Die evangelische Theologin Margot Käßmann fordert für ein Ende des Ukraine-Kriegs mehr diplomatische Anstrengungen. "Mir fehlen in der jetzigen Debatte neben all den Militärexperten die Diplomatie-Experten", sagte die frühere hannoversche Landesbischöfin und ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) dem Online-Magazin "evangelische aspekte" (August):

"Es muss doch zuallererst darum gehen, die Waffen zum Schweigen zu bringen."

Ihr sei wichtig, die eigene Position immer wieder auch infrage zu stellen, fügte Käßmann hinzu:

"Ich selbst habe mich als Pazifistin klar gegen Waffenlieferungen geäußert. Denn ich sehe in immer noch mehr Waffen keine Lösung, sondern eine Eskalation."

Ihr sei aber auch bewusst, dass sie durch eine solche Haltung schuldig werden könne an Menschen, die sich Waffen zur Verteidigung wünschen.

Käßmann: Zweifel an Waffen zulassen

Käßmann erklärte weiter: "Es wäre gut, wenn auch diejenigen, die so absolut überzeugt argumentieren, dass nur Waffen und immer noch mehr Waffen der richtige Weg sind, diese Zweifel auch einmal zulassen würden." Wie ein Frieden für die Ukraine aussieht, müsse ausgehandelt werden. Voraussetzung dafür aber sei ein Waffenstillstand.

Es gebe in Deutschland noch immer viele gute Kontakte zwischen Politik und Kirchen, sagte Käßmann außerdem. "Da sind Hintergrundgespräche, gegenseitige Einladungen und auch Anhörungen zu brisanten ethischen Themen wie etwa der Sterbehilfe."

Wenn es aber um Entscheidungen gehe, seien ihr die sogenannten "soft skills" zu wenig vertreten. Das sehe man am Beispiel der Coronakrise.

"An den Tischen, an denen tiefgreifende Entscheidungen getroffen wurden, waren Virologen und Wirtschaftsvertreter präsent. Wo aber waren die Experten der Familienverbände? Wo die Expertinnen aus Diakonie und Caritas, die Altenheime und Kitas repräsentieren? Die Realität von Familien, Kindern und Alten wurde viel zu wenig wahrgenommen."

Die "evangelischen aspekte” sind die Zeitschrift der Evangelischen Akademikerschaft in Deutschland mit Sitz im baden-württembergischen Ditzingen. Die Publikation gilt als Forum eines kritischen Protestantismus.

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