Zum Thema:

In einem Posting der Kirchlichen Studienbegleitung Bayern (KSB) positionierte sich Susanne Breit-Keßler zu der Frage, was Pfarrpersonen anziehen sollten – und was nicht. Hier alles dazu nachlesen.

Auch Pfarrerin Barbara Krauße schrieb in ihrer Sonntagsblatt-Kolumne darüber, was sie unter dem Talar trägt. 

Kleider machen Leute.

Dank des deutschen Lehrplans sind wohl die meisten von uns in der Schulzeit in die Geschichte des Schneidergesellen Wenzel Strapinski eingetaucht, der sich trotz Armut gut kleidete. Der Schriftsteller Gottfried Keller griff schon 1874 das zentrale Thema auf, an dem keiner von uns vorbeikann: Kleidung und, dass wir mit ihr (bewusst oder unbewusst) Signale aussenden, die unter Umständen etwas über unseren Beruf, unsere Lebens- oder politische Einstellung, finanziellen Status und so vieles mehr aussagen.

Kleider machen oberflächlich betrachtet Leute.

Doch die Emotionalität, die auf ein Posting der Kirchlichen Studienbegleitung Bayern (KSB) folgte, in der sich Regionalbischöfin i. R. Susanne Breit-Keßler zu der Frage positionierte, was Pfarrpersonen anziehen sollten, verließ meiner Meinung nach jegliche Netiquette. Das Sonntagsblatt berichtete hierzu.

Die darauffolgenden Diskussionen haben mich angeregt, das Thema "Kleidung" innerhalb meines beruflichen Lebensweges als Theologin und Pfarrerin näher zu betrachten, denn mein "dienstlicher Kleiderschrank" hat sich immer wieder verändert – und damit meine Gedankenwelt.

Praxisjahr für Theologiestudierende – von Uniformen und Serviceorientierung

Nach vier Semestern Grundstudium Theologie und der damit akquirierten "Sprachenreife" kam ich der damals üblichen Verpflichtung nach, mindestens ein Jahr außerhalb des kirchlichen Dienstes zu arbeiten. Eineinhalb Jahre arbeitete ich als Flugbegleiterin bei Japan Airlines (JAL) und war das erste Mal mit Fragen bezüglich Uniform konfrontiert worden.

Bis zu diesem Zeitpunkt war die Wahl der Kleidung zumeist eine individuelle Entscheidung gewesen. Nun wurde im Beruflichen der Maßstab von der Fluglinie vorgegeben, in dem nur wenig eigener Spielraum für Individualismus war.

Hierbei war alles genau geregelt: ob Hierarchie, Schuhwerk, Frisur, Nagellack oder Make-up. Alles unterlag den Vorschriften der Fluggesellschaft.

Die Uniform hatte zum Ziel, die Serviceorientierung der Fluggesellschaft, ein attraktives Äußeres und Funktionalität zu vereinen. Die Individualität der Person und die Freiheit zur eigenen Gestaltung fand hierbei nur in engen Grenzen einen Raum.

Kleider machen Leute und Flugbegleiter in ihrer Rolle als Dienstleistende transparent.

Auslandsdienst in der Church of Scotland – von Individualität und Freiheit

Nach erfolgreichen bayerischen Examen und Ordination ging es zum Auslandsdienst in der Church of Scotland. Hier legte ich das dortige reformierte Examen ebenso ab und durfte drei Jahre als Inselpfarrerin auf Orkney arbeiten.

Während in den deutschen Landeskirchen unterschiedliche Kleiderordnungen herrschen, schreibt die Church of Scotland als sogenannte "Broad Church" keine solche vor. 

Ich durfte dort ebenso meinen bayerischen Talar mit Samtsattel tragen, wie Kollegen einen Cassock, der seinen Ursprung in der römisch-katholischen Kirche hat. Manch ein Kollege trug durchaus sehr farbenprächtige Gewänder und mit etwas Neid schielte ich ab und an zum Kollegen, der "Kirchenlila" trug – eine Farbe, die in Bayern Regionalbischöfinnen und -bischöfen vorbehalten ist und mir als einfacher Pfarrerin wohl immer verwehrt bleiben würde.

Nach erfolgreich bestandenen schottischen Examen schenkte mir meine Gemeinde eine Stola, die mich nicht nur als "Menschenfischerin" sichtbar werden ließ, sondern auch durch das maritime Bild meinen damaligen Tätigkeitsort anklingen ließ.

Kleidung war in der Church of Scotland eine Frage der eigenen freiheitlichen Entscheidung und konnte als Spiegel der persönlichen religiösen Verortung diese öffentlich sichtbar werden lassen.

Kleider machen Leute, schenken Freiheit und können unter Umständen ein äußerer Ausdruck religiöser Verortung der Pfarrperson sein.

Gemeindepfarramt in Bayern – von der Frage nach Freiheit und Vorschriften

Wieder in die bayerische Landeskirche zurückgekehrt, musste ich die optische Freiheit abrupt hinter mir lassen. Zwar hatte ich nie meinen bayerischen Talar mit Samtsattel abgelegt, was ich jedoch unter dieser Amtskleidung trug, hatte ich stets in Eigenverantwortung gewählt.

Nun war es nicht die Landeskirche, sondern ein Kirchenvorstand, der die Freiheit der Kleidung unter dem Talar festlegte: Selbst die zu tragenden Schuhe und Strümpfe mussten eine gedeckte Farbe haben – und am besten schwarz sein. Für mich war dies nur eine vieler Ausdrucksformen eines Ringens um eine Sichtbarkeit von Kirche, wie sie zum Beispiel durch diejenigen geschieht, die Gottesdienste leiten.

