Martin Tontsch ist Pfarrer, Referent für konstruktive Konfliktbearbeitung der landeskirchlichen Arbeitsstelle "kokon" und begeisterter Radsportler. Kürzlich nahm er am 18. Pacemakers-Radmarathon für eine friedliche und gerechte Welt ohne Atomwaffen teil. Die Eindrücke, die er nach rund 100 Kilometern auf dem Drahtesel mitgenommen hat, fließen auch in die Friedenskonzeption der ELKB ein.

Von Bretten aus durch das Rheintal, über Heidelberg, Mannheim, Kaiserslautern, durch den Pfälzer Wald strampelten und schwitzten Anfang August beim Pacemaker-Marathon Männer und Frauen rund 15 Stunden entlang der insgesamt 336 Kilometer, von denen Martin Tontsch wenigstens eine Teilroute absolviert hat. "Aber mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 30 Stundenkilometern", erklärt er stolz.

An den Stationen waren immer wieder Ansprachen und Kundgebungen zu hören, die örtliche Politik und zahlreiche gesellschaftliche wie kirchliche Organisationen setzten gemeinsam ein Zeichen für den Frieden.

Zusammenhalt zeigen

"Es ist sicher ein bisschen einfach gedacht, dass man mit einem Radmarathon Den Weltfrieden bringen kann", sagt Martin Tontsch, der sich auch in den Statements mehr Differenzierung gewünscht hätte.

"Aber ich finde es auch nicht naiver als die Vorstellung, wir könnten die Welt durch weitere Aufrüstung und die Erweiterung der NATO friedlicher oder auch nur sicherer machen."

"Richtig harte Typen" seien beim Marathon dabei gewesen. Tatsächlich vorwiegend Männer, die sich allesamt etwas beweisen und das letzte aus sich herausholen wollten. Allerdings alles im Zeichen des Friedens und auch in gelöster, freundlicher Stimmung. Bei all dem Testosteron genau das Gegenteil von "toxischer Männlichkeit", wie sie beispielsweise auch ein Wladimir Putin propagiert, wenn er sich gerne mit freiem Oberkörper ablichten lässt.

"Da helfen sich sogar die Mitfahrer gegenseitig, wenn man mal ein Tief oder ein technisches Problem hat. Es war ein wunderbares Miteinander", erinnert sich Tontsch.

Neue kirchliche Friedensposition

Wenn er zusammen mit einem von Oberkirchenrat Michael Martin geleiteten Team von Geistlichen, der Evangelischen Jugend und seiner kokon-Kollegin Claudia Kuchenbauer der bayerischen Landessynode voraussichtlich im Herbst 2023 den Vorschlag einer kirchenweiten Verständigung zu Friedenspositionen vorliegt und damit den Auftrag der 2019er-Synode in Lindau ausführt, dann fließen dort bestimmt auch Gedanken mit ein, die ihm auf der Wegstrecke gekommen sind.

Fest steht jetzt schon: Es wird kein Ukraine-Papier werden, auch wenn der seit dem 24. Februar tobende Krieg die bisherigen Überlegungen und Vorstellungen noch einmal auf den Prüfstand gestellt haben. Denn:

"Wir reflektieren diese Aggression des Angriffskriegs, unsere Positionen müssen aber weltweit auch auf andere Konfliktsituationen übertragbar sein."

Frieden nach Bonhoeffer

Die Arbeitsgruppe will es sich nicht leicht machen, habe doch schon Dietrich Bonhoeffer bekannt, dass Friede das eine große Wagnis sei und sich nie und nimmer sichern lasse. Das Zutrauen in die Rolle der UN, das beispielsweise aus der EKD-Denkschrift von 2007 noch spreche, scheine aus aktueller Sicht doch zu groß gewesen zu sein, meint Tontsch.

"Und trotzdem gilt es, an der Idee festzuhalten, dass Frieden nur dort entstehen kann, wo wir am Frieden arbeiten und dass es dabei auf uns ankommt. Wir müssen im Großen und Kleinen weiter daran arbeiten, mit Spannungen in einer friedensstiftenden Weise umzugehen",

ist der friedensbewegte Geistliche überzeugt, der sich auch gerne in Kirchengemeinden und Pfarrkonvente einladen lässt, um die Thesen zu diskutieren.