Häufig sei Vermögen eine Voraussetzung für Machtpositionen in der Gesellschaft, sagte der Professor am Lehrstuhl Soziale Ungleichheit und Soziale Strukturen an der Ludwig-Maximilians-Universität:
"Die Einflussnahme des obersten Prozents der Gesellschaft hat aber oft keine demokratische Legitimation."
Wenn Menschen aus anderen Schichten das spürten, könnten sie sich frustriert vom Prinzip demokratischer Mitbestimmung und Wahlen abwenden.
Reichtum, der keine Grenzen kennt
Soziale Ungleichheit sei eine der großen gesellschaftlichen Herausforderungen der Zeit, sagte der Forscher, der vor dem Antritt seiner Professur in München fast 20 Jahre lang in den USA geforscht hat:
"Momentan scheint der Reichtum Weniger keine Grenzen zu kennen."
Während die Einkommensverteilung in vielen Ländern gut erforscht sei, stehe die Analyse der Vermögensverteilung in der Sozialforschung erst am Anfang. Schon jetzt sei klar, dass die extreme Ungleichheit beim Vermögen in Deutschland und Schweden fast ebenso ausgeprägt sei, wie in den USA - obwohl diese Länder bei der Einkommensungerechtigkeit im mittleren und unteren Bereich der weltweiten Skala lägen. Auffällig in Deutschland sei das "sehr stabile Ausmaß" an Vermögensungleichheit, das sich auch durch Weltkriege und Finanzkrisen kaum verändert habe.
Pfeffer sagt, die Erforschung von sozialer Ungleichheit solle sich auch mit "realen Utopien" auseinandersetzen - unabhängig von ihrer derzeitigen politischen Umsetzbarkeit. Die Vermögenssteuer sei in Deutschland 1995 aus formaljuristischen Gründen abgeschafft worden; eine Wiedereinführung werde derzeit als utopisch betrachtet:
"Trotzdem sollten wir mit den klassischen Methoden der Sozialwissenschaft erforschen, wie sie wieder erhoben werden könnte und was das für die öffentlichen Kassen bedeuten würde."
Gleiches gelte für basisdemokratische Modelle wie partizipative Budgetierung, also die teilweise Freigabe von kommunalen Mitteln für Bürgerprojekte, oder für Konzepte wie "Erbe für alle" oder das bedingungslose Grundeinkommen.
Ausbau der Dateninfrastruktur zur Beantwortung noch unbekannter Fragen
Insgesamt gebe es bei der Suche nach Lösungen oft eine "große Dominanz des Status quo", sagte Pfeffer. Ein dreijähriger Mutterschutz, wie er in Deutschland vorgesehen ist, sei in den USA eine radikale Idee. Das US-Konzept, Kinder 13 Jahre lang auf die gleiche Schule zu schicken, sei wiederum in Deutschland unvorstellbar.
"Als normal gilt das, was ist – radikal ist das, was noch nicht ist",
sagte Pfeffer. Das sei aber kein Grund, nicht über neue Modelle nachzudenken.
Ziel des neuen Munich International Stone Center for Inequality Research sei deshalb, internationale Netzwerke zu stärken und kennenzulernen, wie scheinbar radikale Ideen anderswo funktionierten. Ein Fokus liege auch darauf, "Datenschätze" zu heben und die Dateninfrastruktur auszubauen. "Wenn mehr Daten zugänglich sind, werden damit Fragen beantwortet, die wir heute noch gar nicht kennen", so der Sozialwissenschaftler.
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