Pfingsten 1221: Franziskus hatte gerufen und 5000 seiner Brüder kamen. Auf dem freien Feld unterhalb von Assisi bei der Portiuncula-Kirche lagerten sie unter leichten Sonnenschutzgerüsten und auf Matten, auf denen sie auch schliefen. "Mattenkapitel" nennen die Franziskaner ihre Generalversammlungen deshalb bis heute. Auf der Tagesordnung stand unter anderem: dass ein neuer Anlauf unternommen werden sollte, endlich auch nördlich der Alpen, in den rauen deutschen Landen, in franziskanischer Armut und Demut das Evangelium zu verkünden.

Ein erster Versuch, 1217 bis 1219, war katastrophal fehlgeschlagen. Der Franziskaner-Chronist Giordano aus dem umbrischen Giano, als Augenzeuge seit 1221 selbst dabei, berichtet Haarsträubendes: Keiner der italienischen Bettelmönch-Pioniere konnte die Volkssprache der Deutschen. Auf alle Fragen, die man den Franziskus-Brüdern stellte, hätten diese einfach mit "Ja" geantwortet und so zunächst gute Erfahrungen gemacht, freundlich Essen und Herberge erhalten. Leider antworteten sie irgendwann auch mit "Ja" auf die Frage, ob sie selbst nicht doch vielleicht ziemlich üble Ketzer seien. Anschaulich schildert Giordano, wie die Brüder daraufhin verprügelt, einige eingekerkert, andere ausgezogen und unter dem Johlen des Pöbels nackt zum Tanzen gebracht wurden.

"Nach diesem Geschehen hielten die Brüder Deutschland für so grausam, dass sie dorthin nur im Verlangen nach dem Martyrium zurückzukehren wagten",

schreibt er weiter. Auch Franziskus selbst hatte 1219 einen Rückschlag erfahren: Es war das Jahr, als er mitten während eines Kreuzzugs nach Ägypten reiste und dort den Sultan Al-Malik al-Kamil Muhammad traf, um ihn zu Christus zu bekehren. Der Sultan war beeindruckt, ließ ihn am Leben, blieb aber Moslem.

Ein "Haus am Fluss"

Die zweite Expedition über die Alpen stellte man deshalb unter die Leitung eines deutschen Bruders, Caesarius von Speyer. Die meisten der 60-köpfigen Delegation waren Italiener, aber Giordano nennt noch einige weitere deutsche Brüder namentlich: einen Barnabas und einen Konrad sowie die Laienbrüder Benedikt von Soest und den Schwaben Heinrich.

Vor genau 800 Jahren, Mitte Oktober 1221, kamen die Franziskaner in der alten Römerstadt Augsburg an. Über Trient, Bozen, Brixen und Matrei hatten sie die Alpen überquert – vielleicht nicht barfuß, wie es der unbeschuhte Franziskus vorlebte, aber auch nicht mit viel mehr als Sandalen an den Füßen. Verständigungsprobleme gab es nun keine mehr. Der Bischof nahm sie freundlich in Empfang. Man wies ihnen einen Platz unterhalb des Lech­hochufers zu. Es war eine Gegend einfacher Leute, von Kanälen und Wasserläufen durchzogen, wo das allgegenwärtige Wasser bald für den frühindustriellen Aufschwung der Reichsstadt sorgte. Auch die berühmten Augsburger Silberschmiede hatten hier ihre Werkstätten.

"Die Weite der Welt", das sei ihr Kloster, so sahen es die "minderen Brüder" des Francesco aus Assisi. Sie wollten arm und mit bloßen Füßen in die weite Welt hinausziehen, um das Evangelium zu predigen, aber keine Klöster bauen. Noch in der franziskanischen Ordensregel von 1223 heißt es: "Die Brüder sollen sich nichts aneignen, weder Haus noch Ort noch sonst eine Sache. Und gleichwie Pilger und Fremdlinge in dieser Welt, die dem Herrn in Armut und Demut dienen, mögen sie voll Vertrauen um Almosen bitten gehen." Am Beispiel Erfurt schildert Chronist Giordano, wie es dann aber tatsächlich ablief, wenn die Franziskaner sich in deutschen Städten niederließen. Gefragt, wo sie ihr Kloster bauen wollten, habe er geantwortet: "Ich weiß nicht, was ein Kloster ist. Baut uns nur ein Haus nahe genug am Wasser, damit wir zum Waschen der Füße hinabsteigen können."

