Für das Interview traf sich Silke Scheder mit Barbara Gruß von der "Wirkstatt evangelisch", um über den Sinn und die Besonderheiten des kirchlichen Ehrenamts zu sprechen.
Silke Scheder: Frau Gruß, macht Ehrenamt glücklich?
Barbara Gruß: Ja – das lässt sich sogar wissenschaftlich belegen: Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, berichten von größerer Lebenszufriedenheit – und leben statistisch gesehen länger. Aber noch viel entscheidender ist: Sie erleben, dass ihr Tun Sinn stiftet. Gerade im kirchlichen Rahmen merken viele: Ich bin nicht nur dabei – ich bewirke etwas. Sie bringen ihre Gaben ein, gestalten Kirche mit und wachsen dabei oft auch persönlich. Und dieses Engagement verbindet – mit anderen und mit sich selbst. Genau das kann wirklich glücklich machen!
Hand aufs Herz: Tut die bayerische Landeskirche genug für ihre mehr als 120 000 Ehrenamtlichen?
Ja – und nein. Denn einerseits gibt es in der Landeskirche wirklich gute Strukturen: Ehrenamtliche werden durch fundierte Aus- und Weiterbildungen gestärkt, sie finden fachkundige Ansprechpersonen zum Beispiel bei uns in der "Wirkstatt evangelisch" oder in den evangelischen Bildungswerken. Die Begleitung ist oft sehr engagiert und vielfältig. Und gleichzeitig: Es geht immer noch mehr. Gerade angesichts des gesellschaftlichen Wandels sollten wir uns ständig fragen: Wie haben wir neue Formen des Engagements gut im Blick? Und sind unsere Angebote so zugänglich, wie sie es sein sollten? Ich sehe viel Gutes – und immer wieder neue Chancen, noch besser zu werden.
Wie genau unterstützt die Landeskirche ihre Ehrenamtlichen?
Zunächst einmal sorgt das Ehrenamtsgesetz dafür, dass ehrenamtlich Engagierte einen guten gesetzlichen Rahmen haben. Demnach übernehmen die jeweiligen Einsatzstellen zum Beispiel die Kosten für Fahrten, Material und für Fortbildungen. Nach Absprache besteht sogar die Möglichkeit, Kosten für die Kinderbetreuung oder die Pflege von Angehörigen abzurechnen, wenn eine solche Betreuung notwendig ist, um das Ehrenamt ausüben zu können.
Bis vor wenigen Jahren konnten nur Einzelbelege abgerechnet werden. Eine sehr zeitaufwendige Regelung …
Das hat sich mit Einführung der Ehrenamtspauschale im Juni 2023 Gott sei Dank geändert. Dank ihr gibt es jetzt die Möglichkeit, sich einmal pro Jahr mit wenig Aufwand Auslagen pauschal erstatten zu lassen.
Wie werden Ehrenamtliche über das Finanzielle hinaus unterstützt?
Kirchlich engagierte Ehrenamtliche werden nicht allein gelassen – sie erfahren umfassende Unterstützung, sowohl fachlich als auch spirituell. Neben Fort- und Weiterbildungen gibt es Angebote wie Beratung, Supervision oder geistliche Begleitung. Ehrenamtliche erleben: "Ich bin nicht nur funktional gefragt, sondern als ganzer Mensch gesehen." Dieses Zusammenspiel aus Kompetenzvermittlung, persönlicher Begleitung und spiritueller Stärkung macht das kirchliche Ehrenamt einzigartig.
Welche Form von Unterstützung ist den Ehrenamtlichen Ihrer Erfahrung nach besonders wichtig?
Der Austausch mit Gleichgesinnten! Deshalb bietet die "Wirkstatt evangelisch" regelmäßig Vernetzungstreffen für die verschiedenen Einsatzbereiche an, zum Beispiel für Menschen, die sich im Kirchenvorstand oder in der Jugendarbeit engagieren. Ganz nebenbei dienen diese Treffen auch der Qualifizierung der Ehrenamtlichen.
In welchem Bereich engagieren sich eigentlich die meisten Menschen?
Das ist in den einzelnen Kirchengemeinden und Einrichtungen sehr unterschiedlich. Viele Ehrenamtliche sind mehrfach engagiert. Wir wissen, dass die Ehrenamtlichen, die an der Ehrenamtsevaluation im Jahr 2022 teilgenommen haben, zu 37 Prozent im Kirchenvorstand tätig waren. 27 Prozent gaben an, im gottesdienstlichen Bereich, also zum Beispiel als Mesner oder als Lektorin, aktiv zu sein. Bronze ging mit 21 Prozent an das Verteilen von Gemeindebriefen. Das ist für viele ein schönes Ehrenamt, weil sie sich die Zeit selbst einteilen können und damit flexibel sind.
Wo finden ehrenamtlich Engagierte Hilfe, wenn sie Fragen haben?
Ehrenamtlich Engagierte finden in der "Wirkstatt evangelisch" eine zentrale Anlaufstelle. Bei Fragen, Unsicherheiten oder dem Wunsch nach neuen Impulsen kann man sich jederzeit an uns wenden. Unser Ziel ist es, Ehrenamtliche bestmöglich zu unterstützen. Übrigens: Auch Hauptamtliche finden in der "Wirkstatt evangelisch" eine breite Palette an Angeboten, um die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen gut zu gestalten. Wer noch auf der Suche nach einem passenden Ehrenamt ist, ist herzlich eingeladen, sich für eine erste Orientierung bei uns oder gleich direkt bei der Kirchengemeinde vor Ort zu melden. Durch die große Vielfalt der kirchlichen Engagement-Möglichkeiten wird sich bestimmt das passende Einsatzfeld finden lassen.
