Wann hat das Christentum begonnen? Mit der Geburt Jesu im Stall von Bethlehem? Oder doch erst mit der Mission des Apostels Paulus? Der evangelische Theologe Paul Tillich (1886-1965) gab darauf eine ganz andere Antwort: Das Christentum nahm seinen Anfang, als bei Cäsarea Philippi ein Jünger zum ersten Mal bekannte: »Du bist der Christus.«
Man kann sagen, dass dieses Ur-Bekenntnis der Kern aller nachfolgenden Bekenntnisse ist. Auch des alten Credos, das Paulus in seinem ersten Brief an die Korinther zitiert: »Christus ist für unsere Sünden gestorben gemäß der Schrift, und ist begraben worden. Er ist am dritten Tag auferweckt worden, gemäß der Schrift, und erschien dem Kephas, dann den Zwölf.« (1. Korinther 15, 3) Die ersten christlichen Bekenntnisse bezeugten Jesus als Erlöser, damit wurde der Glaube der Jünger zum christlichen Glauben. Das Bekenntnis des Juden Jesus war dagegen noch das israelitische Sch´ma Israel, in dem das erste Gebot der Gottesliebe und das Gebot der Nächstenliebe gleichrangig verbunden sind. (Markus 12, 29-31)
Vater, Sohn, Heiliger Geist
In der Urgemeinde wurden dann Taufbekenntnisse und dreigliedrige Bekenntnisse des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes formuliert, die sich bereits im Neuen Testament nachweisen lassen (Matthäus 28, 18; 1. Korinther 12, 4ff.; 2. Korinther 13, 13). Ein Beispiel dafür ist das dreigliedrige Romanum aus dem Jahr 135: »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allherrscher; Und an Jesus Christus, seinen Sohn, den Einziggeborenen, unseren Herrn, der geboren ist aus Heiligem Geist und Maria, der Jungfrau, der unter Pontius Pilatus gekreuzigt und begraben wurde, am dritten Tag auferstand von den Toten, aufstieg in den Himmel, zur Rechten des Vaters sitzt, von dannen er kommen wird, zu richten die Lebenden und die Toten; Und an den Heiligen Geist, die heilige Kirche, die Vergebung der Sünden, des Fleisches Auferstehung.«
In ähnlicher Weise wurden die Kernstücke des Glaubens immer wieder zusammengefasst. Mit Regula fidei (Glaubensregel) bezeichneten die Kirchenväter des zweiten Jahrhunderts die wesentlichen Inhalte des christlichen Glaubens. Bevor es allgemein anerkannte Glaubensbekenntnisse gab, war die Regula fidei in vielen Streitigkeiten der Maßstab zur Beurteilung von Lehre und Praxis.
Der Inhalt der Regula fidei leitet sich gemäß den altkirchlichen Autoren direkt vom Zeugnis der Apostel her. Irenäus von Lyon beschreibt ihren Inhalt so: »Die Kirche erstreckt sich über das ganze Weltall bis an die äußersten Grenzen der Erde. Sie hat von den Aposteln und ihren Schülern den Glauben empfangen, den Glauben an den einen Gott, den allmächtigen Vater, den Schöpfer des Himmels und der Erde und der Meere und alles was in ihnen ist, und an den einen Christus Jesus, den Sohn Gottes, der, um uns zu erlösen, Fleisch angenommen hat, und an den heiligen Geist, der durch die Propheten die Heilsordnung Gottes verkündet hat, ... seine Geburt aus der Jungfrau, sein Leiden, seine Auferstehung von den Toten und die leibliche Himmelfahrt unseres lieben Herrn Christus Jesus und seine Wiederkunft vom Himmel in der Herrlichkeit des Vaters...«
Das Apostolische Glaubensbekenntnis
Das Apostolische Glaubensbekenntnis fasst in drei Artikeln den christlichen Glauben zusammen. Die evangelischen Kirchen bekennen es in Gemeinschaft mit der römisch-katholischen Kirche, der altkatholischen Kirche, den anglikanischen und anderen Kirchen. Dieses Bekenntnis geht in seinem Kern auf das Taufbekenntnis in den ersten Jahrhunderten zurück; seine Bestandteile sind ursprünglich kurze Fragen an Taufbewerber gewesen, die diese mit »Ja« beantworteten. In späteren Fassungen wurden daraus dann die Bekenntnisaussagen: »Ich glaube an Gott, den Schöpfer ...«
Seit Anfang des fünften Jahrhunderts ist das Apostolikum belegt. Vermutlich stammt es aus dem damals keltischen Gallien. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts hat es Ambrosius von Mailand das »Apostolische Glaubensbekenntnis« genannt, weil diese Glaubenswahrheiten seit dem Anfang der Kirche gelehrt wurden. Karl der Große ließ es im 9. Jahrhundert in seine Reichsgesetze schreiben, und im 10. Jahrhundert wurde es von Otto dem Großen als Taufbekenntnis eingeführt.
Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel
Das Bekenntnis von Nizäa-Konstantinopel ist das Ergebnis der vier ökumenischen Konzilien im römischen Reich, die einberufen wurden, um die theologischen und christologischen Streitigkeiten im vierten und fünften Jahrhundert zu schlichten. Es gilt damit als das erste ökumenische Dokument der Kirchengeschichte. Heute verbindet es als ökumenisches Bekenntnis die westlichen Kirchen mit der Orthodoxie.
Die altkirchlichen Bekenntnisse gehen auf die ersten Jahrhunderte zurück. Danach hat jede Epoche ihre eigenen Glaubensbekenntnisse formuliert. Glaubensbekenntnisse sind also auch immer Dokumente, was die Kirche in dieser Zeit als Kern des christlichen Glaubens verstanden wissen wollte. Wie die Heilige Schrift ist und welches die grundlegenden Aussagen über das christliche Leben sind, muss immer wieder neu auf Basis der Bekenntnisse in Worte gefasst werden. Wichtig ist dabei der öffentliche Charakter des Bekenntnisses: Damit bezeugt die Gemeinschaft der Glaubenden öffentlich ihren Glauben vor aller Welt.
Glaubensbekenntnisse als Richtlinie
Neben den Glaubensbekenntnissen für den gottesdienstlichen Gebrauch gibt es noch Bekenntnisse verschiedener Konfessionen, die eher in Form dogmatischer Lehrsätze gefasst und überliefert sind, wie die Confessio Augustana und das Konkordienbuch der Evangelisch-Lutherischen Kirchen, das Zweite Helvetische Bekenntnis und der Heidelberger Katechismus der Reformierten Kirchen, das katholische Trienter Glaubensbekenntnis, die Bekenntnisse der Täufer oder das Dordrechter Bekenntnis der Mennoniten.
Nach lutherischem Verständnis werden Glaubensbekenntnisse als Richtlinien des Glaubens (norma normata) verstanden: Sie sind zwar verbindlich, sind aber selbst durch etwas anderes normiert, nämlich durch die Bibel als normierende Norm (norma normans). Sie sind also nur gültig, weil sie von der Bibel gedeckt sind und diese vergegenwärtigen.
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Luthers kleiner Katechismus
Bei seinen Reisen durch die Gemeinden im gerade reformierten Deutschland stellte Martin Luther fest, dass vielen Pfarrern in den dörflichen Gebieten theologische Grundlagen fehlten. In der Vorrede zum Kleinen Katechismus heißt es: »Der ungelehrte Mann weiß doch gar nichts von der christlichen Lehre, besonders auf den Dörfern, und viele Pfarrer sind sehr ungeschickt und untüchtig zu lehren. Und doch wollen sie alle Christen sein, getauft sein und die heiligen Sakramente genießen, obwohl sie weder das Vaterunser noch das Glaubensbekenntnis oder die Zehn Gebote kennen, sondern sie leben dahin wie das liebe Vieh und wie unvernünftige Säue.« Bei den Visitationen fand Luther in den Gemeinden kaum Kenntnisse über die »christlichen Hauptstücke«, etwa die Zehn Gebote und das Vaterunser. Auch das Wissen der Geistlichen war beklagenswert.
