Fair Fashion"-Boutique im Taunus
Mitten im hübschen Stadtzentrum von Hofheim bei Frankfurt am Main stehen Bettina Vonhof und ihre Kollegin Michaela Seelbach an der Kasse eines in mancherlei Hinsicht ganz besonderen Modeladens: In ihrem Geschäft geht es nicht um maximalen Gewinn, und die beiden Verkäuferinnen sind sogar ehrenamtlich hier. Die "Fair Fashion"-Boutique im Taunus ist Teil des bundesweiten Weltladen-Netzwerks von inzwischen vielen Hundert Läden mit Waren aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Wer hier einkauft, kann sicher sein, dass die Arbeiter im Herkunftsland anständige Löhne erhalten, die Produkte garantiert ohne Kinderarbeit und ohne umweltzerstörende Produktionsweisen hergestellt wurden.
Günstig sind die aus hochwertigen Materialien hergestellten Kleidungsstücke nicht, ein T-Shirt kostet im Schnitt um die 30 Euro, eine Jeans ist für 100 Euro zu haben.
"Ein Großteil der Kunden kommt zu uns, weil wir Weltladen sind", sagt Seelbach.
Neueröffnung: Erster Dritte-Welt-Laden in Stuttgart
Geschäfte, die die Idee eines fairen Welthandels propagieren, gibt es in Deutschland seit 50 Jahren. Am 29. September öffnete der erste Dritte-Welt-Laden in Stuttgart, bald folgten viele andere, oft im Umfeld von Kirchengemeinden oder christlicher Jugendverbände. "Damals waren die Produkte Mittel zum Zweck", sagt die Wirtschaftsethikerin Vera Schwarzmann von der privaten EBS-Universität in Wiesbaden, die über die Bewegung geforscht hat.
Bei der Gründung der ersten Läden sei es vor allem um politische Arbeit gegangen. Bei den Deutschen sollte das Bewusstsein für die zutiefst ungerechten Regeln des Welthandels und die Ausbeutung der Entwicklungsländer geweckt werden. Zum politischen Aktivismus und zur Bildungsarbeit gab es dann den Kaffee aus Nicaragua.
Kaffee, Kakao, Schokolade, aber auch Kunsthandwerk prägten lange die Weltläden, von denen sich mit der Zeit viele immer professioneller aufstellten. Rund die Hälfte der bundesweit 900 Filialen gehört dem Weltladen-Dachverband mit Sitz in Mainz an. Die Organisation stellt unter anderem regelmäßig einen Katalog mit zertifizierten Handelspartnern zusammen. Deren Waren entsprechen garantiert den strengen Vorgaben der Weltladen-Bewegung.
Trend erzeugt Konkurrenz
Das 50-jährige Jubiläum sei zwar Grund, stolz zu sein, sagt Verbands-Geschäftsführer Steffen Weber. Aber vielerorts stünden die Ehrenamtlichen aktuell vor einem schwierigen Generationenwechsel. Außerdem stelle sich immer drängender die Frage nach der Bestimmung der Weltläden. Denn vom Trend zu Fairtrade-Produkten profitieren kommerzielle Bioläden, aber auch konventionelle Einzelhandelsketten mehr:
"Inzwischen bekommen Sie in jedem beliebigen Supermarkt fair gehandelte Produkte."
In Deutschland wird mit Produkten, die ein Fairtrade-Siegel besitzen, mittlerweile ein Umsatz von 1,7 Milliarden Euro pro Jahr erzielt. Davon entfällt nach Angaben des Vereins "Forum Fairer Handel" nur noch ein kleiner Anteil von zuletzt 77 Millionen Euro auf die Weltläden. Doch bei vielen großen Herstellern seien die fair gehandelten Waren eher ein Etikettenschwindel, findet Steffen Weber.
Von den bedeutenden Kaffeeproduzenten etwa habe keiner seine Produktion komplett umgestellt. Es gebe jeweils immer nur um einen kleinen Prozentsatz fair produzierter Kaffeebohnen: "Das wird dann in der Werbung prominent platziert." Weltladen-Kunden könnten sich sicher sein, dass ihre Partner sich komplett einer fairen Produktionsweise verschrieben hätten.
Faire Mode aktueller denn je
Seit einigen Jahren erweitern die Weltläden mancherorts ihr Sortiment um Textilien. Nicht immer geht das gleich so weit wie in Hofheim, wo - mitten während der Corona-Pandemie - eine eigene Filiale für hochwertige, langlebige Kleidung eröffnet wurde.
"Den Leuten ist gar nicht klar, welche Schäden sie mit ihrem Modekonsum verursachen", begründet Nicola Lohse vom Vorstand des örtlichen Weltladen-Vereins den Schritt.
Bisher komme die Idee bei der Kundschaft gut an: "Manche sagen uns, dass sie genug haben von Kunstfasern und Wegwerfmode."
Darin, dass die Weltläden nach 50 Jahren noch immer präsent seien, sieht die Wirtschaftswissenschaftlerin Schwarzmann eine beachtliche Leistung. "Die Idee ist leider aktueller denn je", sagt sie. "Die Leute arbeiten weiter unter erbärmlichen Bedingungen, und wir genießen die günstigen Produkte."
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