Was passiert, wenn eine junge Zahnarzthelferin in ihrer Kirchengemeinde einem palästinensischen begeisterten Christen begegnet und diesen schließlich heiratet? In ihrem Buch "Wenn Gott den Pinsel schwingt", das im SCM-Verlag Holzgerlingen erschienen ist, berichtet die 60-jährige Marlene Shahwan von ihrem turbulenten Leben in Beit Jala, im besetzten palästinensischen Gebiet in der Nähe von Bethlehem.
Sie schreibt, wie ihr Mann und sie zu Beginn ihrer Arbeit in Beit Jala rund um die Uhr Gäste im Wohnzimmer hatten, bis sie sich entschieden, im Jahr 1996 das christliche Schulungs- und Freizeitzentrum Beit Al Liqa', auf Deutsch "Haus der Begegnung", zu gründen. Der Name war Programm: Täglich fanden hier Begegnungen statt, bei einer Tasse Tee oder in den unterschiedlichen Gruppen für Kinder und Erwachsene.
Zeichen der Hoffnung in hoffnungsloser Zeit
Und dann kam die Zweite Intifada, ein Aufstand der Palästinenser gegen die israelische Militärbesatzung, die im Jahr 2000 begann, nachdem der Oslo-Friedensprozess mit den ergebnislosen Verhandlungen in Camp David gescheitert war. Und die Familie mit ihren vier Kindern war mittendrin: "Jedes Mal, wenn die Palästinenser mit ihren Schnellfeuergewehren schossen, antworteten die israelischen Soldaten mit Raketen", schreibt Shahwan. Immer wieder erlebten sie bedrohliche Situationen wie zum Beispiel diese:
"Plötzlich hörten wir einen ohrenbetäubenden Knall und ein Beben durchzog das alte Gebäude. Nur wenige Meter von uns entfernt war eine Rakete in den Asphalt eingeschlagen und zersplittert."
Ihr Mann fährt in dieser Zeit unter Lebensgefahr mit seinem Bus Verletzte ins Krankenhaus und versorgt Familien, die kein Geld mehr haben, mit Essen. Noch mitten in der Intifada kauft das Ehepaar Shahwan ein großes Grundstück mit einem Garten und fängt im Oktober 2001 in Zeiten von Kampfhandlungen und Ausgangssperren an, ein neues "Haus der Begegnung" zu bauen.
"Das neue Beit Al Liqa' wurde ein Zeichen der Hoffnung in einer hoffnungslosen Zeit".
Der Garten mit dem ersten öffentlichen Spielplatz in der Region wird ein Besuchermagnet. Dreiwöchige Sommercamps und Angebote für Familien und Gemeinden sowie eine Kindertagesstätte kommen hinzu. Ein Gästehaus, Sportplätze und ein Indoorspielplatz, die "Friedensarche" werden gebaut.
Akazienbaum als Sinnbild ihres Lebens
Doch die Arbeit hinterlässt ihre Spuren: "Bei all den Bällen, die wir da in der Luft halten mussten, fiel uns häufiger mal einer herunter. Wir hatten wenig Zeit für uns selbst. Das zehrte an unseren Kräften und an unserer Gesundheit." Das Rheuma, das Marlene Shahwan während der Intifada bekommen hatte, beeinträchtigte ihren Alltag oft sehr, berichtet sie. "Mit der Zeit lernte ich, mit der Krankheit zu leben und die Rheumamedikamente dankbar aus Gottes Hand anzunehmen. Und ich lernte, dankbar für die schmerzfreien Tage zu sein, an denen ich mein Leben genießen kann."
Ein Ausgleich zu dem stressigen Alltag ist für sie das Malen von Motiven aus der Natur, wie beispielsweise ein Akazienbaum in der Wüste Negev - für sie ein Sinnbild für ihr Leben: "Trotz Trockenheit und Wassermangel um mich herum grünt es in meinen Zweigen. Trotz mancher Rückschläge erlebe ich Wachstum und Segen." Und sie zieht einen Vergleich zu Gott, "dem Meistermaler", der sie als Ehepaar aus zwei verschiedenen Welten zusammengeführt hat, um in jahrelanger Kleinarbeit ein wunderbares Kunstwerk zu schaffen.
Junge Eltern spielen mit ihren Kindern
Manchmal sitzt sie im Garten des "Haus der Begegnung" unter dem Feigenbaum und schaut zu, wie junge Eltern dort auf dem Spielplatz mit ihren Kindern spielen, schreibt sie am Ende des Buches.
"Welch ein friedliches und wohltuendes Bild. Ganz anders als die Bilder von Palästinensern, die man aus den Nachrichten kennt. Wie gerne wollen wir Menschen weiterhin in diese Richtung prägen, ihnen Richtlinien für ihr Leben und Hoffnung für die Zukunft geben."
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