Welche Anliegen brennen den Ehrenamtlichen oder denen, die es vielleicht werden wollen, unter den Nägeln?
Bei den aktuell Engagierten stellen sich oft formale Fragen, zum Beispiel zur Ehrenamtspauschale oder zu Versicherungsfragen. Auch das Thema Wertschätzung spielt immer wieder eine Rolle. Menschen, die sich für ein Ehrenamt interessieren, wollen eher wissen: Welche Aufgaben und Erwartungen an mich sind damit verbunden? Gibt es eine Ansprechperson oder ein Team? Passt die ehrenamtliche Tätigkeit zu meinem sonstigen Lebensalltag?
Sie sitzen auch im Fachbeirat Ehrenamt der bayerischen Kirche.
Stimmt. Ich bin quasi die Geschäftsstelle (lacht). Es ist schon etwas Besonderes, dass wir in Bayern ein eigenes Gremium haben, das sich für gute Rahmenbedingungen im Ehrenamt verantwortlich fühlt. Wenn Ehrenamtliche sagen, wir bräuchten andere gesetzliche Regelungen, dann wäre der Fachbeirat dafür die richtige Adresse.
Angesichts sinkender Kirchensteuereinnahmen wird es künftig weniger Hauptamtliche geben. Machen Sie sich Sorgen, dass die Ehrenamtlichen diese Entwicklung auffangen müssen?
Ja, zumal viele Ehrenamtliche wirklich mit Feuer und Flamme dabei sind. Sie übernehmen zwei, drei, vier oder sogar noch mehr Aufgaben. Das heißt, es gibt sehr viele hoch Engagierte. Deshalb sollten wir in Zukunft noch stärker darauf achten, dass Ehrenamtliche das machen dürfen, was sie gerne machen wollen, und nicht Lücken stopfen müssen. Ehrenamt kann kein Ersatz für das Hauptamt sein! Viele können und wollen so viel Verantwortung gar nicht übernehmen. Aber wer sich in leitender Funktion ehrenamtlich einbringen will, kann mit Unterstützung rechnen.
Was bedeuten die Ehrenamtlichen für unsere Kirche?
Kirchengemeinden leben von der christlichen Botschaft und von engagierten Menschen. Ohne Ehrenamtliche ginge wenig! Es entspricht dem Grundverständnis unserer Kirche, dass die Mitglieder der Kirchengemeinden das Gemeindeleben aktiv mitgestalten. Für viele Engagierte ist das auch ihre Motivation: Sie wollen ihrer Verantwortung als Christinnen und Christen gerecht werden.
KONTAKT:
Diakonin Barbara Gruß ist in der "Wirkstatt evangelisch" in Nürnberg erreichbar per E-Mail unter: barbara.gruss@elkb.de
Die Wirkstatt evangelisch
Die Wirkstatt evangelisch unterstützt als Einrichtung der bayerischen Landeskirche ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende, Kirchengemeinden und Dekanate.
Sie ist Anfang 2025 aus drei Fachstellen entstanden. Das Amt für Gemeindedienst, das Amt für Jugendarbeit und die Gemeindeakademie sind in der Wirkstatt vereint und bilden seither ein Netzwerk.
Kompetenzen bündeln, Impulse setzen, passgenaue Angebote entwickeln und Seismograf bleiben für Themen und Entwicklungen in Kirche und Gesellschaft – das ist der Auftrag der Einrichtung mit gebündelten Ressourcen, kurzen Wegen und stärkerer Sichtbarkeit nach außen.
Ehrenamtliche und hauptberufliche Mitarbeitende, Kirchengemeinden und Dekanate werden dabei unterstützt, ihre Arbeitsformen so zu gestalten, dass Menschen in ihren heutigen Lebensfragen Zugang zur Liebe Gottes finden. Die Wirkstatt schafft Räume der Begegnung, des Austauschs und der Innovation.
Webseite: www.wirkstatt-evangelisch.de
Kontakt: Wirkstatt evangelisch in der Evang.-Luth. Kirche in Bayern, Sperberstraße 70, 90461 Nürnberg, Tel. (0911) 43 16-219, E-Mail: ehrenamt.afg@elkb.de
Ich möchte mich engagieren
- Mit der eigenen Kirchengemeinde oder dem zuständigen Dekanat Kontakt aufnehmen, um zu erfahren, welche lokalen Angebote vorhanden sind.
- Die Internetseite von Wirkstatt evangelisch regelmäßig anschauen und den Newsletter abonnieren, um über Fortbildungen, Workshops etc. informiert zu sein: www.wirkstatt-evangelisch.de
- Die PraxisHilfe Ehrenamt herunterladen – sie ist eine gute Grundlage, um zu wissen, worauf es beim Ehrenamt in der bayerischen Landeskirche ankommt (Rechte, Pflichten, Absicherungen etc.): www.praxishilfe-ehrenamt.de
Information und erste Orientierung:
Häufig gestellte Fragen zum Thema Ehrenamt – zum Beispiel Versicherung, Einführung/Verabschiedung, zeitlicher Aufwand, Auslageerstattung etc. werden beantwortet unter der Adresse www.ehrenamt-evangelisch-engagiert.de
Kirchenvorstand:
Fortbildung und Qualifizierung, Kurse und Seminare über Verantwortlichkeiten für Kirchenvorsteher-/innen finden sich unter der Adresse www.kirchenvorstand-bayern.de
Jugend- und Konfi-Arbeit:
Die Geschäftsstelle der Evangelischen Jugend in Bayern (EJB), die Teil der Wirkstatt ist, informiert. www.ejb.de
Gemeindeprojekte:
Wenn in der Gemeinde neue Projekte oder Ideen entstehen, kann die Wirkstatt evangelisch dabei beraten und helfen, eine Struktur und ein Konzept zu entwickeln.