Im Mittelalter war die Welt für die Kirche noch in Ordnung: Man ging von einem geozentrischen Weltbild aus, die Erde und mit ihr der Mensch als Krönung der Schöpfung im Mittelpunkt des Universums.
Nachhaltige Zweifel daran kamen erst mit Nikolaus Kopernikus auf, der feststellte, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Giordano Bruno und Galileo Galilei wurden schließlich wegen Befürwortung des heliozentrischen Systems des Kopernikus von der Inquisition wegen Häresie angeklagt. Die Inquisition zwang Galilei zum Widerruf seiner Thesen. Obwohl die römisch-katholische Kirche im 16. Jahrhundert mit der Vatikanischen Sternwarte und kirchlichen Astronomen die Erforschung des Kosmos selbst in die Hand nehmen wollte, gab es bis ins 17. Jahrhundert von katholischer Seite noch zahlreiche Versuche, die Geozentrik zu verteidigen.
Astronomische Erkenntnisse und die Kirche
Heute ist diese mittelalterliche Sichtweise Geschichte. Die astronomischen Erkenntnisse zwangen die Kirche von damals jedoch dazu, sich in ihrer Grundlegung neu auszurichten, wenn sie weiterhin bestehen bleiben wollte.
Inzwischen haben sich die christlichen Kirchen mit dem Universum versöhnt. Eine Frage bleibt jedoch: Wenn es jenseits der Erde intelligentes Leben gibt, was bedeutet dies für das Christentum? Zwar ist die Beschäftigung damit noch als reines Gedankenexperiment anzusehen - die Wahrscheinlichkeit, tatsächlich in Kontakt mit außerirdischer Intelligenz zu kommen, ist angesichts der gigantischen Entfernungen zu erdähnlichen Planeten verschwindend gering.
Aliens und christliche Theologie
Tritt der Fall jedoch ein - die Folgen würden die kopernikanische Wende um etliches übersteigen. Von daher gesehen ist es kein Wunder, dass die Frage nach Aliens unter christlichen Theologen nicht neu ist. Im Gegenteil: Sie ist seit vielen Jahrhunderten Gegenstand seriöser wissenschaftlicher Diskussionen.
Seit der Widerlegung des geozentrischen Weltbilds wurde die Existenz von Außerirdischen im Angesicht der unendlichen Weiten des Universums sogar als wissenschaftlich anerkannte Tatsache behandelt. Theologisch reicht die Frage nach der Heilswirksamkeit Christi in anderen Welten bereits bis zu Origenes ins dritte Jahrhundert nach Christus zurück. Die Frage nach Außerirdischen berührt den Kern des christlichen Glaubens.
"Das Kreuz mit den Aliens"
Die theologische Aufgabe besteht hauptsächlich darin zu untersuchen, wie der christliche Glaube mit einer Begegnung umgehen könnte oder ob er sich als antiquierter "Homo-sapiens-Club" herausstellen würde. "Die Theologie hat seither erhebliche Schwierigkeiten bei der Verkündigung eines bestimmten Schöpfungsverständnisses, denn würde sie die Anthropozentrik (der Mensch im Mittelpunkt) preisgeben, so stände das gesamte Christentum infrage", schreibt Theologe Hannes Bräutigam in seiner Doktorarbeit zum Thema "Das Kreuz mit den Aliens". Das Kernproblem drehe sich darum, wie außerirdische Intelligenz mit der Offenbarung vereinbar ist, der Einmaligkeit und Unüberbietbarkeit der Menschwerdung Gottes, Tod und Auferstehung Jesu und dem allgemeinen, universalen Heilswillen Gottes.
Die Grundsatzfrage lautet daher: Hat Jesus mit seinem Kreuzestod die Außerirdischen miterlöst oder nur die Menschen auf der Erde?
Hat die Erlösung Christi universale Bedeutung?
Gibt es noch weitere Wege zu Heil und Erlösung, die aus christlicher Sicht möglich wären? "Nicht jedes Selbstverständnis des christlichen Glaubens ist mit außerirdischer Intelligenz vereinbar", schreibt Bräutigam. Etwa dann nicht, wenn die Kreuzigung Jesu als einziger Erlösungsweg betrachtet werde. Um das Christentum einigermaßen in Einklang mit Außerirdischen zu bringen, sucht Bräutigam den Lösungsweg in der "Theologie der Religionen", die auf den Umgang von Christen mit Nichtchristen ausgelegt ist und so alt ist wie "die Verbreitung der christlichen Botschaft unter den in Gottesferne lebenden Heiden der ersten Jahrhunderte".
