Nicht jedes Kürzungsvorhaben der Bundesregierung sorgt dieser Tage für so viel Unmut wie die Streichung von Subventionen für die Landwirte. So etwa bei der humanitären Hilfe und der Entwicklungszusammenarbeit: Dass auch hier der Rotstift angesetzt wird, lockt keine wütenden Demonstranten auf die Straße - und Trecker erst recht nicht.

Dabei sind die Einschnitte beachtlich. Allein das Entwicklungsministerium soll in diesem Jahr rund eine Milliarde Euro weniger bekommen als 2023 - und auch bei der humanitären Hilfe wird gespart. Am Freitag soll der Bundestag über den Haushalt abstimmen.

Rund eine Milliarde weniger Entwicklungshilfe

Nach der Bereinigungssitzung im Haushaltsausschuss des Bundestages sind für den Etat von Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) 11,2 Milliarden Euro vorgesehen, 2023 waren es noch knapp 12,2 Milliarden Euro. Die für die humanitäre Hilfe eingeplanten Mittel sollen auf etwas mehr als 2,2 Milliarden Euro sinken, rund 500 Millionen Euro weniger als 2023.

Lukas Goltermann, Haushaltsexperte beim entwicklungspolitischen Dachverband Venro, kann den Schritt trotz der angespannten Finanzlage nicht nachvollziehen. Angesichts zahlreicher internationale Krisen brauche es eher mehr Geld als weniger, sagt er und warnt vor einem "gefährlichen Trend".

Nur zum Teil sind die Kürzungen auf das Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts zurückzuführen, nach dem die Regierung an allen Ecken und Enden Gelder streichen muss. Beim Entwicklungsetat waren im Haushaltsentwurf der Bundesregierung bereits vorher Einschnitte angesetzt.

Bedarf an Hilfe wächst weltweit

Dabei wächst der Bedarf an Hilfe weltweit - während das Geld immer knapper wird. Schon vergangenes Jahr konnten laut den Vereinten Nationen Millionen von Menschen nicht versorgt werden. Allein in Afghanistan etwa haben zwischen Mai und November demnach zehn Millionen Menschen den Zugang zu Lebensmittelhilfe verloren. Einschnitte gab es auch in Ländern wie Myanmar, Nigeria und dem Jemen.

Deutschland ist über die Jahrzehnte zu einem der wichtigsten Geberländer in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe geworden. Für das UN-Welternährungsprogramm (WFP) zum Beispiel ist Deutschland nach den USA der zweitwichtigste Finanzier.

Warnung vor den Folgen: Glaubwürdigkeit in Gefahr

Der Direktor der Denkfabrik "Centre for Humanitarian Action" (CHA), Ralf Südhoff, warnt deshalb vor den Folgen der geplanten Kürzungen. "Sie tragen dazu bei, dass die grassierende Not weltweit noch schlechter gelindert werden kann", sagt er. Dadurch könnten "immer häufiger Triage-Entscheidungen" notwendig werden:

"Helfen wir hungernden Menschen am Horn von Afrika oder unterstützen wir Flüchtlinge, deren Lebensgrundlage vom Klimawandel zerstört wurde?"

Aber die Einschnitte hätten auch "harte außen- und sicherheitspolitischen Folgen". Beim Ukraine-Krieg etwa werde von Ländern des Globalen Südens erwartet, dass sie sich auf die Seite des Westens schlagen, sagt Südhoff.

"Wenn Deutschland so substanziell Abstriche macht in Zeiten von allergrößter Not, während es selbst zu Solidarität aufruft, dann untergräbt das die Glaubwürdigkeit massiv."

Opposition stellt Entwicklungszusammenarbeit grundsätzlich infrage

Trotz solcher Einwände nimmt die Diskussion über den Sinn des internationalen Engagements hierzulande gerade an Fahrt auf. Die Opposition stellte die Entwicklungszusammenarbeit recht grundsätzlich infrage. So etwa CSU-Generalsekretär Martin Huber: "Die #Ampel verteilt Geld in aller Welt, aber für unsere hart arbeitenden Bäuerinnen und #Bauern ist angeblich kein Geld da? Das geht so nicht", schrieb er auf der Internetplattform X, ehemals Twitter.

Unions-Haushaltsexperte Christian Haase (CDU) schlug gegenüber dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (RND) vor, zur Finanzierung von Hochwasserhilfen und Agrarsubventionen bei der Entwicklungshilfe und dem Klimaschutz in anderen Ländern zu kürzen.

CHA-Direktor Südhoff blickt mit Sorge auf diese Debatte. "Es setzt sich ein Narrativ fest, dass die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitäre Hilfe Almosen sind", sagt er.

"Dabei sind wir dazu verpflichtet, etwa weil wir für die Folgen des Klimawandels mitverantwortlich sind".

Lange habe es dafür einen parteiübergreifenden Konsens gegeben, der nun aber aufgekündigt werde, warnt er.

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