Das Coronavirus bringt das Leben in evangelischen Kirchengemeinden ganz schön durcheinander. Pfarrerinnen und Pfarrer, deren Beruf vor allem auf persönlichen Begegnungen beruht, müssen komplett umdenken. Das sorgt vielerorts für Verunsicherung, wie unsere Sonntagsblatt-Umfrage zeigt.

Pfarrer Roth aus Dinkelsbühl stellt fest: "Es ist jetzt eher ein Beruf am Telefon und am PC". Neue Informationen an die richtigen Stellen zu kommunizieren empfinden die meisten Pfarrer als Herausforderung.

Unter Hochdruck suchen sie nach Möglichkeiten, den Kontakt zu den Gemeindegliedern auch ohne Gottesdienst und kirchliche Veranstaltungen aufrechtzuerhalten. Inzwischen zeichnen sich aber schon einige Tendenzen ab.

Pfarrer telefonieren und nutzen Whatsapp oder Mail für Kontakt

In vielen Gemeinden werden die Mitglieder nun telefonisch, per WhatsApp oder per Mail kontaktiert. Pfarrerin Beate Frankenberger möchte in der evangelischen Kirche in Tutzing mit einer Telefonaktion alle älteren Gemeindemitglieder anrufen, um "zu hören, wie es ihnen geht und ob sie Hilfe beim Einkaufen benötigen". Auch Pfarrerin Geiger-Schaller aus Oberhachinger von der evangelischen Kirche zum Guten Hirten telefoniert nun häufig, weil "wir ältere Menschen über die Webseite nicht so einfach erreichen".

Doch können Telefongespräche und Mails nicht alles kompensieren, sagt Pfarrer Roth: Er spüre trotz der alternativen seelsorgerischen Angebote über Telefon und Computer: "Es ist eine Sehnsucht nach Gebet, nach einem Lied, nach einem Zuspruch und Segen da".

Inzwischen suchen die meisten Gemeinden nach neuen Formen der Kommunikation: Pfarrer Agnethler möchte auf der Gemeindewebseite ein Streaming-Angebot für Andachten und Gottesdienste veröffentlichen, auch wenn dies die Gemeinde vor technische Herausforderungen stellt.

Konfirmationen, Taufen und Hochzeiten entfallen

In allen evangelischen Kirchengemeinden sind Gemeindeaktivitäten wie der Konfirmandenunterricht eingestellt worden. Oft steht auch der Konfirmationstermin auf der Kippe, erklärt Pfarrer Roth, der mit seinen Konfirmanden über WhatsApp in Verbindung steht.

Der Umgang mit Kasualien ist mittlerweile in allen Gemeinden – auch wegen behördlicher Vorgaben – eindeutig: "Taufen und Trauungen sind verlegt, Beerdigungen finden statt", erklärt Pfarrerin Hötzel aus Würzburg. Beerdigungen finden nur im engsten Familienkreis und "nach Möglichkeit nur am Grab" statt.

Über soziale Medien mit Freunden, Bekannten und Familie in Verbindung bleiben ist auch unter den Pfarrern und Pfarrerinnen das Gebot der Stunde. "Ich möchte aktiv auf die Leute zugehen", hat sich Pfarrerin Frankenberger vorgenommen.

Seine persönliche Situation schildert Pfarrer Agnethler mit den Worten: "Fragen, Sorgen, Hoffnung: Ja. Einsamkeit bei mir selbst: Nein". Den Begriff Einsamkeit behalte er sich vor für isolierte ältere, kranke oder alleinstehende Menschen. Für Pfarrerin Hötzel bekommt die Passionszeit  "eine ganz neue Qualität, was Verzicht angeht."

Trost und Gemeinschaft finden

Trotz der erforderlichen Maßnahmen, die das Gemeindeleben lahmlegen, finden die Pfarrer und Pfarrerinnen Bestärkung und Gemeinschaftsgefühl im (virtuellen) Kontakt mit der Familie, mit Gemeindegliedern und Kollegen.

Pfarrerin Hötzel aus Würzburg beruhigt es, zu wissen, dass "das Läuten der Glocken zu den Gebetszeiten und am Sonntagmorgen bleibt". Sie möchte die Zeit auch nuzten, aufzuräumen und manches neu zu konzeptionieren.

Pfarrerin Frankenberger freut sich, nun mehr Zeit zu haben, um "zu lesen, zu beten und nachzudenken, was nötig und wichtig ist". Der Dinkelsbühler Pfarrer Roth erklärt, "kein Virus" könne ihn von der Kraft Gottes trennen.

Die Pfarrer und Pfarrerinnen möchten ihren Gemeindemitgliedern vor allem Hoffnung vermitteln: "Lassen wir uns nicht verrückt machen", mahnt Roth. Es sei eine gute Zeit, um sich darauf zu besinnen, "die Begrenztheit von Gesundheit und Leben zu akzeptieren." Für Frankenberger ist die Krise auch "eine heilsame Unterbrechung des Lebens."

Sie hofft, "dass wir menschlicher und sozialer werden, mehr auf uns selbst und die Menschen neben uns achten." Pfarrer Agnethler von der evangelischen Emmauskirche in Neusäß rät seinen Gemeindemitgliedern, "nach Jesu Vorbild zu versuchen, füreinander da zu sein und sich füreinander einzusetzen." Ähnlich lautet der Rat von Pfarrerin Hötzel: "Seid achtsam!"

Buchtipps und Filmtipps der Pfarrerinnen und Pfarrer

Welche Bücher und Filme empfehlen Pfarrerinnen und Pfarrer? Für Pfarrerin Frankenberger ist die Antwort klar: "Wenn nicht jetzt, wann dann: Lesen Sie die Bibel." Pfarrer Agnethler rät den Menschen Lektüre die in der "aktuellen Situation bestärkt und positiv ausrichtet". Familien empfiehlt er angesichts des begrenzten Raumes "etwas Unterhaltsames", um nicht zu sehr unter Stress zu geraten.

Pfarrer Roth legt seinen Mitmenschen spirituelle Bücher von Anselm Grün und Eckhart Tolle ans Herz. Pfarrerin Hötzel ergänzt die Liste um Krimis von Wolfram Fleischhauer, "Wenn Martha tanzt" von Tom Saller sowie Fatih Akins Film "Im Juli".

Auch die Online-Redaktion des Sonntagsblatts hat sich Gedanken gemacht, welche Filme für Groß und Klein die langen Tage zuhause versüßen können. Lesen Sie hier die Film-Tipps von unserem Kollegen Denis für alle, die wegen Corona zuhause bleiben.