67,5: Steinerne Hochzeit

Die Liebesgeschichte von Alfons und Herta Schmidt scheint so gut ins 21. Jahrhundert zu passen: Ein junger Franke verliebt sich in ein geflüchtetes Mädchen. Seine Eltern, Landwirte aus Lauf, sind zunächst skeptisch. Schließlich wohnt die Auserwählte außerhalb, in der kleinen Ortschaft, wo die ganzen Flüchtlinge untergekommen sind. Und eine andere Konfession hat sie auch. Aber Alfons und Herta lassen sich nicht davon beirren. Vier Jahre lang gehen sie miteinander aus und bringen ihre erste Tochter zur Welt - bis sie beschließen zu heiraten.

Das ist heute 67 Jahre her.

Ihre Vermählung war lange bevor Digital- und Smartphonekameras die Erinnerungskultur verändern konnten. Fein säuberlich haben Alfons und Herta die Schwarz-Weiß-Fotografien von ihrem Tag in ein Album eingeklebt. Zum Glück, sagt sie, denn sie war viel zu aufgeregt, um alle Einzelheiten wahrnehmen und abspeichern zu können.

Die Bilder zeigen "Brautmädla mit Blumenkörbla", wie Alfons erläutert, die beiden Verliebten auf einem Motorroller, und in eleganter Festtagsrobe zum Termin beim Fotografen. "Damals hat es nicht so viel gegeben", sagt Herta.

"Meine Schneiderin konnte mir keinen weißen Stoff besorgen, deshalb habe ich in dunkelblau geheiratet."

Auch der Trauspruch der beiden hängt eingerahmt an der Wand und erinnert sie an den Bibelvers "Wer zu mir kommt, den stoße ich nicht hinaus." Er sei ihnen zum Lebensmotto geworden, sagt Alfons.

Als Herta und ihre Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg die Tschechoslowakei verlassen müssen und nach Bayern kommen, ist ihr Glaube ungebrochen, trotz all der schmerzhaften Umstände, die sie in die neue Heimat geführt haben: Zwangsarbeit während des Krieges, die sie zeitweise trennte, die Situationen, in denen Frauen und Mädchen nicht ohne Begleitung von Soldaten aus dem Haus durften, die Entwurzelung ihrer Familie am 04. Mai 1946 aus Eger, dem heutigen Cheb. In Gunzenhausen geht die Mutter jeden Tag in die katholische Kirche.

Alfons Familie ist eng verbunden mit der evangelischen Kirche.

Eine Schwester seines Vaters ist Diakonissin im Diakoniewerk Hensoltshöhe und die Verwandten regelmäßig dort zu Besuch. Nachdem Herta in Alfons Leben getreten ist, nimmt er seine katholische Freundin selbstverständlich mit. Sie erinnert sich noch an ihren ersten evangelischen Gottesdienst: "Das war fremd für mich, aber alle waren freundlich, also bin ich immer wieder mitgegangen".

Herta und Alfons Schmidt

Herta taucht intensiv in das Gemeindeleben ein, sodass sie schon vor ihrer evangelischen Trauung und späteren Konversion fest dazugehört. Einen Glaubenskurs benötigt sie darum vor der Eheschließung nicht. Auch Hertas Mutter ist mit dem Weg ihrer Tochter einverstanden. Ihre Worte sind Herta noch ganz präsent: "Ich hab dich so erzogen, dass du in der Lage bist, deine eigenen Entscheidungen zu treffen".

Was dann kommt, ist das Leben - in all seinen Schattierungen.

Fünf Töchter, zwölf Enkel, elf Urenkel, der Verlust naher Angehöriger, sogar zweier Töchter, ein Hausbau aus eigener Schaffenskraft. Alfons und Herta wissen um den großen Schatz, dass sie alle Herausforderungen gemeinsam durchgestanden haben. "Beim einen klappt es, beim anderen nicht", sagt Alfons. "Und wenn man meint, es ist gerade richtig, kann es auch wieder anders werden". Der Glaube hat ihnen immer Mut gemacht und den Weg gezeigt.

44 Jahre lang arbeitete Alfons als Chauffeur im Mutterhaus Hensoltshöhe. Sein Glaube, sagt er, hatte ihn als 21-Jährigen von Lauf dorthin gebracht. Auch ein viertel Jahrhundert nach Beginn seiner Rente ist die Verbindung noch stark. "Die Gemeinschaft gibt uns Halt", sagt er. Morgens, wenn der Frühstückstisch abgeräumt ist, liest das Paar die Tageslosung und den entsprechenden Abschnitt in der Bibel, betet für Verwandte und Bekannte. Im Mutterhaus feiern die beiden all ihre Jubiläen. Wenn es die Gesundheit zulässt, kommen sie donnerstags in die Gemeinschaftsstunde und sonntags in den Gottesdienst. Aber auch die Schwestern gehen bei Herta und Alfons ein und aus und sind da, wenn sie Hilfe benötigen.

