"Junge und alte Menschen fallen besonders an Feiertagen in ein tiefes Loch"

Herr Pilhofer, wie erleben einsame Menschen das Weihnachtsfest?

Georg Pilhofer: Viele alte und auch junge Menschen fühlen sich gerade an Weihnachten alleingelassen. Bei Seniorinnen und Senioren kommen Erinnerungen aus der Vergangenheit hoch und sie leiden darunter, dass sie allein sind. Ihnen wird bewusst, dass Menschen, die sie von Kindheit auf kannten, Eltern und Geschwister, nicht mehr da sind. Und junge Menschen finden sich aufgrund der Digitalisierung in der realen Welt nicht mehr zurecht, weil sie häufig nur gelernt haben, über das Internet zu kommunizieren. Beide Altersgruppen fallen besonders an den Feiertagen in ein tiefes Loch.

Was raten Sie Menschen, wenn sie sich über die Feiertage einsam fühlen?

Auf keinen Fall allein bleiben! Die Kirchen und auch andere Organisationen der Wohlfahrtspflege bieten an Weihnachten Gemeinschaftsfeste mit Bescherungen, Essen und Trinken an. Jugendverbände wie der CVJM in Amberg zum Beispiel laden einsame Menschen aller Altersgruppen an Heiligabend zu Bescherung und Unterhaltung ein. Und diejenigen, die nicht unter Leute gehen möchten, oder die zu Hause bleiben wegen der Witterungsverhältnisse oder weil es keine Ehrenamtlichen gibt, die sie abholen, denen empfehle ich viel zu telefonieren, auch aktiv andere anzurufen. Wer niemanden hat, sollte sich an die Telefonseelsorge wenden, um mit jemandem über die Feiertage gesprochen zu haben.

Warum wird in solchen Fällen nicht einfach beim Nachbarn angeklopft?

Das Problem dabei ist, dass sich alte Menschen oft schämen, sie wollen andere nicht belästigen. Und die Nachbarn wiederum wollen sich nicht aufdrängen. Da ist es gut, wenn schon vor den Feiertagen Brücken gebaut werden. Während meiner Beratungstätigkeit habe ich es erlebt, dass Senioren dadurch viel länger in ihrem Lebensumfeld verbleiben konnten, weil Nachbarn sie immer wieder besucht haben.

"Gemeinsam Spiele spielen und Unternehmungen machen."

Und welche Tipps haben Sie für junge Menschen, die sich schwertun, auf andere zuzugehen?

 Junge Menschen sind oft sehr in ihrer digitalen Welt verhaftet. Es gibt natürlich Chatrooms und Social Media Gruppen, an die sie andocken können, aber über diese Distanz ist das nicht die Realität, sondern bleibt virtuell. Deshalb empfehle ich den Familien, dass sie gemeinsam Spiele spielen und Unternehmungen machen, damit die jungen Menschen sich nicht nur in dieser Parallelwelt aufhalten. Gerade Jugendliche verlieren sich auch ein Stück weit in der digitalen Welt.

Was empfehlen Sie Menschen, die kaum mehr vor die Tür gehen und dadurch keine Kontakte haben?

Das ist schwierig, denn die anderen wissen ja nicht, dass man jetzt allein in der Wohnung sitzt. Diese Menschen wollen raus und unter Leute, erwarten aber, dass die Leute zu ihnen kommen. Es ist ein bedrückendes Gefühl, wenn man etwas möchte, aber von anderen nicht wahrgenommen wird. Diese Anonymität ist in Großstädten ein Problem. Auf dem Land gibt es noch die Nachbarn, die nachsehen könnten. Insgesamt braucht es mehr sogenannte Kümmerer in den Kommunen, die Menschen vor Ort einfach ansprechen oder Besuchsdienste organisieren. Das sind Modellprojekte, die auch von den Ministerien gefördert werden.

"Die beste Medizin gegen Einsamkeit ist..." 

Und was ist die allerbeste Medizin gegen Einsamkeit?

Das ist der Humor oder wenn man positive Gedanken hegt und pflegt. Da fällt mir ein Witz ein: Hält ein Polizist eine junge Autofahrerin an und fragt: Wissen Sie, warum ich Sie angehalten habe? Sagt die junge Frau: Weil Sie einsam sind?

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden