Die gesundheitliche Versorgung und medizinische Ausbildung in Deutschland muss laut der Expertin Christina Haubrich mehr Rücksicht auf die konkreten Bedürfnisse von Männern und Frauen nehmen.

Herzinfarkt: Sehr unterschiedliche Symptome bei Frauen und Männern

Gesundheit und Krankheitsbilder seien je nach Geschlecht sehr unterschiedlich, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag und gelernte Krankenschwester im Gespräch mit dem Sonntagsblatt. Als Beispiel nannte sie den Herzinfarkt, der bei Männern und Frauen unterschiedliche Symptome hervorrufe.

Männer klagten über Schweißausbrüche, Todesangst, Engegefühl in der Brust oder darüber, dass die Schmerzen in den linken Arm ausstrahlten, sagte Haubrich. Dies seien die "klassischen" Symptome, die auch in der Bevölkerung bekannt seien - die aber nicht unbedingt auf Frauen zutreffen.

Haubrich sagte:

"Bei Frauen können zum Beispiel auch Beschwerden im Magen-Darm-Bereich wie Übelkeit und Erbrechen, strenggenommen sogar alle Schmerzen oberhalb des Bauchnabels, auf einen Herzinfarkt hinweisen."

Das hätten viele Frauen und auch Mediziner nicht unbedingt sofort auf dem Schirm.

Frauen werden bei Herzinfarkt seltener reanimiert

Studien belegten, dass Frauen mit Herzinfarkt daher deutlich seltener reanimiert würden als Männer, sagte Haubrich. Neben dem Herzinfarkt gebe es viele weitere Beispiele, wie unterschiedlich Männer und Frauen auf Krankheiten reagierten und wie unterschiedlich sie behandelt würden. Es gebe zum Beispiel auch einige Männer mit Brustkrebs, der allgemein als "Frauenkrankheit" angesehen werde.

Viele Gynäkologen wollten oder könnten betroffene Männer aber nicht behandeln, weil sie zu wenig Erfahrung mit Brustkrebs bei Männern haben. Auch Medikamente hätten bei Männern und Frauen unterschiedliche Wirkungen und Nebenwirkungen.

Christina Haubrich
Christina Haubrich, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bayerischen Landtag.

Geschlechtersensible Medizin soll Teil des Studiums werden

Haubrich forderte daher, dass eine geschlechtersensible Medizin Teil des Medizinstudiums sein soll. Dazu brauche es mehr Angebote an Hochschulen bis hin zu eigenen Lehrstühlen. Warum die Medizin ihren Fokus eher auf Männer habe - da könne sie nur Mutmaßungen anstellen, sagte Haubrich.

"Frauenthemen" wie Endometriose, Regelblutung oder zyklusbedingte Hormonschwankungen unterlägen immer noch einem gewissen Tabu. Außerdem sei die Ärzteschaft in der Vergangenheit mehrheitlich männlich gewesen. Das ändere sich derzeit aber - heute gebe es immer mehr Ärztinnen.

Bisher nur eine Randerscheinung

Die Grünen-Fraktion hat dazu einen Antrag ausgearbeitet, der an diesem Dienstag (10. Mai) im Gesundheitsausschuss behandelt werden soll. Darin wird gefordert, dass der jährlich erscheinende Gesundheitsbericht Frauen- und Männergesundheit besser berücksichtigen soll.

Bisher sei eine geschlechterspezifische und gendersensible Medizin in Deutschland noch eine Randerscheinung. Forschung und Lehre stützten sich weiterhin hauptsächlich auf die männliche Physiologie und Pathologie, heißt es in dem Antrag.

Ein zweiter Antrag soll demnächst behandelt werden. Darin wird die Staatsregierung aufgefordert, einen Lehrstuhl für Gendermedizin an einer bayerischen Medizinfakultät einzurichten.