"Alte weiße Männer stinken" – der eine oder die andere dürfte sich an dieser Aussage stören. So auch ein Rechtsanwalt, der – im Briefkopf zugleich als "Bundesrichter a.D." firmierend – schriftlich Strafanzeige erstattete. Und zwar gegen eine – wie es im Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 28.11.2024 so schön heißt – "unbekannte Frau", die bei "einer Veranstaltung des ‚Feministischen Funparks‘ der Verdi-Frauen am 08.03.2024 auf dem Kornmarkt in Nürnberg auf eine Pappwand, die mit zahlreichen Sprüchen und Parolen versehen war und dem Zweck diente, dass Frauen ihre Unzufriedenheit schriftlich äußern konnten", ebendieses Schlagwort geschrieben haben soll.
Die Staatsanwaltschaft lehnte die Ermittlungen in diesem Fall ab. Der Anzeigeerstatter betrieb daraufhin ein Klageerzwingungsverfahren. Und so musste sich schließlich das Oberlandesgericht Nürnberg mit der Frage befassen, ob die Verwendung des Schlagworts "Alte weiße Männer stinken" den Anfangsverdacht einer Volksverhetzung begründet.
Gericht sieht keine Störung des öffentlichen Friedens
Antwort mit zwei Buchstaben: nö. Nach Auffassung des Gerichts war die Handlung "schon nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören". Dabei prüfte der Senat nicht nur mustergültig die Voraussetzungen von Paragraf 130 Strafgesetzbuch, sondern traf auch eine Feststellung, die weit über den Einzelfall hinausreicht:
"Der Begriff ‚alte weiße Männer‘ findet in Deutschland seit 2012 Verwendung und man versteht darunter weiße Männer, die in einer Zeit aufgewachsen sind, in der sie aufgrund ihres Weiß- und Männlich-Seins gesellschaftliche Privilegien genossen haben, die diese Privilegien und die Diskriminierung von z. B. Frauen und People of Color aber verleugnen und somit die Gleichberechtigung aller Menschen behindern."
Das steht zwar so ähnlich schon länger bei Wikipedia (unter dem Suchbegriff "Alte weiße Männer"). Weil es nun aber die Worte eines Obergerichts sind, gibt es jetzt ein großes Aufhorchen. Dabei sind die Erwägungen des Gerichts vor allem ein gutes Beispiel dafür, dass sich die Justiz weder von großen Namen ("Bundesrichter a.D.") beeindrucken lässt noch von populistischer Aufgeregtheit ("Frauen gegen Männer!").
Alte weiße Männer stinken nicht wirklich
Und während sich manche lieber an einem frechen Schlagwort – statt an einer fehlenden Debatte über Diskriminierung, Ausgrenzung und Gewalt – stören, tut das Oberlandesgericht genau dies nicht. Es stellt vielmehr nüchtern klar, dass im Rahmen einer feministischen Veranstaltung "mit der Verwendung des Schlagworts ‚Alte weiße Männer stinken‘ kurz und bündig ein Diskussionsbeitrag zur dargestellten Thematik geleistet werden sollte, ohne dass damit ernsthaft die Gruppe der ‚alten weißen Männer‘ ausgegrenzt oder als im echten Wortsinn als ‚stinkend‘ bezeichnet werden soll." – soll heißen: Alte weiße Männer stinken nicht wirklich.
Die obergerichtlichen Erwägungen sind richtig und wichtig, wird durch sie doch nicht zuletzt der Korridor für Meinungsfreiheit weiter offengehalten. Der Auffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg kann man im Ergebnis daher nur zustimmen – auch wenn man selber männlich ist und einmal alt sein wird.
Kommentare
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Der Begriff findet…
Der Begriff findet Verwendung - so?! Der Begriff Weib findet seit 750 n. Chr. Verwendung ist ist regional noch vorhanden. Trotzdem ist eine Beleidigung. Der alte weiße Mann wird hier auch diffamierend verwendet.
Ein (subjektiv) erlebtes…
Ein (subjektiv) erlebtes Unrecht (hier Diskriminierung von Frauen, PoC etc) kann doch nicht ausgeglichen werden, indem ich mir nun als Rache das Recht nehme, andere verletzend zu diskriminieren?! Auge um Auge, Zahn um Zahn haben wir an sich überwunden.
Die gleichen Leute regen sich dann heftig ü+ber Aggressivität und Verflachung in unseren politischen Diskussionen auf - und tragen selber dazu bei.
Es mag nicht justitiabel sein - aber es bleibt ein Niveau, das keine emazipierte Frau nötig haben sollte (ich bin selber eine!)
Nein, alte weiße Männer stinken nicht, aber mir stinkt dieses Diskussionsniveau.
Na toll. Ob man nun wegen…
Na toll. Ob man nun wegen solchen Sprüchen in den schweren Kerker soll? Da maße ich mir nicht an es besser zu wissen als die Rechtsgelehrten. Freie Rede ist ein hohes Gut. Aber in einer Zeit der Niveauunterbietung und der Massenproduktion geistiger Verflachung leben wir noch immer. Ob so ein Spruch Werbung für die Kapazitäten der Frauen ist? Und die logische Konsistenz des Gerichts? Etwas stinkt, aber riecht nicht? Das kann man sagen, sollte sich dann aber nicht über mangelnde Volksnähe beklagen. Dünnpfiff gibt es auf hoher See und anderswo...