Je nachdem, wie sehr sich Geimpfte beziehungsweise Ungeimpfte mit ihrem Impfstatus identifizieren, sind ihre Erinnerungen an die Coronapandemie in unterschiedliche Richtungen verzerrt. Das ist das Ergebnis mehrerer internationaler Studien eines Forschungsteams aus Bamberg, Chicago, Erfurt, Hamburg und Wien, teilte die Universität Bamberg mit.

  • So überschätzten beispielsweise Geimpfte ihr damals wahrgenommenes Risiko einer Infektion und ihr Vertrauen in die Wissenschaft, während beides von Ungeimpften im Rückblick tendenziell unterschätzt werde.
  • Da sich die Erinnerungen teilweise verbesserten, wenn die Befragten Geld für besonders akkurate Erinnerungen erhielten, schließen die Forschenden, dass die Erinnerungsverzerrungen zumindest teilweise motiviert sind und nicht allein durch bloßes Vergessen erklärt werden können.

Weiterhin zeigten die Studienergebnisse, dass bei einer stärkeren Unterschätzung der damaligen Risikowahrnehmung, politische Maßnahmen rückblickend als weniger angemessen wahrgenommen wurden. Negativere Bewertungen der politischen Maßnahmen während der Pandemie sind der Studie zufolge auch mit einem stärkeren Wunsch verbunden, Politiker und Wissenschaftler für ihr Handeln in der Pandemie zu bestrafen und die gesamte politische Ordnung zu zerschlagen. Insgesamt seien die Intentionen zur Bestrafung in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausgeprägt und in Mexiko, Großbritannien, Spanien und den USA am größten.

Verzerrte Erinnerung führt zu polarisierter Wahrnehmung

Die verzerrte Erinnerung führe zu einer polarisierten Wahrnehmung der Vergangenheit, die das Potenzial habe, die aktuelle und zukünftige gesellschaftliche Polarisierung aufrechtzuerhalten und die Vorbereitung auf kommende Krisen zu behindern.

"In Zukunft müssen wir über die kurzfristigen Effekte politischer Maßnahmen zur Eindämmung von Pandemien hinausblicken und auch langfristige Folgen für den sozialen Zusammenhalt berücksichtigen", sagte Cornelia Betsch von der Universität Erfurt und vom Bernhard-Nocht-Institut Hamburg.

Weitere Studien sollen nun untersuchen, wie sich die Verzerrung von Erinnerungen und die gesellschaftliche Polarisierung im Laufe gegenseitig beeinflussen und wie diese Dynamik in verschiedenen Ländern variiert. Dabei sollen auch andere Krisen, wie etwa die Klimakrise, in den Blick genommen werden.

Die 10.000 Befragten aus insgesamt zehn Ländern wurden laut Uni Bamberg bereits im ersten Jahr der Pandemie, also 2020, befragt und dann nochmals um den Jahreswechsel 2022/23. In der zweiten Befragung wurden sie auch gebeten, sich an ihre Wahrnehmungen und Verhaltensweisen im ersten Jahr der Pandemie zu erinnern. So konnten ihre Erinnerungen mit den tatsächlich gegebenen Antworten verglichen werden.

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