Eigentlich habe ich ja nichts in der Tasche meines Talars. Schon häufig habe ich mich darüber geärgert: Der Kollektenkorb geht an mir vorüber, und mal wieder habe ich vergessen, mein Portemonnaie in den Talar zu stecken – und kann nichts in die Kollekte geben. Ärgerlich. 

Andererseits ist es auch gar nicht so schlecht, nichts in der Talartasche zu haben. Der Talar besteht aus einem recht leichten Stoff, und wenn ich etwas in dieser Tasche habe, zeichnet sich das sehr schnell ab – so ähnlich, wie wenn man in die Hosentasche einer Skinny-Jeans ein altes Nokia-Handy steckt. Sieht nicht besonders schön aus, ist aber praktisch. 

Da ich meistens, wenn ich einen Talar anhabe, vor der Gemeinde stehe, entscheide ich mich in der Regel für die optisch schöne Version – also für eine leere Tasche – und nicht für die praktische Variante. 

Ein glücklicher Zufall

Doch bei einem Gottesdienst vor einiger Zeit war das anders. Ich hatte vergessen, meine Taschentücher von der letzten Beerdigung aus der Tasche zu nehmen. Schon vor Beginn wunderte ich mich ein wenig, wozu ich sie wohl in diesem Gottesdienst brauchen würde. 

In diesem Abendgottesdienst boten wir den Besucherinnen und Besuchern an, persönlich für sie zu beten. Eine Frau kam zu mir. Ich fragte sie, ob ich allgemein für sie beten solle oder ob sie ein konkretes Anliegen habe. Sie erzählte, wie schwer es gerade bei der Arbeit sei, und die eine oder andere Träne rollte über ihr Gesicht. 

Und da bemerkte ich sie wieder: die Taschentücher in meiner Talartasche. Hatte ich sie also doch gebraucht – ohne es vorher zu wissen. Ich gab der Frau ein Taschentuch. Sie trocknete ihre Tränen, und ich betete für sie. 

Möge Gott alle ihre Tränen abwischen (Offenbarung 21,4) und mein Gebet für sie erhören. Und mögen auch Sie immer dann, wenn Sie es brauchen, ein Taschentuch zur rechten Zeit parat haben. 

Berge, Gott und Menschen: Erlebnisse aus dem Vikariat