"Im Zweifel für den Angeklagten": Das ist das Fazit eines Diskussionsabends am Dienstag in Würzburg zur Rolle des früheren Münchner Erzbischofs Kardinal Michael Faulhaber in der NS-Zeit. Der Abend sollte einen Beitrag leisten zur Entscheidung des Würzburger Stadtrates, ob der gleichnamige Platz in der Innenstadt umbenannt werden soll.

"Ich würde es nicht tun", empfahl der Direktor des Institutes für Zeitgeschichte München/Berlin, Andreas Wirsching. Darin war sich der Professor einig mit weiteren Experten aus München und Würzburg.

Zu wenig gegen Nazi-Diktatur getan?

Der Professor für fränkische Kirchengeschichte an der Uni Würzburg, Wolfgang Weiß, sagte, die Frage, ob Faulhaber zu wenig getan habe gegen die Nazi-Diktatur, sei schwer zu beantworten. Käme der Stadtrat dabei zur Entscheidung, den Platz umzubenennen - was auch in der Landeshauptstadt München bei der Kardinal-Faulhaber-Straße schon mehrfach Thema war - würde man viele weitere Personen finden, bei denen genauso zu verfahren sei.

Wirsching wurde noch deutlicher:

"Wenn wir damit anfangen, kommen wir an den Punkt, wo man Straßen am besten durchnummeriert."

Antonia Leugers, wissenschaftliche Projektmitarbeiterin an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Erfurt, sprach sich dafür aus, etwa durch ein erklärendes Schild den Zwiespalt der Person darzulegen.

"Wir haben wirklich ein Problem mit Faulhaber",

fasste sie die Forschungen zusammen. Der Kardinal lehnte die Weimarer Republik und die Demokratie ab. Für ihn habe diese im Gegensatz zur Monarchie oder einem Ständestaat den Sittenverfall gefördert, skizzierte Wirsching das Weltbild des gebürtigen Unterfranken und späteren Bischofs von Speyer.

Klare Überschneidungen zu Hitlers Programm

Durch seine Ablehnung von Bolschewismus und Marxismus habe es klare Überschneidungen zu Hitlers Programm gegeben, sagten die Experten auf dem Podium. Gleichzeitig habe Faulhaber aber auch klar gesagt, dass niemand gleichzeitig ein guter Katholik und Nationalsozialist sein kann. Die Machthaber hätten ihn als Gegner gesehen und als "Judenkardinal" beschimpft.

Wobei Wirsching zufolge kein Fall bekannt ist, dass Faulhaber einem Juden zur Flucht oder Migration verholfen habe. Ganz im Gegensatz zu "nicht-arischen" Christen - da sei Faulhabers Hilfe belegt.

"Juden können sich selber helfen"

Als Münchner Erzbischof schrieb Kardinal Faulhaber 1933: "Die Juden können sich selber helfen." Der langjährige stellvertretende Leiter des Stadtarchivs München, Hans-Joachim Hecker, glaubt, dass es zu dieser Zeit eventuell noch die Möglichkeit gegeben hätte, etwa gegen den Boykott der Juden zu protestieren. "Die Chance hat er nicht genutzt", konstatierte er.

Sehr unterschiedlich bewerteten die Experten ein Treffen des Kardinals mit Hitler am Obersalzberg im Jahr 1936. Faulhaber habe damit nach Lesart von Weiß versuchen wollen, Druck von der Kirche zu nehmen.

Attentat auf Hitler ein "Verbrechen" genannt

Auf der anderen Seite stehe Faulhabers Rolle beim Zustandekommen der päpstlichen Enzyklika "Mit brennender Sorge" von 1937, in der sich die katholische Kirche gegen die NS-Ideologie wandte. Die deutsche Version basiert auf einem Entwurf des Kardinals. Ebenso seien Kontakte des Erzbischofs zum Widerstand wie dem "Kreisauer Kreis" hervorzuheben.

Entsprechend verhörten ihn die Nazis auch nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944. Dieses nannte er in seinem bis zu seinem Tode geführten Tagebuch übrigens ein "ruchloses Verbrechen".

Wirsching sprach sich schließlich dafür aus, bei Straßenumbenennungen generell behutsam vorzugehen. Diese sollten begrenzt werden auf Täter und solche Personen, die sich "menschlich niederträchtig" verhalten hätten. Beides sei beim Kardinal nicht der Fall. Der Direktor des Institutes für Zeitgeschichte sagte:

"Je größer man Faulhaber macht, desto größer ist auch die Fallhöhe."