Die Instagram-Serie "@ichbinsophiescholl" von Südwestrundfunk (SWR) und Bayerischem Rundfunk (BR) hat erst kürzlich einen Preis erhalten. Beim World Media Festival in Kanada gewann sie den Rockie Award. Doch eine Studie legt nahe, dass die eigentliche Zielgruppe des Projekts klar verfehlt wurde.

Die aus der Smartphone-Perspektive erzählte Serie nahm die Nutzer zehn Monate in Echtzeit Tag für Tag mit in das Leben der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl bis zu ihrer Verhaftung. Zwischen Mai 2021 und Februar 2022 folgten durchschnittlich 840.000 Nutzer der Geschichte, erklären die Verantwortlichen. 

Jugendliche Zielgruppe verfehlt

Doch erreicht wurden offenbar eher ältere Menschen. Eine Studie der RWTH Aachen zeigt jedenfalls, dass gerade Jugendliche zwischen 14 und 19 Jahren das Social-Media-Projekt kaum wahrgenommen haben. Das berichtet der "Spiegel"

Der Geschichtsdidaktiker Christian Kuchler hat 1250 Schüler*innen und Schülern an Schulen in Bayern, dem Saarland und Nordrhein-Westfalen befragt. Nur 23 Prozent von ihnen nahmen überhaupt Notiz von dem Account. An fehlenden Zugängen lag es jedenfalls nicht: 81 Prozent der befragten Personen haben demnach einen eigenen Instagram-Account.

Viele Jugendliche hielten Schauspielerin für echte Sophie Scholl

Auch ein weiteres Ergebnis der Studie irritiert: Offenbar hielten viele der befragten Jugendlichen, die "@ichbinsophiescholl" besucht hatten, die Schauspielerin für die echte Sophie Scholl. Schockierend, aber nicht überraschend: Inhalte von Instagram wurden von den Befragten in der Untersuchung als besonders glaubwürdig eigestuft. 

Auch die Identifikation derjenigen Befragten, die dem Account folgten, war demnach hoch. Und das ist bereits das dritte Problem. Denn das Instagram-Projekt der beiden Fernsehanstalten wurde von vielen wegen historischer Ungenauigkeiten, Verkitschung der Geschichte oder Geschichtsklitterung kritisiert.

Ein besonders prominenter Kritiker war der Satiriker Jan Böhmermann, der "@ichbinsophiescholl" in seiner Sendung ausführlich zerlegte – hier sehen Sie sein Video zum Thema:

Wann hast du das letzte Mal an Nationalsozialismus gedacht? Über die Hälfte aller Deutschen denkt da nämlich nicht so gerne dran und würde am liebsten einen "Schlussstrich" unter das Thema ziehen. Deutschland hat ein Problem mit der Erinnerungskultur. Das Instagram-Projekt "ichbinsophiescholl" soll auf das Thema aufmerksam machen, hat aber einige Probleme bei der Umsetzung. Historische Quellen und die langweilige Wahrheit klicken halt leider nicht so gut! Und je länger die NS-Zeit her ist, je weniger Täter und Opfer noch leben, desto mehr verschwimmen die Fakten.

Das Problem an @ichbinsophiescholl – und was nötig ist

Die Hauptkritikpunkte an der historischen Darstellung insgesamt lauteten: Viele Zitate von Sophie Scholl waren frei erfunden. Und es wurde nirgends ersichtlich, dass der Widerstand der Weißen Rose um die Geschwister Scholl die absolute Ausnahme in Nazi-Deutschland blieb. 

Künftige Formate sollten aus den Fehlern lernen, sorgfältiger mit Fakten umgehen und historisches Geschehen besser einordnen. Auch sollte man sich dringend Gedanken machen, wie man mehr Jugendliche erreichen kann.

Für alle drei Problemfelder braucht es mehr Expertise. Gerade junge ARD-Formate wie Funk haben längst bewiesen, dass ihnen eine angemessene Umsetzung zuzutrauen ist. Und auch beim Erreichen der angepeilten Zielgruppe leisten sie bereits gute Arbeit. 

"Rebellinnen": Die Ausstellung über starke Frauen

Sophie Scholl ist Teil der Wanderausstellung "Rebellinnen". Diese stellt Frauen aus dem deutschsprachigen Raum vor, die für ihre Überzeugungen und Rechte kämpften, die Gesellschaft prägten, sie verändern wollten.

Als Medienpartner von "Rebellinnen" veröffentlicht sonntagsblatt.de Porträts und weiterführende Informationen zu allen Frauen, die in der Ausstellung gezeigt werden.

Sie haben Interesse daran, die Ausstellung zu besuchen oder auszuleihen? Auf ausstellung-leihen.de finden Sie künftige Termine sowie die Online-Buchung.