Bei ihrem Hilfstransport in die Ukraine hätten die beiden Weißenbrunner Schutzwesten dabei gehabt, so Tom Sauer. Vor Ort sei ihm jedoch bewusst geworden, dass "in diesem Land so viele Menschen ohne Schutz sind". Er habe deshalb beschlossen, selbst die Weste abzulegen. In der Westukraine sei es im Prinzip "zugegangen wie hier auf dem Kronacher Marienplatz".

Nicht zu Zielscheibe werden

Menschen könnten nicht dauerhaft in Angst leben. Bis zur ukrainischen Hauptstadt Kiew habe alles normal gewirkt – "bis wir in die ländlichen Teile der Ukraine kamen". Nachts fahren ohne Licht – um nicht zur Zielscheibe zu werden – ging nicht.

Zum Glück sei eine Mitfahrt in einem kleinen Hilfs-Konvoi bis nach Sumy im Nordosten der Ukraine möglich gewesen. Obwohl die Stadt erst Tage zuvor bombardiert worden worden sei, seien die Menschen nicht niedergeschlagen gewesen. Hier pflanzten Sauer und Jakob einen der beiden mitgebrachten Apfelbäume, frei nach Martin Luther: "Wenn morgen die Welt untergeht, pflanze ich heute noch einen Apfelbaum."

Zerstörtes Krankenhaus

In Sumy erlebten die Helfer auch Bereiche mit vielen zerstörten Kriegsfahrzeugen und Häusern sowie ein durch Beschuss zerstörtes Krankenhaus.

"An solchen Stellen ist mir klar geworden: Einen Krieg kann man nicht erklären. Ein Krieg ist immer ein Unding",

so Sauer.

Organisiert wurde die Friedenskundgebung in Kronach, an der auch das evangelische Dekanat beteiligt war, von Stadträten der Grünen und der SPD. Der Weißenbrunner Verein Humanitäre Hilfe für Menschen in Not wurde 1992 als Reaktion auf den Balkankrieg gegründet. Nach Kriegsende standen vor allem hilfsbedürftige Menschen in der Region im Zentrum der Aktivitäten. Seit Beginn des Kriegs in der Ukraine organisiert der Verein Hilfsgüterlieferungen.

Junge Mutter berichtet von Fluchterfahrung

Von einer schier unmenschliche Entscheidung berichtete Maryna Sylzun. Sie und ihr Mann hätten die Wahl treffen müssen, ihre fünf und sechs Jahre alten Kinder im russischen Bombenhagel zu lassen oder die Familie für die Flucht zu trennen. Die junge Mutter ist knapp zwei Monate in Deutschland und berichtete auf Englisch von der schwersten Entscheidung ihres bisherigen Lebens:

"Der 24. Februar veränderte alles. Wir waren sehr verängstigt und wussten nicht, was wir tun sollten."

Sie hätten ihr Haus nicht verlassen wollen, aber: "Sirenen und Alarme, dazu Explosionen, machten uns deutlich, unsere Heimatstadt Kiew verlassen zu müssen. Wir konnten nicht lange darüber sprechen, und ich konnte meinem Ehemann nicht wirklich Auf Wiedersehen sagen. Für mich und meine Kinder gab es nur die Flucht. Meine Kinder schrien und baten, zu bleiben. Ich erklärte ihnen, dass wir unbedingt gehen müssen, aber dass der Vater dableiben musste."

Es sei sehr hart gewesen, den Mann zurückzulassen und wegzugehen.

"Ich versuchte, das Beste für meine Kinder zu tun. Ich musste wählen, ob wir in der Ukraine bleiben, uns in einem Bunker verstecken und ständig Angst haben oder ob ich die Kinder in Sicherheit bringe, aber damit auch vom Vater wegbringe."

Jetzt seien sie und die Kinder sicher. Ausdrücklich dankte Sylzun der Familie in Ludwigsstadt, die sie aufgenommen hat. Kronach und Ludwigsstadt seien ihr eine zweite Heimat geworden.

Maryana spricht in Kronach
Maryna Sylzun (dahinter Peter Witton, der aus dem Englischen übersetzte) ist mit ihren beiden Kindern in Ludwigsstadt gut aufgenommen worden. Sie schilderte tief bewegt, wie der Entschluss zur Flucht fiel und wie sehr sie sich um Ehemann, Bruder und Vater sorgt, die jetzt zur Verteidigung ihres Landes im Krieg kämpfen.