Luthers Katechismen, verfasst im Jahr 1529, bieten eine Einführung in die wichtigsten Themen des christlichen Glaubens wie etwa die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis oder das Sakrament der Taufe. Gleichzeitig stellt Luther einen Bezug zum alltäglichen Leben her. Für ihn hing das Gelingen der Reformation ganz entscheidend davon ab, ob es glückte, das neu entdeckte Glaubenswissen verständlich zu vermitteln. Das geschah zwar bereits auf vielfältige Art, zum Beispiel durch die Verbreitung von gedruckten Flugblättern und Flugschriften. Die ersten Liedsammlungen und Gesangbücher in deutscher Sprache waren Lehrstücke in gedichteter
So entschloss sich Luther, für die Einübung des Glaubens einen Katechismus zu schreiben – eine Ausgabe in predigttauglicher Form (Großer Katechismus) für die Pfarrer und eine übersichtlichere Ausgabe (Kleiner Katechismus) für die Hausväter und Familien. Diesem Zweck entsprechend waren die ersten Drucklegungen des Kleinen Katechismus als Plakate zum Aushang in Kirchen und Schulen gestaltet. Die Kernstücke des Glaubens – die Zehn Gebote, das Glaubensbekenntnis, das Vaterunser, die Taufe, das Abendmahl, die Beichte – diese »Hauptstücke« sind in knappen Darlegungen anhand wichtiger Bibelzitate als Fragen und Antworten formuliert. Noch heute wird der Kleine Katechismus im Konfirmandenunterricht verwendet.
Das Augsburger Bekenntnis
Das Augsburger Bekenntnis von 1530 ist die zentrale Bekenntnisschrift der lutherischen Reformationsbewegung in Deutschland. Philipp Melanchthon verfasste die Schrift mit dem Ziel, für die Anhänger der kirchlichen Reformbewegung im Römischen Reich eine staatliche Anerkennung oder Duldung zu erreichen und die Einheit der Kirche zu wahren. Dazu war es nötig, die Übereinstimmung mit den wesentlichen Glaubensgrundsätzen der ersten Jahrhunderte nachzuweisen sowie eine Vereinbarkeit mit den Zielen öffentlicher Ordnung und staatlicher Herrschaft. Kaiser Karl V. hatte die Schrift für den nach Augsburg einberufenen Reichstag in Auftrag gegeben. Ursprünglich sollten nur die Streitpunkte zwischen den Reformatoren und Rom dargestellt werden, doch dann lieferte Melanchthon in Absprache mit Luther eine umfassende Darstellung des evangelischen Glaubens.
Ziel des sehr diplomatisch formulierenden Melanchthon war, die Gemeinsamkeit mit der römischen Kirche zu betonen. Im Vorwort wird ausdrücklich Gesprächsbereitschaft signalisiert, und die Schlusserklärung hebt noch einmal die Übereinstimmung mit der Heiligen Schrift und dem Bekenntnis der Alten Kirche hervor. Die Confessio Augustana ist deshalb als ökumenisches Bekenntnis zu sehen. Durch die schroffe Ablehnung der römisch-katholischen Vertreter beim Reichstag wurde sie dann jedoch zur Bekenntnisschrift der protestantischen Kirchen lutherischer Prägung und konnte die Kirchenspaltung nicht verhindern. 1537 wurde dem Bekenntnis dann noch die Melanchthon-Schrift »Von der Gewalt des Papstes« hinzugefügt.
Zeitloses Dokument
Die Lehrverurteilungen des Augsburger Bekenntnisses entstammen der Sache nach der Zeit und dem Denken des 16. Jahrhunderts. Sie geben deshalb nicht mehr den aktuellen Stand des Verhältnisses der Kirchen und Glaubensgemeinschaften untereinander wieder. Dennoch stellt das Bekenntnis in seiner theologischen Ausrichtung ein zeitloses Dokument dar, das auch heute noch Orientierung im Glauben geben kann.
