Der 2. August ist der internationalen Tag des Gedenkens an den Genozid an Sinti und Roma. Rund 500.000 von ihnen wurden während des Holocaust ermordet. Roma und Sinti nennen diesen Genozid "Porajmos", was "Verschlingung" oder "Zerstörung" auf Romani bedeutet. 

Auch heute leiden Roma und Sinti unter Diskriminierung, Ausgrenzung und Vorverurteilungen. In der Ausstellung "Gern gesehen" geben acht von ihnen einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben und ihren Glauben. Sie ist aktuell im Evangelischen Tagungs- und Bildungszentrum Bad Alexandersbad zu sehen. 

Im Gespräch erklärt die Mitarbeiterin der Koordinierungs- und Fachstellle im Bundesprojekt "Demokratie leben in der Mitte Europas", Nicole Janka, warum sie die Ausstellung wichtig findet, welche Rolle Gedenktage spielen und was gegen Antiziganismus hilft. 

Warum stellen Sie "Gern Gesehen" bei sich in der Einrichtung aus?

Nicole Janka: Wir, also das Bayerische Bündnis für Toleranz, führen gemeinsam mit dem Verband der Deutschen Sinti und Roma, Landesverband Bayern e.V. aktuell ein lokales Erinnerungsprojekt zu historischen antiziganistischen Vorfällen in Oberfranken durch. Im Rahmen dieses Projektes bieten wir auch verschiedene pädagogische Formate zu Antiziganismus in Form von Workshops oder Veranstaltungen an, um verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Nachdem unser Sitz am Evangelischen Bildungszentrum in Bad Alexandersbad ist, bietet sich das Haus als Begegnungsort vieler Menschen sehr gut an, diese Thematik öffentlich in einer Ausstellung zu zeigen. Gerade die Verbindung der portraitierten Menschen zu ihren persönlichen Glaubenseinstellungen zeigt interessante Einblicke.

"Auch in der heutigen Medienlandschaft werden immer wieder Klischees und Stereotype reproduziert, die die Vorurteile in den Köpfen festigen."

Warum gibt es immer noch Menschen, die Vorurteile gegenüber Sinti und Roma haben?

Die Vorurteilsstrukturen gegenüber Sinti und Roma sind leider schon seit vielen Jahrhunderten in unserer Gesellschaft verankert. Auch in der heutigen Medienlandschaft werden immer wieder Klischees und Stereotype reproduziert, die die Vorurteile in den Köpfen festigen.

Was kann eine Einrichtung wie Ihre dagegen tun?

Wenn man als Einrichtung etwas dagegen tun möchte, bietet sich einerseits Aufklärung an. Die Geschichte der Sinti und Roma ist kaum bekannt und in den schulischen Lehrplänen kaum zu finden. Somit ist eine Wissensvermittlung der erste Schritt. Andererseits sind Begegnungsformate, bei denen Menschen der sogenannten Mehrheitsgesellschaft direkte Kontakte zu Vertretern der Minderheit erfahren, ein guter Weg. Diese persönlichen Begegnungen sind oft am effektivsten um Vorurteile abzubauen.

"Es ist wichtig, Betroffenen zuzuhören und Raum zu geben, ihre Geschichte selbst zu erzählen."

Was kann jede*r persönlich gegen Antiziganismus tun?

Jeder Mensch kann immer wieder versuchen seine eigenen Vorurteile und Klischeevorstellungen zu hinterfragen, egal welcher marginalisierten Gruppe gegenüber. Dazu gehört auch, sich immer wieder zu informieren und offen zu sein für andere Wertevorstellungen. Im Besonderen bei Antiziganismus heißt es auch zu widersprechen, wenn Klischees reproduziert werden. Weiterhin ist es wichtig, Betroffenen zuzuhören und Raum zu geben, ihre Geschichte selbst zu erzählen: gerade das hat uns an der Ausstellung "Gern gesehen" überzeugt und gefallen.

Am 2. August wird dem Genozid durch die Nationalsozialisten gedacht. Was bringen diese Gedenktage?

Es gibt mittlerweile eine breite Diskussion über die Notwendigkeit von Gedenktagen. Fast jeder Tag ist einem anderen Thema gewidmet und driftet somit in eine Art von Beliebigkeit ab. Allerdings sehen wir die Bedeutung der besonderen Gedenktage weiterhin gegeben um die Erinnerung an den Völkermord an den Sinti und Roma auch heute noch aufrecht zu erhalten. Es geht dabei nicht darum, heute noch irgendjemandem eine besondere Schuld zuzuweisen, aber um die Verantwortung der Gesellschaft aus der Geschichte zu lernen und derartige Vergehen an Bevölkerungsgruppen nicht wieder zuzulassen. Diese konkreten Gedenktage machen dies besonders greifbar. Gerade da die Zeitzeugen immer weniger werden, ist es wichtig sich an diesen Tagen der Geschichte immer wieder bewusst zu werden.

"Wir hoffen, damit zu einem Abbau von Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma und dem Klischeedenken beitragen zu können. "

Was empfehlen Sie über Gedenktage hinaus, um auf die Thematik aufmerksam zu machen?

Es gibt mittlerweile viele verschiedene Ansätze auf die Thematik Antiziganismus aufmerksam zu machen, neben klassischen Bildungsangeboten auch durch Lesungen oder kulturelle Angebote. Damit erreicht man auch Zielgruppen, die man sonst nicht erreicht hätte.
In unserem laufenden Erinnerungsprojekt beschäftigen wir uns zum Beispiel mit historischen Vorfällen vor Ort, die einen antiziganistischen Zusammenhang haben. Während der Corona-Zeit haben wir gemerkt, dass das Interesse an Lokalhistorie in der Bevölkerung gewachsen ist. In den vielfältigen Veranstaltungen, die wir anbieten, spielt natürlich dann die Aufklärung über den historischen, aber auch über aktuelle Formen des Antiziganismus immer wieder eine Rolle. Wir hoffen, damit zu einem Abbau von Vorurteilen gegenüber Sinti und Roma und dem Klischeedenken beitragen zu können.