Noch heute empfinde ich die damalige Bekleidungsregelung als eine Einschränkung. Wahrscheinlich hätte ich von mir aus kein gewagtes Schuhwerk noch schrill bunte Socken unter meinem sehr schlichten bayerischen Talar getragen, aber es war der Inhalt, der mir zu schaffen machte:

Wer durfte in welchem Maß bis hin zur selbstgewählten Bekleidung unter der Amtsrobe über eine Pfarrperson entscheiden, die eigentlich aufgrund des Evangelischem einer persönlichen Freiheit des Glaubens verpflichtet war?

Aus einer freiheitlich orientierten Kirche wie der Church of Scotland kommend, war es für mich hartes Brot. Doch was Paulus damals über die Rücksicht auf das Gewissen schrieb, wurde mir Richtschnur: Alles ist erlaubt, aber nicht alles dient zum Guten. Alles ist erlaubt, aber nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern was dem andern dient (1. KOR 10,23-24).

Kleider machen Leute, aber nicht alles ist hilfreich.

Kleidung, die Miriam Groß in New York trug
Kleidung, die Miriam Groß in New York trug.

New York, New York – bunte Vielfalt als Spiegel der göttlichen Schöpfung

Mit meiner Tätigkeit als EKD-Auslandspfarrerin in New York öffneten sich für mich neue Welten: theologisch konnte ich an der Vielfalt wachsen, der ich in dieser turbulenten und vielfältigen Stadt auf Schritt und Tritt begegnete. Ich erlebte ein buntes Miteinander und Multireligiosität bei meiner Arbeit an der UN, aber auch bei der New Yorker Polizei. 

Spiegel hierfür wurde meine klerikale und durchaus feminine Kleidung. Kleider, Blusen und Röcke für Frauen im Pfarramt, klerikale Kleidung in Alltagsblau, Pfingstrot oder Trinitatisgrün. Dazu schönes Schuhwerk. Es bereitete mir Freude, feminine Aspekte in meine Berufskleidung zu integrieren, wobei ich die lebhafteren Farben nie unter meinem Talar, sondern zu Empfängen und wichtigen Ereignissen je nach Anlass und Kirchenjahr trug.

In dieser beruflichen Phase tat mir die Möglichkeit sehr gut, feminine geistliche Kleidung zu tragen, denn zumeist hatte ich in einem schmerzhaft dominanten männlichen Umfeld erlebt, wie weibliche Sichtweisen wenig gehört und noch weniger gesehen wurden.

Kleider machen Leute und geben Frauen die Möglichkeit, einem traditionell männlichem Beruf eine feminine Note zu verleihen.

Im Einsatz der Bundespolizei – Uniform und äußere Uniformität

Mit dem Beginn meiner Tätigkeit als Polizeiseelsorgerin in der Bundespolizei wurde mir eine neue Verantwortung übertragen: mit der Uniform war ich in die doppelte Verantwortung gegenüber der Bundesrepublik und der Kirche gestellt. Bereits im Bewerbungsgespräch fragte mich mein jetziger Vorgesetzter, ob ich Vorbehalte gegen das Tragen einer Uniform hätte.

Ihren Ausdruck bekam die Doppelverantwortung durch eine polizeiliche Uniform, auf deren Schultern ich sprichwörtlich mein Kreuz trug. So ließ ich äußerlich meine evangelische und feminine Gestaltungsfreiheit hinter mir und tauchte als Seelsorgerin in die Welt einer Sicherheitsbehörde ein.

Beim Tragen der Uniform ist Genauigkeit nicht nur in der Tätigkeit gefordert, sondern auch im Dienst. Die Polizeidienstvorschrift regelt die Bestimmungen zum Erscheinungsbild und das Tragen der Dienstkleidung in der Bundespolizei.

Ich lernte durch meine Tätigkeit als Seelsorgerin in der Bundespolizei, dass das Tragen einer bestimmten Form von Kleidung – nämlich der Uniform einer Sicherheitsbehörde – mit viel Verantwortung einhergeht.

Kleider machen Leute und machen unter Umständen die Verantwortung des Amtes transparent.

Polizeiseelsorgerin Miriam Groß mit Heinrich Bedford-Strohm
Polizeiseelsorgerin Miriam Groß in Uniform mit Heinrich Bedford-Strohm.

Eine kleine Reflexion

Gottfried Keller hatte recht: Kleider machen Leute. Aber wir sollten Aspekte, die mit ihr in unserer Tätigkeit als Pfarrpersonen transportiert und vielleicht sogar dadurch vielschichtig diskutiert werden, nicht vergessen: Dienstleistung, Freiheit, Hierarchie, Einschränkung, Identität, Gleichberechtigung und Verantwortung.

Kleider machen Leute und machen Aspekte von Dienstleistung, Freiheit, Hierarchie, Einschränkung, Identität und Verantwortung sichtbar.

Ich wünsche mir so sehr, dass die von Frau Breit-Keßler begonnene Diskussion in evangelischer Freiheit, aber auch Würde geführt wird. Denn eine Antwort ist ebenso schwer zu geben, wie Kleidung vielgestaltig ist – eine adäquate Umsetzung kann wohl nur im jeweiligen Umfeld verantwortlich getroffen werden und erfordert eine gewisse Flexibilität im Denken, Reden und Agieren.

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