Nicht mehr standfest im Lechkies

Von Augsburg und dem dortigen "Haus am Fluss" nahm die Geschichte der Franziskaner in Deutschland also ihren Anfang, auch wenn nur ein paar Brüder in Augsburg blieben. Vom Lech zogen die meisten weiter, zunächst nach Würzburg, dann nach Mainz, Worms, Speyer, Straßburg und Köln; andere nach Salzburg und Regensburg, später nach Erfurt und in andere Orte in Thüringen.
 

Aus dem verzogenen Jüngelchen Giovanni di Pietro di Bernardone wurde San Francesco: Der Heilige Franziskus wie ihn Cimabue im 13. Jahrhundert auf einem Fresko in Assisi verewigte - nur wenige Jahrzehnte nach dessen Tod 1226. Die ersten seiner Brüder schickte er 1217 nach Deutschland. Doch erst 1221 und über Augsburg war die Mission ein Erfolg.
Innenhof und Rückwand der Barfüßerkirche in Augsburg
Luft statt Langhaus, Himmel statt Hallenkirche: der Innenhof und die Rückwand der Barfüßerkirche in Augsburg.
Barfüßerkirche Augsburg: Ansicht aus der Barfüßerstraße nach oben
Was von der Barfüßerkirche übrig blieb: Früher war die einst größte evangelische Kirche Augsburgs mehr als doppelt so lang.
Barfüßerkirche Augsburg: das barocke "Christkind" von Georg Petel, das einst auf der Kanzel stand
Das barocke "Christkind" von Georg Petel wurde 1944 auf wunderbare Weise unversehrt aus den Trümmern der zerbombten Barfüßerkirche gerettet. Früher stand es auf der Kanzel - mit einer etwas anderen Handhaltung.
Barfüßerkirche Augsburg: Petel-Kruzifix und JHWH-Detail der Chorschranke
Auch das Kruzifix an der karg wiederhergestellten Chorwand ist vom Barockkünstler Georg Petel. Im Herbst 1221 ließen sich die ersten Franziskaner über Augsburg in Deutschland nieder. Ihnen verdankt die Barfüßerkirche ihre Existenz und ihren Namen.
Barfüßerkirche Augsburg: der Chor heute und in seiner Vorkriegsgestalt
Der Chor der Barfüßerkirche heute und vor der Bombennacht 1944 – so wie sie Bert Brecht kannte. Das Langhaus gibt es nicht mehr. In ihm stand die Kanzel, gekrönt von dem »Christkind«, das aus den Trümmern geborgen werden konnte.
Barfüßerkirche Augsburg: Die Rückwand des Ostchors - Wiederaufbau 1948/49 und heute
Die Rückwand des Ostchors - Wiederaufbau 1948/49 und heute.
Barfüßerkirche Augsburg: Blick von der Kreßlesmühle Richtung Osten - einst und heute
Barfüßerkirche Augsburg: der Blick von der Kreßlesmühle Richtung Osten - einst und heute.
Barfüßerkirche Augsburg: die Rieger-Orgel aus dem Jahr 1958
Setzte nach dem Krieg die musikalische Tradition der Barfüßerkirche fort: Die Rieger-Orgel aus dem Jahr 1958 war die erste in Deutschland mit nach vorn gerichteten "Spanischen Trompeten".
Barfüßerkirche Augsburg: das kriegszerstörte Kirchenschiff und die 1944 verbrannte barocke Stein-Orgel
Links der Blick ins Langschiff der kriegszerstörten Barfüßerkirche Augsburg, rechts der Blick auf die damals untergegangene barocke Stein-Orgel, auf der Mozart und Albert Schweitzer spielten. Das Langhaus wurde nicht wieder aufgebaut,
Familie Mozart, Johann Nepomuk della Croce,1777
Familie Mozart: Johann Nepomuk della Croce schuf dieses Bild 1777, dem Jahr, als Wolfgang Amadeus Mozart in der Heimatstadt seines Vaters auf der Barfüßerorgel spielte. Zu sehen sind (von links nach rechts): Maria Anna ("Nannerl"), Wolfgang Amadé, die verstorbene Mutter Anna Maria im Porträtbild ab der Wand und Vater Leopold Mozart mit Violine.
