Im Jahr 2020 starben in Deutschland nach offiziellen Angaben fast 1.600 Menschen an den Folgen ihres Drogenkonsums. Im ersten Jahr der Corona-Pandemie ist der Konsum illegaler Drogen gegenüber dem Vorjahr um rund 13 Prozent gestiegen.

In den sozialen Medien, vor allem auf Twitter, wird derweil unter dem Hashtag #DuFehlst eine Kontroverse ausgetragen. Viele klagen über eine Stigmatisierung von Drogenabhängigen, denn sie halte Betroffene davon ab, über ihre Sucht zu reden und Hilfe zu suchen.

Sucht und Strafverfolgung ist doppelte Belastung

Eine von ihnen schreibt: "Ich habe Menschen gekannt, die an der Doppelbelastung von Sucht und Strafverfolgung zugrunde gegangen sind." Eine andere Person berichtet über ihre Studienfreundin Marie, die nach zweimaligem Entzug rückfällig geworden sei. "Langsam entglitt ihr wieder alles. Aus Angst vor der Strafverfolgung hat sie sich keine Hilfe mehr gesucht." Ein Weiterer klagt:

"Eine verfehlte Drogenpolitik hat meine Familie kaputtgemacht und meinem Bruder das Leben gekostet."

Er fordert, den Konsum von Drogen zu legalisieren.

Portugal legalisiert Drogen – weniger Tote

Andere Länder in Europa haben das bereits getan. So ist in Portugal seit 2001 der Konsum von Drogen legal. Seither ist die Zahl der Drogentoten gesunken: Während es laut Drogenbericht der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht 2001 in Portugal noch 280 Drogentote gab, waren es im Jahr 2018 nur 55.

Uwe Wicha, Leiter einer Fachklinik für Drogentherapie im sächsischen Großrückerswalde, hat Bedenken, das portugiesische Modell zu kopieren. "Die Zahl der Drogentoten mag zwar zurückgegangen sein, aber nicht der Konsum", erklärt er. So schaffe etwa Cannabis häufig Abhängigkeit. Die Hoffnung, durch Legalisierung einen besseren Jugendschutz zu betreiben, hält Wicha für eine Illusion.

"Im Gegenteil: Wenn eine Droge legal ist, denken sich Jugendliche: So schlimm kann sie nicht sein."

Laut Drogen- und Suchtbericht 2019 der Bundesregierung haben zehn Prozent aller Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren schon einmal Cannabis konsumiert, obwohl die Substanz in Deutschland nur illegal auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist. Linda Heitmann, Bundestagsabgeordnete der Grünen, sagte dem Sonntagsblatt:

"Ich glaube, dass eine Entkriminalisierung dazu führen kann, dass über gesundheitliche Gefahren und Wechselwirkungen eines Drogenkonsums offener gesprochen wird."

Dazu fordert sie einen Ausbau der Beratungsangebote.

Um die Zahl der Drogentoten zu reduzieren, braucht es ihrer Ansicht nach "eine Sicherstellung flächendeckender Substitutionsangebote, damit mehr Abhängige diese wahrnehmen können". Zudem fordert sie "gute Substitutionsangebote im Gefängnis und nach der Haftentlassung. Das ist ein sehr kritischer Moment, in dem viele Rückfälle und Überdosierungen vorkommen, die vermeidbar sein sollten", sagt Heitmann.

Ampel plant kontrollierte Abgabe von Cannabis

Die Ampel-Parteien planen laut Koalitionsvertrag die Einführung der kontrollierten Abgabe von Cannabis. In einem Appell äußern sich die deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen und -medizinischen Fachgesellschaften und Verbände darüber besorgt.

Rainer Thomasius, Ärztlicher Leiter am Deutschen Zentrum für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, hat den Appell unterschrieben. Er warnt vor gesundheitlichen Schäden für Jugendliche:

"Der Zusammenhang zwischen Cannabiskonsum und psychischen Störungen ist gut belegt."

So litten jugendliche Cannabis-Konsumenten 3,4-mal so häufig an Psychosen wie Abstinente.

"Ich arbeite mit vielen Jugendlichen zusammen, die mir sagen, sie hätten Cannabis unterschätzt." Und er fügt hinzu: "Wir werden bei einer Legalisierung mehr Suizide im Zusammenhang mit Cannabiskonsum haben."