Wer künftig per Boot versucht, illegal in Großbritannien einzureisen, soll nach Ruanda umgesiedelt werden. So sieht im Kern der Asyldeal aus, den die Regierungen von Ruanda und Großbritannien im April der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Inzwischen hat Ruanda medienwirksam eine Unterkunft für die Asylsuchenden präsentiert, die erste Gruppe soll schon in den kommenden Wochen dort aufgenommen werden.

Das neue Abkommen zwischen Großbritannien und dem ostafrikanischen Land erinnert an die australische Verfahrensweise: Seit 2013 hat Australien einen generellen Aufnahmestopp für Bootsflüchtlinge verhängt. Die, die dennoch kommen, werden in Internierungslagern in Nauru oder Papua-Neuguinea untergebracht. Eine gelinde gesagt umstrittene Methode, doch die Zahl der Bootsflüchtlinge ist in den vergangenen Jahren nach Angaben der australischen Regierung praktisch auf null zurückgegangen.

Menschenunwürdige Zustände in den Lagern

Aufwand und Kosten des australischen Modells sind enorm, hinzu kommen Berichte über menschenunwürdige Lebenszustände in den Lagern. Doch die Kritik hatte Großbritannien nicht davon abgehalten, Anfang April ähnliche Pläne bekannt zu geben. Auch hier wird mit Abschreckung argumentiert, die Schleuser-Netzwerken langfristig das Handwerk legen und so Menschenleben retten soll. Die ruandische Regierung erhält dafür 120 Millionen Pfund, etwa 144 Millionen Euro, die in Bildungs- und Sprachangebote für Asylsuchende und Ruander investiert werden.

Ruanda bietet den Asylsuchenden gleichzeitig die Möglichkeit, sich dauerhaft in dem afrikanischen Staat niederzulassen, und weist den Vergleich mit Australien zurück.

"Im Rahmen dieser Partnerschaft werden diejenigen, die illegal mit kleinen Booten oder auf andere Weise in das Vereinigte Königreich gelangen, nach Ruanda umgesiedelt, wo sie ihren Antrag auf Aufnahme in Ruanda stellen werden. Das ist etwas ganz anderes als das australische Modell mit den Internierungslagern auf Nauru. Dieser Ansatz wurde so noch nie ausprobiert, es ist etwas Neues", erklärt Regierungssprecherin Yolande Makolo.

"Wir sehen uns als Teil der Lösung für ein globales Problem. Afrika muss nicht immer der Empfänger von Ideen oder Lösungen sein, wir können auch Lösungen anbieten."

In den vergangenen Jahren hat sich Ruanda immer wieder als flüchtlingsfreundliches Land präsentiert. Fast 130.000 Geflüchtete, unter anderem aus der Demokratischen Republik Kongo, Burundi, Libyen und Afghanistan, sind dort momentan registriert. "Viele Ruander waren selbst Flüchtlinge", erklärt Makolo. Auch gibt es ein von der EU unterstütztes Abkommen zwischen dem UN-Flüchtlingshilfswerk, der Afrikanischen Union und Ruanda, Geflüchtete aus Libyen aufzunehmen. Und Dänemark soll Medienberichten zufolge bereits einen ähnlichen Deal wie Großbritannien mit der Regierung in Kigali planen.

Autokratisches Regime wäscht sich rein

Ruanda bekommt so politische Anerkennung und eine kräftige Finanzspritze. Dass dem autokratischen Regime vorgeworfen wird, Oppositionelle zu verfolgen, verblasst vor diesem Hintergrund. Stattdessen erklärte der britische Premierminister Boris Johnson kürzlich, dass Ruanda "eines der sichersten Länder der Welt ist", und die Kapazitäten habe, in den kommenden Jahren Zehntausende von Migranten neu anzusiedeln.

Während Menschenrechtsorganisationen das Abkommen scharf kritisieren und von einer Aushebelung des Asylrechts sprechen, soll eine erste Gruppe von Asylsuchenden bereits in den nächsten Wochen nach Ruanda geschickt werden. Die Regierung in Kigali präsentierte dafür schon medienwirksam drei Hotels - mit Swimmingpool und Yoga-Möglichkeiten. Die Kosten für die Unterbringung der Migranten in Ruanda würden von Großbritannien getragen, und lägen auf etwa der gleichen Höhe wie eine Unterbringung während des Asylverfahrens in Großbritannien, erklärte Makolo.

Migration lässt sich nicht verhindern

"Seit Großbritannien durch den Brexit nicht mehr die Möglichkeit hat, von dem Dublin-Abkommen Gebrauch zu machen, kann es Geflüchtete nicht mehr in die Ankunftsländer, also zum Beispiel Italien, zurückzuschicken", resümiert Nicole Hirt, Afrika-Expertin am Giga-Institut in Hamburg.

"Migration lässt sich aber nicht verhindern. Die Menschen werden nicht aufhören, es zu versuchen."

Aus Großbritannien berichten Hilfsorganisationen derweil, dass nach der Ankündigung des Deals schon etliche Asylsuchende aus Angst vor der Abschiebung nach Ruanda untergetaucht seien.