Der zwölfjährige Bertolt Brecht mit seinem jüngeren Bruder Walter im Jahr 1910
Der zwölfjährige Bertolt Brecht mit seinem jüngeren Bruder Walter im Jahr 1910,
Barfüßerkirche Augsburg: Blick nach Osten
Blick vom der Rückseite des Rathauses und vom Lech-Hochufer hinunter auf die aus den Häusern ragende Barfüßerkirche.
Barfüßerkirche Augsburg: Blick von der Kreßlesmühle nach Osten
Barfüßerkirche Augsburg: Blick von der Kreßlesmühle nach Osten.
Barfüßerkirche Augsburg: Blick in den Innenhof
Barfüßerkirche Augsburg: Wohnungen und Büros rund um einen Innenhof stehen heute dort, wo sich einst das Kirchenschiff befand. Über dem Kopf des Fotografen befand sich einst die Barockorgel.
Barfüßerkirche Augsburg: Außenaltar und Brunnen
Die Rückwand der Barfüßerkirche steht heute dort, wo einst in der mittelalterlichen Kirche ein Lettner den Chor vom Volksbereich trennte. Wo einst der Volksaltar stand, stehen heute ein Freiluftaltar und ein Brunnen, der gerne für Taufen verwendet wird.
Zerstörte Barfüßerkirche Augsburg nach dem Krieg: Blick von Osten
So sah die Barfüßerkirche nach dem Krieg aus (Blick von Osten).
Barfüßerkirche Augsburg: heutiger Blick nach Westen
Barfüßerkirche Augsburg: heutiger Blick nach Westen. Im Hintergrund ist der Perlachturm zu sehen.
Barfüßerkirche Augsburg: Heiliger Franziskus im Kreuzgang
Der mittelalterliche Kreuzgang der ehemaligen Franziskanerkirche "Zu den Barfüßern" ist noch teilweise erhalten. Darin zu sehen: dieser Kreuzrippenabschluss im Gewölbe mit dem Heiligen Franziskus.
Logo "800 Jahre Franziskaner*innen nördlich der Alpen"
Barfuß im Herzen der Stadt: Die Veranstaltungsreihe zum Jubiläumsjahr "800 Jahre Franziskaner*innen nördlich der Alpen" an der Barfüßerkirche in Augsburg läuft noch bis Sommer 2022. Sie ist ein gemeinsames ökumenisches Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Zu den Barfüßern in Augsburg, der Franziskanerinnen Maria Stern und der Dillinger Franziskanerinnen in der Regens-Wagner-Stiftung. Info und Programm: www.barfuss-im-herzen-der-stadt.de.

 

Das Gelände unterhalb des Augsburger Perlachturms und des prächtigen Rathauses ist bis heute von den Flüsschen und Kanälen durchzogen, die es schon damals gab. Sie heißen Mittlerer und Vorderer Lech, Innerer Stadtgraben, und eine unsichtbare Barfüßerbrücke gibt es auch. Seit 2019 zählt die historische Wasserwirtschaft Augsburgs zum Unesco-Welterbe, doch für die Barfüßerkirche erweist sich ihre Geschichte als "Haus am Fluss" derzeit nicht nur als liebes Erbe, sondern auch als teure Hypothek. Denn die Franziskaner bauten ihre Kirche über einen der Kanäle – den "Hinteren Lech" – hinweg. Im heutigen Barfüßer-Pfarramt hat man einen guten Blick aufs Wasser. Und auf einige Risse im Mauerwerk, denn der mittelalterliche Kanal ist undicht geworden. Teilweise sind Mauern hinunterspült und einige Fundamente der Barfüßerkirche stehen nicht mehr sicher im Lechkies. Das zu beheben, ist, wie man sich leicht vorstellen kann, ein Millionenprojekt. Doch weil erst der Kanal da war und dann, ab dem Jahr 1243, die Kirche darübergebaut wurde, sieht es derzeit so aus, als müsste die Kirche die Kosten für ihren Anteil über dem Welterbe allein tragen.

Viele Baustellen

Gesine Beck, die Pfarrerin der Kirche "Zu den Barfüßern", kann einem allein schon angesichts dieser jüngst hinzugekommenen teuren Baustelle leidtun. Es ist nämlich keineswegs die einzige. Zu sanieren sind außerdem: der statisch bedenkliche Nachkriegsglockenturm, Mauerwerk, Fassaden und Dächer sowie nicht zuletzt die einzigartige Rieger-Orgel aus dem Jahr 1958.

In der Reformationszeit war die Kirche der unbeschuhten Franziskaner 1536 zur evangelischen Pfarrkirche geworden. Seit 1649, nach dem Dreißigjährigen Krieg, war sie endgültig in protestantischem Besitz. Wenige Jahrzehnte später wurde die spätgotische Hallenkirche tiefgreifend barockisiert.

Doch so wie die Barfüßerkirche heute aussieht, ist sie kein triumphales Gebäude dominanter Frömmigkeit mehr, sondern ein kriegsversehrter Halbleib, ein Denkmal, das mahnend in Augsburgs Stadtlandschaft hineinragt. Die große Hallenkirche wurde in der Bombennacht auf den 26. Februar 1944 schwer zerstört.

Mahnzeichen des Krieges

In München sorgte der Architekt Hans Döllgast dafür, dass man bis heute sieht, wie und wo die Kriegsbomben die Alte Pinakothek beschädigten. In Augsburg entschied man sich noch radikaler gegen eine Rekonstruktion der bisher größten evangelischen Kirche der Stadt. Bis 1949 wurde die Barfüßerkirche durch die Architekten Hellmut Schenk und Wilhelm Schulz gesichert und als Notkirche wiederhergestellt. Dort wo einst zwischen Chor und Langschiff ein Lettner das Volk von den Ordensleuten trennte, steht heute die Rückwand der Kirche: Nur der steil emporragende gotische Chor wurde wieder aufgebaut, die Reste der barocken Stuckverkleidung abgeschlagen und das Ziegelmauerwerk geschlämmt. An der Stelle des Kirchenschiffs errichtete man damals aus Trümmersteinen um einen Innenhof herum Wohnungen und entlang der Barfüßerstraße eine Ladenzeile. In dem Innenhof steht dort, wo einst der Volksaltar stand, ein Freiluftaltar und ein sprudelnder Brunnen, der gerne bei Taufen zum Einsatz kommt. Ein Teil des alten Kreuzgangs ist erhalten geblieben.

800 JAHRE FRANZISKANER IN DEUTSCHLAND

Barfuß im Herzen der Stadt: Die Veranstaltungsreihe zum Jubiläumsjahr "800 Jahre Franziskaner*innen nördlich der Alpen" an der Barfüßerkirche in Augsburg läuft noch bis Sommer 2022. Sie ist ein gemeinsames ökumenisches Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Zu den Barfüßern in Augsburg, der Franziskanerinnen Maria Stern und der Dillinger Franziskanerinnen in der Regens-Wagner-Stiftung.

Info und Programm: www.barfuss-im-herzen-der-stadt.de

Durch ihre Trümmerästhetik hat die Barfüßerkirche heute eine karge, fast archaische Anmutung – außen und innen. Einzelne Kunstwerke der Vorkriegsausstattung sind in die Kirche zurückgekehrt, ein paar Bilder aus dem 16. und 17. Jahrhundert, eine eindrucksvolle schmiedeeiserne und teilweise vergoldete Chorschranke.

Die Bombennacht und das Christkind

Die 1958 eingeweihte Rieger-Orgel ist nach übereinstimmender Meinung der Kenner ein echter Klangschatz. Sie setzt die große Orgel­tradition der Barfüßerkirche fort. Wie ein Engel mit ausgebreiteten Flügeln oder vielleicht auch wie eine herabsinkende Pfingsttaube sieht sie aus. Instrumentengeschichte hat sie geschrieben, weil sie die erste Orgel in Deutschland war, die mit nach vorne in den Raum blasenden "Spanischen Trompeten" ausgestattet wurde. Aber der Orgelschatz der Barfüßerkirche ist marode: Eine der großen Pfeifen musste jüngst mit einem Bergsteigergurt provisorisch vor dem Absturz gesichert werden.

Besonders bewegend ist die Geschichte des "Christkinds", das an der Chorwand links neben dem Kruzifix zu sehen ist. Beides sind Schnitzwerke des Barockkünstlers Georg Petel. Man erzählt sich in Augsburg, wie Maria Dumler, eine Frau aus der Gemeinde, die in der Nähe wohnte, in der Bombennacht 1944 noch einmal aus dem Schutzkeller kletterte und in der Kirche nachsah, ob noch etwas zu retten war. Ausgerechnet das "Christkind", das bisher die Kanzel gekrönt hatte, war unbeschädigt geblieben. Sie barg es aus den Trümmern und brachte es in Sicherheit.

Eine verlorene und eine überlebende Barfüßer-Orgel

Dass die katholische Pfarrkirche St. Martin in Gabelbach bei Zusmarshausen sich heute rühmen kann, Süddeutschlands älteste Orgel zu beherbergen, verdankt sie der evangelischen Barfüßerkirche und dem Augsburger Religionsfrieden von 1555. Zu dessen 200. Jahrestag leisteten sich Augsburgs Protestanten nämlich eine neue Orgel des Silbermann-Schülers Johann Andreas Stein. Die kleine, kurz vor Beginn des Dreißigjährigen Kriegs gebaute Orgel von Marx Günzer verkaufte man aufs Land, wo sie – anders als die Stein-Orgel im heftig bombardierten Augsburg – den Zweiten Weltkrieg überstand.

Als der Urwaldarzt und orgelkundige Theologe Albert Schweitzer 1929 auf der Barfüßer­orgel spielte, hatte diese nach vielen Umbauten allerdings nur noch wenig gemein mit jenem Instrument, von dem sich der 21-jährige Wolfgang Amadeus Mozart angetan zeigte. Der Tastenvirtuose und angehende Komponist war häufiger in der Geburtsstadt seines Vaters und mit dem Orgelbauer befreundet. Über seinen Orgeltest 1777 notierte Mozart:

"wir kamen auf den Chor. ich fieng zu Præludiren an, da lachte er [Orgelbauer Stein] schon, dann eine fuge. das glaube ich, sagte er, daß sie gerne orgl spiellen; wen man so spiellt – vom anfang war mir das Pedal ein wenig fremd, weill es nicht gebrochen war (...) ich kam aber gleich drein".

Der Orgelbau von 1757 stand am Ende des üppigen barocken Umbaus der Kirche. Das Maßwerk der hohen gotischen Spitzbogenfenster wurde damals zugemauert, wie man heute gut sehen kann. Nur kleine ovale Ochsenaugenfenster blieben.

Konfi Brecht und der "Kaukasische Kreidekreis"

In ihrer verspielten Überladung hat sich die Barfüßerkirche auch Bert Brecht eingeprägt. Ganz in der Nähe geboren wurde Brecht hier 1898 auf den Namen Eugen Berthold Friedrich getauft und Ende März 1912 konfirmiert. Wie Kanonendonner klang für den Heranwachsenden zu Beginn des Ersten Weltkriegs die Barfüßer-Orgel, aber von anfänglicher Kriegsbegeisterung war der angehende Dichter schnell geheilt. Dass der wortgewaltige Barfüßer-Pfarrer Hans Detzer den Dichter in spe beeindruckte, lässt sich an teils wörtlichen Zitaten aus Detzer-Predigten in Brechts frühesten Werken nachweisen.

Eines der Bilder, die in der heute ansonsten kargen Kirche hängen, soll sich im Konfirmandenzimmer des Gemeindehauses befunden haben. Es zeigt das Urteil König Salomos. In Augsburg erzählt man sich, das Bild von Frauenstreit und Mutterliebe habe den jungen Dichter zu seinem "Augsburger Kreidekreis" inspiriert, den er später zum berühmten "Kaukasischen Kreidekreis" weiterentwickelte.

Die Franziskaner(innen) sind zurück

Die Barfüßerkirche steht heute ein wenig im Schatten der anderen historischen Kirchen in Augsburg, St. Anna mit der Luther-Stiege, St. Ulrich oder Heilig-Kreuz-Kirche. Angesichts des Orts und seiner Geschichte eine Ungerechtigkeit, das findet nicht nur Barfüßer-Pfarrerin Gesine Beck. Die Gemeinde besteht aus nur 1200 Mitgliedern, die Gegend gilt als "Türkenviertel", viele junge Leute wohnen hier und wenige Familien, kein leichtes Pflaster für den Gemeindeaufbau.

Aber es ist nicht zuletzt der besondere Ort selbst, der hier über das Gemeindegebiet hinaus Strahlkraft beweist. Dass "Spiritualität" zum Profil der Barfüßer-Gemeinde gehört, hat gute Gründe. Mit ihrer äußerlichen Kargheit hat die einstige Franziskanerkirche zu einer Identität gefunden, die in den Wurzeln ihrer Geschichte angelegt ist. Und auch die Franziskaner sind zurück in der Barfüßerkirche oder jedenfalls zwei Schwestern der Dillinger Franziskanerinnen. Sie wohnen in einem Kleinkonvent direkt neben dem Rest des alten Kreuzgangs (gewissermaßen unterhalb jenes Orts, wo in der alten Kirche die Orgel stand, auf der Mozart orgelte). Sie helfen traumatisierten Flüchtlingen und bieten zusammen mit der evangelischen Gemeinde Tagzeitengebete und Alltagsexerzitien an.

An die 196 Franziskanerinnen, die zwischen 1300 und 1536 im Kreuzgang der Barfüßerkirche begraben wurden, erinnert heute eine Tafel. Zum nahen Franziskanerinnen-Kloster Maria Stern, deren Heimatkirche die Barfüßerkirche bis zur Reformation war, besteht heute eine lebendige ökumenische Nachbarschaft. Und als die Franziskaner nun die ersten 800 Jahre ihrer Anwesenheit in Deutschland feierten, da taten sie das natürlich (auch) in der Augsburger Barfüßerkirche.

Evangelische Kirchen in Bayern

Entdecken Sie die Geheimnisse und Kuriositäten in evangelischen Kirchen in Bayern - mit unserer Serie zum Thema. Wenn Sie regelmäßig mehr erfahren möchten über das kirchliche Leben in Bayern, dann abonnieren Sie hier unsere Print-Serie.

In unserem Themenspecial "Evangelische Kirchen in Bayern" lernen Sie die schönsten evangelisch-lutherischen Kirchen in Bayern kennen. Auf Instagram sind wir zu finden unter dem Hashtag #evangelischekirchebayern

Evangelische Dekanate in Bayern

Im evangelischen Bayern gibt es insgesamt 66 Dekanatsbezirke. Sie umfassen insgesamt 1538 Kirchengemeinden. Die Dekanate oder Dekanatsbezirke organisieren das kirchliche Leben in einer Region. Die Dekanatsbezirke sind wiederum in sechs Kirchenkreisen zusammengefasst. In unserem Dossier stellen wir alle evangelischen Dekanate in Bayern vor.