Verknappt dargestellt gibt es danach für Christen drei Wege, mit der Heilsfrage für Außerirdische umzugehen. Der erste Weg sieht die Offenbarung ausschließlich in Jesus Christus und in keiner anderen Weise. "Wenn alle nichtchristlichen Standpunkte außerhalb des Heils stehen beziehungsweise unheilvolle Überzeugungen vertreten und ihre Vertreter gegebenenfalls missionarisch auftreten, werden sie zu einer Gefahr für das eigene Heil", schreibt Bräutigam. Diese Betrachtungsweise vernachlässige außerdem den allgemeinen Heilswillen Gottes. Mehr noch: Sie deute die Erwählung einiger weniger gegenüber der Menge an Verdammten um. Ein Standpunkt, den die meisten Theologen als überkommen ablehnen. Diesen ersten Weg bewertet Bräutigam für die Begegnung mit Außerirdischen als ungeeignet.
Offenbarung in vielen Religionen
Eine offenere Haltung zeigt sich im zweiten Weg. Er geht davon aus, dass es Offenbarung in vielen Religionen gibt, aber in einer einzigen Religion in einem alle anderen überbietenden Höchstmaß - nämlich in der Offenbarung Jesu Christi. Die heilsnotwendige Entscheidung zum Christusbekenntnis wird nach wie vor aufrechterhalten, jedoch gibt es verschiedene Möglichkeiten der Entscheidung, durch die auch ein Nichtchrist das Heilsangebot erreichen und annehmen kann. Demnach stehe jeder Mensch unter der Gnade Gottes. Von christlicher Seite aus seien alle Wesen Geschöpfe Gottes - dies würde auch für Aliens gelten.
Offenbarung überall im Universum
Der dritte Weg geht davon aus, dass es Offenbarung in mehr als einer Religion und auch in gleichem Höchstmaß gibt. Nicht nur auf der Erde, sondern überall im Universum. Ein denkbares Szenario wäre etwa, dass Gott nicht nur einen Sohn hat, sondern sich auf anderen Planeten eben in anderer Gestalt offenbarte. Dieses Denkmodell besagt außerdem, dass keine Religion für sich die Wahrheit oder die Heilsmöglichkeit alleine in Anspruch nehmen darf. "Damit ist keine Religion der Maßstab einer anderen, sondern grundsätzlich gibt es gleichrangige Erfahrungen und Antworten auf die Erfahrung einer transzendenten Wirklichkeit", schreibt Bräutigam.
Jesus auf anderen Planeten?
Das Problem dieses Denkmodells liegt auf der Hand: Jesus wäre nicht mehr der einzige Heilsmittler, Erlöser und Retter. Doch vielleicht ist ja der allgemeine Heilsanspruch Jesu gar nicht das Problem. Dieser Heilsanspruch ist nur problematisch gegenüber Religionen, die ihrerseits von Heilsgeschichte und Erlöser sprechen. "Der allgemeine Heilswille Gottes ist eine spezifisch christliche Forderung, die andere Religionen gar nicht einlösen müssen", schreibt Bräutigam. Jesus Christus wäre also nur von Konkurrenz bedroht, hätten Außerirdische eine ähnliche Vorstellung wie die christliche Religion mit ihrer Heilsgeschichte und Erlösung - nur eben mit einem anderen Erlöser.
Heilsgeschichte des Universums
Soll jedoch Jesus Christus weiterhin in seiner Erlöserrolle im Zentrum stehen, müsste die Heilsgeschichte erweitert werden. Dann begänne Gottes Heilsplan nicht mit Adam und Eva und gipfelte in der Apokalypse. Es gäbe die Möglichkeit der Offenbarung Gottes auch vor, nach oder außerhalb der Menschheitsgeschichte. Die Bibel verkündete dann ausschließlich die auf die Menschen und die Erde bezogene Heilsgeschichte. Daneben gäbe es jedoch die eine Heilsgeschichte des Universums, die außerirdische Intelligenz und die Bewohner des Planeten Erde gleichermaßen betrifft. Diese "eine Heilsgeschichte des Universums" (Bräutigam) kann dann als in Jesus Christus realisierbar gesehen werden, "ohne gleichzeitig behaupten zu müssen, dass die Heilsgeschichte einzig auf diese Weise offenbar werden kann", resümiert Bräutigam.
Origenes, der sich zweihundert Jahre nach Christus mit Außerirdischen und dem christlichen Glauben beschäftigte, fand eine so universelle wie versöhnliche Antwort: Bezugnehmend auf Paulus, demgemäß Christus in einem Zeitalter vor dem unsrigen und allen davor nicht gelitten haben könnte, ordnet Origenes die Bedeutung Christi in eine universal kosmische, heilsgeschichtliche Rahmenhandlung ein. Der Kirchenvater sieht in der Bibel Hinweise gegeben, dass sich der Erlöser selbst als Verweis auf etwas Größeres verstand, als es alle Ereignisse des Erdzeitalters und der übrigen Äonen offenbart hatten.