Über die Reiseroute der Sterndeuter aus dem Morgenland findet sich im Matthäus-Evangelium keine Angabe, ebensowenig wie ein Wort über einen voranziehenden Stern. Da es unmöglich ist, den Weg nach Jerusalem von über 1.000 Kilometern sozusagen über Stock und Stein, teils durch Wüste und in unbekanntem Gelände, in der Nacht zu gehen, haben sich die Sterndeuter wohl einer Handelskarawane nach Damaskus angeschlossen.

Damaskus war eine blühende Handelsstadt, Schnittpunkt wichtiger Straßen und Wege, im Jahre 64 v. Chr. von Pompeius dem römischen Weltreich einverleibt. Von Damaskus führte der Weg die Magier dann in südlicher Richtung durch den Jordangraben nach Jerusalem.

Die Magier in Jerusalem

In Jerusalem angekommen, fragten die Magier nach dem neugeborenen König. Ein außerbiblischer Berichterstatter ist der Kirchenlehrer Justinus aus Nablus (um 165 n. Chr.). Er beschreibt, dass zu Herodes Magier kamen und sagten, aus dem am Himmel leuchtenden Stern hätten sie erkannt, dass in seinem Land ein König geboren worden sei, dem sie huldigen wollten.

Die Magier wussten also noch nichts vom Geburtsort Bethlehem. Dorthin wies sie erst Herodes, nachdem er die Hohepriester und Schriftgelehrten befragt hatte. Nun ergibt sich aus dem griechischen Grundtext in Matthäus 2, 2 eine scheinbar kleine, aber doch bedeutsame Präzisierung den Stern betreffend. Die genaue Übersetzung lautet: "Wir haben seinen Stern im Abendaufgang gesehen".       

Der Stern von Bethlehem

Daraus ergibt sich einmal, dass es sich bei dem Stern von Bethlehem um ein reales Objekt gehandelt hat, das wie die anderen Sterne auf- und unterging und an der täglichen Drehung des Himmels teilnahm. Zum anderen lässt der Hinweis den Rückschluss zu, dass sich die Magier noch in ihrer Heimat befanden, als sie die ungewöhnliche Sternkonstel­lation zum ersten Mal sahen. Es handelt sich dabei um den Abendaufgang der beiden Planeten Jupiter und Saturn, der nach einem 1925 entzifferten Keilschrifttext am 15. September 7 v. Chr. stattgefunden hat.

Beim Abendaufgang eines Sterns geht dieser im Osten genau bei Sonnenuntergang auf; er ist dadurch auch die ganze Nacht über zu sehen. Im Gegensatz dazu steht der Frühaufgang eines Sterns. Dieser tritt ein, wenn der Stern in der Morgendämmerung kurz vor Sonnenaufgang zum ersten Mal für wenige Augenblicke über dem Osthorizont zu erkennen ist, ehe ihn die aufgehende Sonne überstrahlt. Da die Sterne täglich vier Minuten früher aufgehen - ein Sterntag beträgt 23 Stunden und 56 Minuten - verschiebt sich deren Aufgang im Lauf der Zeit immer mehr in die Nacht hinein, bis dann nach Monaten wieder der Abendaufgang eintritt.

Die Magier werden also Mitte September, unmittelbar nach dem Abendaufgang der beiden Planeten, aufgebrochen sein, dann in Damaskus Ende Oktober angekommen und von dort nach Jerusalem weitergezogen sein. Dort sind sie wohl kurz vor Mitte November eingetroffen (Daten nach Konradin Ferrari d'Occhieppo).

Nachdem Herodes den Sterndeutern Bethlehem als Geburtsort des neuen Königs genannt hatte, sind die Magier vermutlich Mitte November nach Sonnenuntergang dorthin aufgebrochen. Der acht bis zehn Kilometer lange Weg nach Bethlehem führt genau in südliche Richtung. In dieser Himmelsrichtung standen über dem auf zwei Hügeln liegenden Bethlehem Jupiter und Saturn ganz nahe beieinander, etwa 50 Grad hoch. Beide Planeten befanden sich Mitte November 7 v. Chr. in ihrem westlichen Stillstand - für zwei bis drei Wochen standen sie für das menschliche Auge unbeweglich auf dem Fixsternhintergrund. Erst Anfang Dezember überholte Jupiter den Saturn.    