Im Grundartikel der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern heißt es deshalb: »Mit den christlichen Kirchen in der Welt bekennt sie ihren Glauben an den Dreieinigen Gott in den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen. Sie hält sich in Lehre und Leben an das evangelisch-lutherische Bekenntnis, wie es insbesondere in der Augsburgischen Konfession von 1530 und im Kleinen Katechismus Martin Luthers ausgesprochen ist.«
Barmer Theologische Erklärung
Gut ein Jahr nachdem Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt worden war, verabschiedete die Bekennende Kirche am 31. Mai 1934 in Wuppertal-Barmen die »Barmer Theologische Erklärung«, eines der wenigen Zeugnisse des kirchlichen Widerstandes im Dritten Reich. Als kirchliches Lehrzeugnis, zum Teil auch als Bekenntnisschrift, hat sie in den lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen unterschiedlich große Bedeutung.
Leuenberger Konkordie
Die Leuenberger Konkordie ist eine Schrift von lutherischen, reformierten und unierten Kirchen in Europa aus dem Jahr 1973. Mit ihr verpflichteten sie sich zu gegenseitiger Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft. Die Konkordie sollte die Kirchenspaltung zwischen den reformierten und den lutherischen Kirchen beenden. Denn die Reformationszeit hatte nicht nur die Kirchentrennung zwischen der römisch-katholischen Kirche und den protestantischen Kirchen hervorgebracht. Auch zwischen den entstehenden protestantischen Kirchen kam es zu unterschiedlichen Bekenntnisentwicklungen, zum Beispiel zwischen Lutheranern, Zwinglianern und Calvinisten, die Kirchengemeinschaft untereinander verhinderten.
Mit der Unterzeichnung der Konkordie reformatorischer Kirchen in Europa 1973 auf dem Leuenberg bei Basel kam der Austausch reformatorischer Kirchen zu einem Ergebnis: Die in Lehrgesprächen erkannte Gemeinsamkeit im Verständnis des Evangeliums wurde zur Basis einer Kirchengemeinschaft, in der die Kirchen einander Gemeinschaft in der Wortverkündigung und der Feier der Sakramente gewährten (Kanzel und Abendmahlsgemeinschaft) und gegenseitig die Berufung, Sendung und Segnung zum geistlichen Amt (Ordination) anerkannten. Die traditionellen Lehrverurteilungen verloren ihr kirchentrennendes Gewicht.
Ausblick
»Zum Bekennen gehört nicht nur ein Wiederholen, sondern ein Fortschreiben«, hat der Regensburger Regionalbischof Hans-Martin Weiss einmal formuliert. Wo das übersehen wird, erhalte das Wort »Bekenntnis« leicht einen antiquierten oder fundamentalistischen Beigeschmack. Evangelischen Christen könne es aber nicht um Traditionalismus, Fundamentalismus oder sonst irgendeinen »-ismus« gehen, sondern um die Identität der Kirche Jesu Christi in der sich wandelnden Zeit.
Weiss benannte dabei auch die große Versuchung – »nämlich die, dass wir die Zeitgeist-Brille nicht mit der nötigen kritischen Distanz bemerken und das, was uns tatsächlich an Zuspruch und Anspruch, an Orientierungskraft aus den Bekenntnissen entgegenkommt, nicht richtig wahrnehmen, ja nicht einmal ernsthaft hören, sondern es eigenmächtig nivellieren und entschärfen«. Laut Weiss geht es um ein »geistiges Ringen, dem unsere Kirche sich zu stellen« hat, »ein Bemühen um die Sicherung der geistlichen Zentralsubstanz«. Weiss: »Gelebtes Bekenntnis umfasst beides: sowohl mit dem Mund als auch mit den Händen dankbar das weitergeben, was man als tragende, zukunftsweisende Kraft von oben erkannt und empfangen hat.«