Die evangelische Gemeinde Geretsried trennt sich von der Versöhnungskirche. Am Sonntag (15. Oktober) wird das 1970 nach den Plänen von Franz Lichtblau erbaute Kirchenzentrum in einem Gottesdienst entwidmet, sagte Pfarrer Georg Bücheler dem Sonntagsblatt. Grund für die Aufgabe seien der hohe Sanierungsbedarf der Versöhnungskirche, der geplante Umbau der Petruskirche und die Personalentwicklung in der Gemeinde: Für Geretsried stünde bald nur noch eine statt bislang zwei Pfarrstellen zur Verfügung.
Wie es mit dem architektonisch ungewöhnlichen Bau weitergehe, sei derzeit "noch völlig offen", sagte Bücheler. Das gut 4.000 Quadratmeter große Grundstück sei für Investoren interessant. Man wolle aber vor einem Verkauf mit Abriss auch andere Nutzungsideen in Betracht ziehen. Im Bereich der bayerischen Landeskirche sind seit 2015 nach Angaben eines Sprechers insgesamt 14 Kirchen entwidmet worden. Vier wurden danach abgerissen, zwei von anderen christlichen Gemeinschaften übernommen. Die restlichen Gebäude wurden für diakonische oder kommunale Zwecke umgerüstet.
Der 2019 verstorbene Architekt Franz Lichtblau hat in seiner Laufbahn 44 evangelische Kirchen in Bayern geplant. Die Versöhnungskirche Geretsried ist dabei in ihrem Grundriss ein Unikat: Sieben sechseckige, mit Holzschindeln verkleidete Mehrzweck-Räume schmiegen sich in Form von Bienenwaben aneinander, eine davon dient als Hauskapelle. Erst 2022 zeigte das Architekturmuseum der Technischen Universität München (TUM) in der Pinakothek der Moderne die Versöhnungskirche im Rahmen einer Ausstellung. Das Sechseck-Modell wurde zum Vorbild für ähnliche Kirchbauten in München und Rosenheim.
Evangelische Kirche Geretsried wird entweiht
Der Entwurf entsprach dem 70er-Jahre-Trend zu funktionalen Gemeinderäumen. Mithilfe des Wabenkonzepts habe er versucht, dennoch einen sakralen Kern "hineinzugeheimnissen", sagte Lichtblau vor Jahren im epd-Gespräch. In der Gesamtplanung waren ursprünglich 21 Waben vorgesehen, fertiggestellt wurden jedoch nur die sieben Kerneinheiten. Das Gebäude unterliegt nicht dem Denkmalschutz.
Die Frage, ob die Versöhnungskirche angesichts schwindender Mitgliederzahlen und Finanzmittel zu halten sei, habe die Gemeinde seit dem Jahr 2000 immer wieder beschäftigt, sagte Pfarrer Georg Bücheler. 2017 habe man einen Gemeindeentwicklungsprozess gestartet, an dessen Ende die Entscheidung stand, alle Kräfte auf die zentral gelegene Petruskirche zu konzentrieren und sich im Gegenzug von der Versöhnungskirche zu trennen. "Dem Kirchenvorstand war völlig klar: Wir können für das Gebäude nicht mehr die Verantwortung tragen", betonte Bücheler. Klar sei auch, dass die Gemeinde auf den Erlös aus dem Grundstücksverkauf angewiesen sei, um ihre Umbaupläne an der Petruskirche - ebenfalls ein Lichtblau-Bau - zu verwirklichen. Was aus der Wabenkirche mit sakralem Herz wird, hängt also ganz vom Käufer ab.
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden