Pfarrer Steve Kennedy Henkel wirbt als "Jesus-Headhunter" Theolog*innen-Nachwuchs für die bayerische Landeskirche (ELKB) an. Seit 1. März ist der Instagram-Reverend Pfarrer der Münchner Citykirche St. Lukas. Am 13. März wird Henkel als Pfarrer der Münchner Lukaskirche in sein Amt eingeführt.

Außerdem hat der 33-Jährige mit schottischen Wurzeln gerade ein Buch herausgebracht: In "Rituale für Hipster & Heilige und alles dazwischen" geht es um Gin-Tonic-Liturgie, Barista-Gebete und Bike-Segen - und wie Kirche attraktiver wird für junge Menschen.

Herr Henkel, zu Beginn Ihres Buches schreiben Sie, dass Sie Zeit gebraucht haben, um die richtigen Prioritäten in Ihrem Leben zu setzen. Was war da los?

Henkel: Ich hatte eine Depression. Ich musste neu für mich herausfinden, was ich brauche, und das Leben neu ordnen. Ich habe Momente eingebaut, in denen ich unter Menschen gehe, die mir guttun. Und ich habe feste Zeiten für Me-Time oder für Zeit mit Gott. Was mir beim Prioritäten setzen geholfen hat, sind Rituale. Mein Morgen beginnt zum Beispiel mit einem Morgen-Moment mit Gott. Ich knie nieder, zünde zwei Kerzen vor meiner Ikone an. Darauf ist Christus, wie er auf zwei Türen der Unterwelt surft, die er beim Ostermorgen aufgebrochen hat. Adam und Eva reißt er links und rechts mit sich nach oben. Manchmal brauche ich das morgens auch: Dass Gott mich hochzieht. Dann habe ich 20 bis 30 Minuten mit Gott. Ich überlege, wofür ich dankbar bin, was ich mir wünsche und schöpfe aus meinem Gebet Kraft für den Tag.

"Loslassen heißt nicht, dass man am Ende nichts mehr hat."

Ihr Buch ist eine Stütze, um das Leben in Balance zu bringen. Welche Rolle kann der Glauben für ein Leben im Gleichgewicht spielen?

Henkel: Eine ganz große, weil gelebter Glaube einen Rhythmus geben kann, der die Ansprüche in die Schranken weist, die das Leben, der Job oder auch Social Media einem manchmal stellen. Das passiert zum Beispiel beim arbeitsfreien Sonntag, der auch ein von Social Media freier Sonntag sein kann. Oder die Passionszeit: Man kann sie als "Verzichts-Zeit" verstehen. Aber eigentlich geht es darum zu schauen, was ich loslassen kann, um dadurch frei zu werden - für das Leben, das ich leben möchte. Loslassen heißt nicht, dass man am Ende nichts mehr hat. Sondern, dass dich nichts mehr hat.

Sie arbeiten in der Nachwuchsgewinnung der bayerischen Landeskirche, werden als Jesus-Headhunter bezeichnet und haben als @rev.stev knapp 5.300 Follower auf Instagram. Wie sieht Ihre Arbeit aus?

Henkel: Ein wichtiger Teil ist die Multiplikatoren-Arbeit in den Gemeinden. Dort unterstütze ich durch ein gutes Online-Angebot, Veranstaltungen oder Berufsmessen. Manchmal muss man nur nochmal ins Gedächtnis rufen: Habt ein Auge darauf, bei welchen eurer aktiven Jugendlichen ihr euch vorstellen könnt, dass sie mal Theologie studieren. Außerdem sind soziale Netzwerke inzwischen sehr wichtig für die Nachwuchsgewinnung. Jugendliche verbringen viel Zeit auf Social Media und sie finden auf diesen Plattformen Vorbilder - das können auch Pfarrerinnen und Pfarrer sein.

"Immer perfekter werden ist nicht die Antwort."

Wie kann die Kirche attraktiver für junge Menschen werden?

Henkel: Viele in der Kirche wünschen sich, dass mehr junge Leute da wären. Trotzdem passiert oft nicht genug dafür. Manchmal erinnert die Kirche an ein Museum, wo schöne Dinge aus früheren Zeiten aufbewahrt werden. Manches Liebgewonnene muss in die Gegenwart transformiert werden. Da geht es auch um die Ästhetik und Musik der Gegenwart. Vor allem müssen die Fragen der Zeit beantwortet werden, damit sich meine und jüngere Generationen angesprochen fühlen. Ich bin davon überzeugt, dass unser Glaube gute Antworten darauf hat. Zum Beispiel finden wir in der Theologie Antworten auf den Social-Media-Perfektionismus: Probleme und Fehlerhaftigkeiten miteinander teilen, das machen wir seit der Antike! Wir wissen, wir dürfen uns nicht von perfekter Influencer-Darstellung blenden lassen, denn das ist nicht die Realität. Und immer perfekter werden ist nicht die Antwort.