Was ist Kirche? Das hat schon die frühe Kirche mit drei griechischen Begriffen beschrieben: Martyria, L(e)iturgia und Diakonia. Martyria ist das Zeugnis, die Verkündigung der Frohen Botschaft von Jesus Christus, die auch die Bereitschaft einschließt, für dieses Glaubenszeugnis zu leiden. Liturgia, das ist der Gottesdienst, der (auch) im Abendmahl gemeinsam gefeierte Glaube. Und Diakonia, das ist die tätige Nächstenliebe, die Hilfe für Bedürftige in der unmittelbaren Nachbarschaft und weltweit: der praktische Glaube. Das Zweite Vatikanischen Konzil hat diesen Dimensionen von Kirche noch eine vierte hinzugefügt: Koinonia, die gelebte Gemeinschaft im Glauben.
Von Anfang an war es die Sozialarbeit der christlichen Gemeinden, die für ihre Ausstrahlung in die Gesellschaft sorgte. Dass hier Menschen Hungrige speisten, Kranke pflegten, Sterbende begleiteten, oft ohne Rücksicht aufs eigene Wohlergehen, das war immer mit einem klaren Glaubenszeugnis verbunden. Doch dass Diakonie ein Weg sein soll, das Evangelium zu verkünden, damit sind schon länger nicht mehr alle in der Diakonie einverstanden. Im Selbstverständnis professioneller Sozialarbeit stört das Kronenkreuz viele eher, manche nehmen es höchstens noch als Folklore hin.
Diakonie hilft, pflegt, stärkt und lindert Leid
Dabei wird jeder, dessen Freundeskreis über den kirchlichen Kontext hinausreicht, bestätigen: Wenn die Kirche bei Menschen, die längst aus der Kirche ausgetreten sind oder ihr nie angehört haben, überhaupt noch einen Stein im Brett hat, dann für ihr diakonisches Wirken, wenn und wo sie Kirche für andere ist, hilft, pflegt, stärkt, Leid lindert.
Umso verheerender ist dann der Eindruck, wenn diese Menschen auf eine Realität stoßen, die seit den 1990er-Jahren auch als Caritas-Legende bekannt ist. Denn nur ein niedriger, vermutlich einstelliger Prozentanteil der Kirchensteuern fließt in die Diakonie.
Die Kirche unterstützt in Gestalt der Diakonie den Staat bei der Erfüllung seiner sozialstaatlichen Pflichten. Und die diakonischen Einrichtungen werden vom Staat dafür zu einem sehr großen Anteil bezahlt.
Die enge Verzahnung von Staat und Kirche
Vor einigen Jahren ergab eine repräsentative Umfrage unter Kirchenmitgliedern, dass 60 Prozent der jungen Mitglieder zwischen 14 und 27 Jahren aus der Kirche austreten würden, würden die Kirchen nur wenig von der Kirchensteuer in ihre sozialen Einrichtungen fließen lassen. Doch genau das ist der Fall.
Die enge Verzahnung von Staat und Kirche hat Vorteile für die Gesellschaft und die Kirchen. Für diese scheint sie auf lange Frist aber auch einen fatalen Nachteil zu haben: "Professionalisierung essen Kirchenseele auf" könnte man in Anlehnung an den alten Fassbinder-Film die Trennung von Kirche und Diakonie beschreiben.
Die Gretchenfrage lautet: Was würden wir Christen auf alle Fälle für andere tun, auch wenn der Staat nicht dafür bezahlt? Für eine Renaissance des christlichen Glaubens braucht es neues Leben für das alte Prinzip:
Kirche ist Diakonie – und Diakonie Kirche.
Kommentare
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Es ist doch aber so ,nur…
Es ist doch aber so ,nur wenig von der Kirchensteuer fliesst in die Diakonie.
Kirche leistet Sozialarbeit,die bezahlt wird .
Nichts ist umsonst,auch bei kirchlichen Trägern nicht.
Alle Beschaeftigten der Diakonie arbeiten dort weil sie Gläubige Christen sind?Manche treten erst in die Kirche ein ,damit sie dort arbeiten koennen.
Sieht man den Unterschied wenn nicht die Kirche die Verwaltung leistet?