Karneval und Fastenzeit sind für mich seit der Studienzeit untrennbar verbunden. Damals lebte ich in Köln und lernte die Karnevalskultur schätzen und lieben – von der großartigen Solidarität unter den Frauen am Weiberfasching über die quergebürsteten Stunk-Sitzungen bis hin zum ausgelassenen Straßenkarneval.

Den Schlusspunkt dieser Ausnahmezeit, in der die Kölner entweder mitfeiern oder die Stadt verlassen, bildete die Nubbelverbrennung in meinem Veedel in der Südstadt. In der Nacht zum Aschermittwoch versammelten sich die Bewohner des Viertels, um eine lebensgroße Strohpuppe durch die Straßen zu tragen und schließlich auf einem Platz zu verbrennen.

Nubbelverbrennung in der Südstadt

Bevor die Strohpuppe angezündet wurde, trug ein Jeck lauthals eine Anklageschrift vor. Dann stellte er dem Publikum Fragen wie "Wer is et schuld, dat mer noh Fastelovend all malad und blank sin? (Wer ist schuld, dass wir nach Karneval alle krank und pleite sind?) Und die johlende Menge antwortete "Dä Nubbel!". Schließlich wurde der Nubbel verbrannt, und damit waren alle Jecken von ihrer Schuld befreit.

In der Südstadt gab es einen Pfarrer, der die Nubbelverbrennung etwas umdeutete. Für ihn stand der Nubbel nicht für die begangenen Sünden, sondern für Rebellion und Kampf gegen Intoleranz, Rassismus und Hass. Er füllte die Asche des verbrannten Nubbels in kleine, durchlöcherte Säckchen und ließ diese an Luftballons in den Himmel steigen. Dort sollte die Asche des Nubbels auf die Menschen niederrieseln und den Geist der Rebellion entfachen.

Fastenzeit 2023: Sieben Wochen ohne Verzagtheit

Den Gedanken des Pfarrers finde ich auch heute noch sehr charmant: Wie wäre es, wenn wir die Fastenzeit als eine Zeit begreifen, in der wir eine Aktion unterstützen gegen Rassismus oder Intoleranz?

Das Motto der Fastenaktion der evangelischen Kirche in diesem Jahr passt hervorragend dazu: "Leuchten! Sieben Wochen ohne Verzagtheit" lautet der Titel, der sich ausdrücklich nicht nur auf Verzicht bezieht, sondern auf die Kraft des Einzelnen, etwas zu bewirken.

In dunklen Zeiten braucht es Licht. Wir sollten unser Licht anderen Menschen schenken, Helligkeit bringen, wo wir Schatten sehen und unseren Mitmenschen Trost und Zuspruch spenden.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden