Herr Wohlfahrt, was machen Sie als Pfarrer beim Adventssingen im Fußballstadion?

Rolf Wohlfahrt: Das Adventssingen im Grünwalder Stadion gibt es ja schon lange. 2019 hat der Verein "Freunde des Sechz'ger Stadions" Ehrenamtliche dafür gesucht. Meine Frau und ich sind selbst Sechz'ger-Fans und haben gesagt: Wir helfen gern! Also haben wir am Eingang Kerzen und blauweiße Nikolausmützen verteilt und Kollekte für die Unkosten gesammelt - haben wir ja in der Kirche geübt. Der Verein fand es eine gute Idee, dass ich einen Segen spreche. Dieses Jahr machen wir das ökumenisch, mein Kollege Gerhard Wastl vom Pfarrverband Obergiesing und ich von der Lutherkirche. Das ist nur ein kurzer spiritueller Akzent, denn wenn ich da eine halbe Stunde predige, ist die Stimmung im Eimer. Weniger ist mehr. Wir freuen uns, dass die Kirche zeigen kann: Wir sind da.

"Zum Adventssingen kommen eher Fußballfans als Kirchgänger."

Es wird ja oft gesagt, dass Menschen nicht mehr so viel singen. Wie haben Sie das 2019 im Stadion erlebt?

Als Pfarrer merke ich, dass übers Kirchenjahr verteilt das Wissen über die Lieder nachlässt. Aber die Advents- und Weihnachtslieder stecken seit der Kindheit in den Menschen drin. Zum Adventssingen kommen eher Fußballfans als Kirchgänger und das Singen dauert - wie ein Fußballspiel - zweimal 45 Minuten, mit einer Pause. Doch die vertrauten Weihnachtslieder sind absolut bekannt. Es gibt ein extra Liederbuch mit 24 Seiten. Da ist der Sechz'ger-Marsch drin und "You'll never walk alone", aber eben auch alle bekannten Weihnachtslieder von "Lasst uns froh und munter sein" bis "Stille Nacht".

"Jeder hat eine Kerze in der Hand, die Lichter leuchten, das ist ein Sternenmeer."

Und was ist das für eine Stimmung, wenn zwischen 1500 und 2000 Menschen im Stadion Weihnachtslieder singen?

Ich habe 2019 festgestellt, dass es genau 1860 Menschen gewesen sein könnten. Wenn die alle im Stadion "Macht hoch die Tür" singen, ist das ein Gänsehautmoment. Jeder hat eine Kerze in der Hand, die Lichter leuchten, das ist ein Sternenmeer - wenn da bei jemandem die inneren Türen nicht aufgehen, dann weiß ich's auch nicht. Das muss man unbedingt einmal erlebt haben.