Aber was genau ist nun das Geheimnis für mehr als 65 Jahre Ehe?

Sie: Da gibt’s auch mal a weng an Sturm.
Er: Ja, wenn man zusammenbleiben will, muss immer einer der beiden nachgeben.
Sie: Gestritten haben wir aber nie.
Er: Naa, aber Meinungsverschiedenheiten hatten wir.
Sie: Manchmal wollte ich halt recht haben und manchmal wolltest Du recht haben.
Er: Aber am Ende sag ich Dir auch immer: Wenn ich dich nicht hätte…

 

Love Ballon Liebe

7: Kupferne Hochzeit

Eine Hochzeit zu planen enthält nicht wenig Konfliktpotential. Muss Tante Inge eingeladen werden, auch wenn sie keiner ausstehen kann? Wer wird Trauzeuge und wie erklärt man das denen, die es zu werden gehofft haben? Und überhaupt: Wer soll das alles bezahlen? Kathrin und ihr Mann Niels waren sich bei diesen Fragen einig. Dafür begannen die Diskussionen, als es um den Höhepunkt ihrer Heirat ging. Ein Rückblick aus der Sicht der Braut:

 

"Willst Du mich heiraten?" Na klar will ich! Nur wie?

Dass die Frage nach dem "Wie?" etwas komplizierter werden könnte, hätten wir uns eigentlich denken können. Ich bin gut katholisch aufgewachsen und mag das bodenständige Gottvertrauen, das ich bei meiner Urgroßmutter kennengelernt habe. Mein Mann stammt aus einer evangelikal geprägten, frömmelnden Familie und ist als junger Erwachsener ausgetreten – kein Atheist, aber ein überzeugter Kirchenkritiker. Bloß standesamtlich heiraten kam für mich nicht in Frage. In die Kirche? Für ihn unvorstellbar. Was nun?

Wir haben uns an dieser Frage ein paar Monate lang abgearbeitet.

Ich habe festgestellt, dass der Segen Gottes das ist, worauf es mir bei einer kirchlichen Trauung ankäme. Aber dafür muss ich nicht unbedingt in ein Gotteshaus – unter freiem Himmel kann ein Pfarrer den Segen genauso spenden. "Warum muss es ein Pfarrer sein – kann das nicht ein Buddhist machen?", fragte mein Mann. Undenkbar für mich – schließlich habe ich keine asiatischen Wurzeln, sondern bayerische. Wer soll predigen? Sprechen wir über Gott oder über eine universelle Kraft? Ist das eine Trauung oder eine Zeremonie? Manchmal habe ich mich wirklich gefragt, ab welchem Punkt ich mich selbst verliere – genauso wie er.

Am Ende haben wir ein wunderbares Fest gefeiert.

Eine befreundete Pfarrerin hat uns am Ufer eines Sees gesegnet, in Gottes Namen. Freunde haben ein irisches Segenslied gesungen. Und die "Predigt" hielt ein guter Freund –besser, persönlicher und anrührender hätte das kein Pfarrer gekonnt. Jetzt sind wir seit sieben Jahren verheiratet. Und das Lustigste ist: Für mich ist das Datum der standesamtlichen Trauung wichtiger, als das unserer Segnungsfeier – bei meinem Mann genau umgekehrt.

 

Brautstrauß Blumen Rosen weiß rosa

3: Lederne Hochzeit

Zwischen der standesamtlichen und der kirchlichen Trauung ein bisschen Zeit vergehen zu lassen, nimmt vielen Paaren den Stress aus der Planung. Im kleinen Kreis sagen sie vor dem Standesbeamten "Ja" und bewahren sich die große Feier für einen späteren Zeitpunkt auf wenn es wärmer ist oder einfach besser passt. Bei Sonja und Sören Dreyer sind fast zwei Jahre vergangen, bis sie ihr standesamtliches Versprechen auch vor Gott, ihren Familien und Freunden wiederholt haben. Warum sie auf den Segen in keinem Fall verzichten wollten, erzählen sie in diesem Dialog.
 

Sonja: Wenn wir uns kirchlich trauen lassen, muss es eine große Feier geben! Das war uns immer klar.

