Manche oberbayerischen Traditionen sind mir als zugezogenem Norddeutschen gänzlich unbekannt. So auch die Tradition des Salutschießens – oder müsste ich in diesem Fall vielleicht eher von einem "Valetschießen" sprechen? 

Ich war auf meiner ersten Beerdigung als Vikar und habe meine Mentorin begleitet. Der Verstorbene war evangelisch, die Familie hingegen katholisch – eine hier in Oberbayern recht häufige Kombination. Es gab also einen großen katholischen Gottesdienst mit Abordnungen verschiedener Vereine, deren Fahnen in der Kirche aufgestellt waren. Wir als evangelische Kirche durften die Urne des Verstorbenen zum Grab begleiten und den Hinterbliebenen dort Trost zusprechen. 

Ein überraschender Brauchtum

Doch die eigentliche Aufmerksamkeit hatten – zumindest für mich, wenn ich ehrlich bin – die Gebirgsschützen. Der Verstorbene war selbst Teil dieser Gemeinschaft. In ein paar Metern Abstand standen seine alten Kameraden hinter dem Grab, die Gewehre geschultert, und schossen ihrem verstorbenen Kameraden zu Ehren Salut. Oder müsste man eher "Valet" (Abschied) sagen? 

Wie dem auch sei: Zunächst irritierten und verängstigten mich diese Gewehre in den Händen von Zivilisten etwas. Ein Moment der Fremdheit war da – typisch wohl für einen Zugereisten. Doch als ich mich darauf einließ, erkannte ich das Schöne an dieser Tradition. 

Einander Ehre erweisen

Normalerweise wird Salut nur geschossen bei hohem Staatsbesuch oder ähnlichen Anlässen. Doch hier wurde ein einzelner Mensch geehrt, so wie er es verdient hatte – mit einem feierlichen Salut seiner Kameraden und den Fahnenabordnungen all der Vereine, die ihm wichtig waren und in denen er sich engagiert hatte. 

Vielleicht sollten wir Menschen auch so ehren, solange sie noch unter uns sind – ihr Engagement feiern oder ihnen einfach zeigen, wie wichtig uns ihre Freundschaft oder unsere Beziehung zu ihnen ist. Ich bin mir sicher: Damit sollte man nicht warten, bis zur Beerdigung. Und ich bin ebenso sicher, dass man einem lieben Menschen Dankbarkeit auch anders zeigen kann – eine schöne Alternative findet sich bestimmt, auch ohne Salut. 

Berge, Gott und Menschen: Erlebnisse aus dem Vikariat