Nach dem Matthäus-Evangelium    

Nach der Lutherübersetzung von Matthäus 2, 9 ging "der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, vor ihnen hin, bis dass er kam und stand oben über dem Ort, da das Kindlein war." Die Einheitsübersetzung spricht davon, dass der Stern, dessen Aufgang sie im Morgenland beobachtet hatten, bis zum Geburtsort des Kindes vor ihnen herzog; dort blieb er stehen. Die streng wörtliche Übersetzung des ersten Halbsatzes lautet: "Der Stern, den sie im Abendaufgang gesehen hatten, führte sie voran." Auch ein Wegweiser kann jemanden voranführen, ohne dass dieser vor ihm herzieht. So diente die Sternkonstellation von Jupiter und Saturn den Magiern als Orientierungshilfe.

Nach Matthäus 2, 10 waren sie hocherfreut, als sie den Stern sahen. Ihren Jubel beschreibt die wörtliche Übersetzung des Grundtextes: "Den Stern sehend wurden sie froh in großer Freude gar sehr". Denn die beiden dicht beieinanderstehenden Großplaneten Jupiter und Saturn, genau über dem ihnen benannten Ort Bethlehem, bestätigten ihnen, die als Sterndeuter die geheime Zeichensprache am Sternhimmel verstehen konnten, dass sie auf dem richtigen Weg zum neugeborenen König der Juden waren.

In Matthäus 2, 7 erkundigte sich Herodes bei den Magiern genau, wann der Stern erschienen wäre. Es ist dies die Frage nach dem Frühaufgang des Sterns, die Frage also nach dem Zeitpunkt der Geburt Jesu (siehe auch "Wann wurde Jesus geboren?").

Denn nach astrologischer Auffassung geht zugleich mit der Geburt eines Kindes sein Stern auf. Dieser Frühaufgang von Jupiter trat nach der gefundenen babylonischen Keilschrifttafel am 15. März 7 v. Chr. ein. Die älteste schriftliche Nachricht über das Geburtsdatum Jesu, das im letzten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts verfasste Werk "Stromata" des christlichen Gelehrten Klemens von Alexandria, nennt den 6. Januar als Geburtsdatum - das Fest "Erscheinung des Herrn", das die Ostkirche bis heute feiert.      

In der Westkirche hat sich der 25. Dezember als Geburtsdatum Jesu durchgesetzt.

Jesus dürfte, darauf deuten die astronomischen Erkenntnisse hin, im 1. Vierteljahr des Jahres 7 v. Chr. geboren sein. Das würde auch mit der Volkszählung übereinstimmen, die mutmaßlich in diesem Zeitraum auf Anordnung des Kaisers Augustus in den Provinzen durchgeführt wurde.

Jesus war also bei der Ankunft der Sterndeuter in Bethlehem etwa im November schon ein acht bis zehn Monate alter Knabe. Dies würde auch dem Bibeltext in Matthäus 2, 16 entsprechen, nach dem Herodes in Bethlehem und Umgebung alle Knaben, die da zweijährig und darunter waren, töten ließ. Nach Matthäus 2, 12 befahl Gott den Weisen im Traum, nicht zu Herodes zurückzukehren. Sie zogen auf einem anderen Weg in die Heimat zurück.

Am Himmel sahen die Sterndeuter die drohende Gefahr für das Kind aufziehen. Denn der Krieg, Unheil und Verderben bringende Planet Mars näherte sich vom Sternzeichen Wassermann her den beiden Planeten Jupiter und Saturn. Am 16. Januar 6 v. Chr. erreichte er dieses Sternbild und zerstörte damit die glücksverheißende Planetenkonstellation. Die drohende Gefahr konnten die Sterndeuter nur in der Person des Herodes erkennen, von dessen Gesinnung sie in Jerusalem gehört haben werden. Sie werden daher die heilige Familie selbst zur Flucht vor der heraufziehenden Gefahr ermuntert haben.

Damit endet die Geschichte des Sterns von Bethlehem und der Weisen aus dem Morgenland.

Der Bericht des Evangelisten Matthäus über den Stern kann seinem Inhalt nach nur von den Weisen selbst stammen. Da sie jedoch wieder in ihr Land zurückkehrten, erhebt sich die Frage, wie diese Geschichte zu Matthäus gelangte. Der Astronom d'Occhieppo nimmt an, dass ein Führer aus Damaskus die Magier von dort nach Jerusalem und Bethlehem begleitete, und dann wieder zurückkehrte. In Damaskus bestand schon früh eine Christengemeinde, der sich dieser Führer später unter dem Eindruck des Erlebten angeschlossen haben und so zum Augenzeugen des Evangelisten geworden sein könnte.