt noch die letzte Institution am Ort. Spardruck und Personalmangel hin oder her: Die Menschen im Dorf bleiben, auch wenn man geht. Und sie sind viel stärker kirchlich gebunden als die meisten in der Stadt. Man würde sie also alleine lassen.

Trotzdem gibt es ja jetzt schon mehr offene Pfarrstellen als Bewerberinnen und Bewerber. Wie genau wird beim Landgemeindepraktikum für ein Leben als Dorfpfarrer geworben?

Mit viel Offenheit und Ehrlichkeit. Die Studierenden sollen einen Einblick in das berufliche und familiäre Pfarrersleben auf dem Land bekommen; am besten, indem sie die vier Wochen direkt im Pfarrhaus mit leben und arbeiten. Da geht es dann natürlich auch um Fragen, wie viel Privatsphäre man als Dorfpfarrerin oder -pfarrer hat, welche Herausforderungen es familiär mit den Schulwegen der Kinder zu meistern gilt, oder auch, wie anders die Kommunikation auf dem Land abläuft - nämlich: sehr viel unmittelbarer, in manchem aber auch verdeckter.

"Die städtische Anonymität ist nicht immer nur ein Vorteil"

Und wie sind die Rückmeldungen der Studierenden? Wie viele können sich nach diesen vier Wochen wirklich ein Leben als Dorfpfarrerin oder Dorfpfarrer vorstellen?

Zunächst einmal ist es schon ein Erfolg, wenn man sich über diese Frage Gedanken macht - auch, wenn man am Ende zu dem Schluss kommt, dass es nichts für einen ist. Die Mehrheit der Praktikantinnen und Praktikanten aber kann sich hernach gut vorstellen, zumindest für eine gewisse Zeit aufs Land zu gehen. Am Ende steht in den allermeisten Fällen jedenfalls die ehrliche Erkenntnis: Die städtische Anonymität ist nicht immer nur ein Vorteil - und die ländliche Sozialkontrolle ist nicht immer nur ein Nachteil.

Christian Eyselein
Christian Eyselein

Landgemeindepraktikum

1973 luden einige Dorfpfarrer Theologiestudierende ein in ihre Pfarrhäuser und erfanden so das erste Gemeindepraktikum in der bayerischen Landeskirche. Seither ist es ein Türöffner, der nahezu 1000 Studierenden Einblicke in ländliche Gemeinden ermöglicht.

Das Praktikum wird veranstaltet in einer Kooperation von Evang. Bildungszentrum Hesselberg, der Evang. Fachstelle für ländliche Räume und der Augustana-Hochschule Neuendettelsau.

Nach Vorlage eines abschließenden Praktikumsberichts werden ein prakt.-theol. Seminarschein sowie ein Teilnahmezeugnis zur Vorlage beim landeskirchlichen Prüfungsamt ausgestellt.

Das Praktikum beginnt mit einer dreitägigen Einführungstagung im Evangelischen Bildungszentrum auf dem Hesselberg, die der Interessenklärung, der praktisch-theologischen Einführung in das Praktikum und ersten konkreten Begegnungen mit ländlichen Situationen dient.

Es folgt die Praktikumsphase von vier Wochen, in der die Praktikant:innen im Pfarrhaus mitleben bzw. intensive Einblicke in diesen Lebensbereich erhalten.

Die Auswertungstagung auf dem Hesselberg dient der praktisch-theologischen Reflexion des Praktikums in der Gruppe und abschließend der Weiterarbeit an einem gemeinderelevanten Thema gemeinsam mit den Mentor:innen.

Mehr Infos gibt es hier.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden