"Kämpft dafür, dass so etwas nie wieder geschieht!" Diesen Satz hat Eva Franz, Überlebende der Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau, Ravensbrück und Bergen-Belsen schon bei mehr als 100 Zeitzeugengesprächen vor Schulklassen oder anderem Publikum gesagt.
Doch dieses Mal war es in zweifacher Hinsicht etwas Besonderes: Erstens waren mit fast 300 Personen so viele Menschen wie selten zuvor anwesend. Und zweitens fand das Gespräch von "Bildung Evangelisch" in Erlangen mit Birgit Mair vom Institut für sozialwissenschaftliche Forschung in Nürnberg online statt.
Großes Interesse am Zeitzeugengespräch
Dass eine enorme Nachfrage nach solch einer Veranstaltung mit den letzten Zeugen des Holocausts besteht, merkte man an den Anmeldungen. Rund 130 Schüler aus ganz Bayern hatten sich angemeldet, darüber hinaus ebenso viele Pädagogen und anderweitig Interessierte aus der gesamten Bundesrepublik, so die Veranstalter.
Sie lauschten Franz Lebensgeschichte, als sie von der Deportation, dem Tod ihrer Schwester und der Mutter sowie der Trennung vom Vater erzählt. In Viehwaggons wurden Franz und ihre Familie aus dem Sudetenland ins Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau deportiert. "Mit heißer Tinte und einem Federhalter tätowierte man mir die Nr. 4167 in den Unterarm", erinnert sie sich. Der Block 25, in dem sie lebten, war nur wenig entfernt von Josef Mengele, der in dem sogenannten "Zigeunerlager" medizinische Experimente an Kindern verübte.
Den Vater schlug die SS auf dem Appellplatz so lange, bis die Haut aufplatze und blutete. "Die Narben hat er sein Leben lang versteckt", erzählt seine Tochter. Die Mutter versuchte, dem Kind das Leben im Lager erträglich zu machen. "Da backt man Brot für uns", sagte sie zu ihrer kleinen Tochter, als diese fragte, was das Feuer und der Rauch aus den Schornsteinen zu bedeuten hätte. Ihre Mutter war eine von 92.000 Menschen, die im Frauenlager Ravensbrück den Tod fand. Eine Mitgefangene nahm sich des Mädchens Eva an und erlebte mit ihm die Befreiung im KZ Bergen-Belsen.
Persönliche Einblicke in das Leben von Eva Franz
Eine Präsentation, die persönliche Fotografien, Häftlingslisten oder den Stammbaum der Sinti-Familie zeigte, unterstützte den Zeitzeugenabend im Internet. Dass das Online-Format mindestens genauso eindringlich ist wie eine Präsenz-Veranstaltung, bestätigt eine Schülerin: "Bei Ihrer Erzählung musste ich an vielen Stellen weinen", offenbart sie der 80-jährigen Sintiza. Ein anderer Schüler sah gar keinen Unterschied zu einem realen Gespräch. "Danke für diese direkte Begegnung", sagt er mit bewegter Stimme. Dieses Online-Treffen habe ihm mehr gegeben als er in allen Geschichtsbüchern lesen könne.
Auch Birgit Mair sieht eine solche virtuelle Veranstaltung äußerst positiv. "Ich habe am Tag nach der Veranstaltung wahnsinnig viele berührende Dankeschön-E-Mails bekommen, teilweise wurden halbe Aufsätze geschrieben", berichtet sie. Das zeige, dass die Emotionalität trotz der physischen Distanz bei den Zuschauern ankomme. Die Rückmeldungen bestärkten sie, dieses Format noch weiter auszubauen, um möglichst vielen Menschen digital die Gelegenheit zu geben, mit den letzten Zeugen des Holocausts in Kontakt zu treten.
"Kämpft dafür, dass so etwas nie wieder geschieht!", lautet der Appell von Eva Franz an ihre Zuschauer. Auf die Frage, wie sie es schaffe, von ihrer Leidensgeschichte zu berichten, antwortet die Katholikin: "Die Kraft zum Erzählen gab mir der liebe Gott."