Sören: Wir waren ja auch schon seit zehn Jahren zusammen und wollten auf jeden Fall heiraten.

Sonja: Aber der richtige Moment für eine ausgelassene Party war noch nicht gekommen. Damals hatte ich gerade einen neuen Job in einer neuen Stadt angefangen. Aus unserer gemeinsamen Wohnung auszuziehen und in eine Fernbeziehung überzugehen war das eine. Viel belastender war mein Beruf. Der hat so an mir gezehrt und gezerrt, dass ich gar nicht die Fröhlichkeit aufbringen konnte, die man sich wünscht, wenn man sich, seine Verbindung, seine Liebe, seine Ehe feiern möchte. Hätten wir das erzwungen, hätte sich das mit Sicherheit komisch angefühlt.

Sören: Das wäre wie ein berufliches Meeting abgelaufen. Beide reisen an, treffen sich in der Mitte und machen für ein paar Stunden Party, bevor jeder wieder an seinen Ort fährt. Wir hätten das gar nicht genießen können.

Sonja: Schon standesamtlich mit Dir verheiratet zu sein, hat mich in meiner widrigen Situation jedoch gestärkt und mir dabei geholfen, die Wochen zu überbrücken bis ich wieder zu meinem "Ehemann" nach Hause fahren konnte. Unseren Verwandten haben wir in der Zeit immer wieder gesagt, dass wir eines Tages noch groß feiern würden. Allerdings bin mir nicht sicher, ob sie daran noch geglaubt haben.

Sören: Aber wir haben daran geglaubt.

Sonja: Wir mussten uns schon aufraffen, nach so vielen Monaten nochmal mit dem Organisieren zu beginnen. Schließlich haben wir uns ja auch bereits verheiratet gefühlt, aber eben unfertig verheiratet. Zum einen finde ich, man muss einmal im Leben so eine Feier geschmissen haben, geschwitzt haben, aufgeregt gewesen sein beim Gang auf den Altar zu. Das gehört einfach dazu als elementares Ereignis im Leben. Zum anderen hätte mir nur standesamtlich etwas gefehlt.

Sören: Für mich war es auch ein traditionelles und emotionales Bedürfnis, diesen Tag zu gestalten und zu erleben. "Weißt Du noch als wir kirchlich geheiratet haben?" Das ist doch eine Erinnerung, die für immer bleibt – und tiefer in die Seele geht als das Standesamtliche. Denn das war ja nur, um den offiziellen Status "verheiratet" zu bekommen.

Sonja: Die kirchliche Trauung bringt nochmal eine andere Verbindlichkeit in die Beziehung. Man gibt sich ein Versprechen vor seinem Gott, was eine ganz andere Dimension hat als vor dem Staat. Wir sind nicht naiv und wissen, dass eine Ehe dennoch enden kann, dass man sich irgendwann nicht mehr liebt und im schlimmsten Fall trennt. Aber aufgrund unseres Versprechens habe ich die Erwartung an uns, dass wir uns in schwierigen Momenten daran erinnern und drei Mal mehr dafür sorgen, dass wir wieder zueinanderfinden.

Sören: Ein Versprechen vor Gott auszusprechen, verankert das verheiratet Sein nochmal tiefer. Das Versprechen, dass man füreinander da ist und eine positive Kerbe eingeschlagen hat, die bleibt und uns ewig verbindet. Für mich war die kirchliche Trauung aber auch eine Festigung meiner Lebenssituation. Mit unserem gemeinsamen Rückzug in unsere Heimatstadt habe ich mich nicht automatisch zuhause gefühlt. Nach diesem emotionalen Kick fühle ich mich im Gesamtpaket um ein Vielfaches wohler.

Sonja: Echt? Das finde ich ja spannend! Viele sagen: Wir lieben uns und brauchen nicht zu heiraten, weil es nichts ändern würde. Das dachte ich auch mal, aber das hat nicht gestimmt. Es gibt doch dieses Lied von Revolverheld "Ich lass für dich das Licht an, obwohl es mir zu hell ist,…" Ich mag das Lied nicht, aber mir ist aufgefallen, dass es wirklich so ist. Ich lebe nicht mehr nur für mich selbst, sondern habe auch Verantwortung für Dich.

Sören: Ich mag das Lied auch nicht, aber verstehe die Message. Eine Heirat verstärkt dieses Pflichtgefühl auf positive Weise und ist die Gelegenheit, um allen klar zu machen, dass wir jetzt Mann und Frau sind und meine Frau immer an erster Stelle stehen wird.