Lange her, dass die Nürnberger Altstadt so viele Menschen gesehen hat: Nach dem Eröffnungsgottesdienst zum 38. Deutschen Evangelischen Kirchentag drängen sich am Mittwochabend Zehntausende durch Gassen und über Plätze, um den traditionellen "Abend der Begegnung" zum Auftakt des großen Protestantentreffens zu feiern. Die Gemeinschaft zu spüren, gerade nach den Pandemiejahren, das sei ganz wichtig, schwärmt Mareike Zibell aus dem niedersächsischen Hoyerhagen.

Gedränge und Zusammengehörigkeitsgefühl

"A su a Gwerch" - was für ein Gedränge, ist aus einem Kreis Älterer zu hören, die offensichtlich des Mittelfränkischen mächtig sind. Und tatsächlich muss am späten Nachmittag beim Eröffnungsgottesdienst unter freiem Himmel der Hauptmarkt wegen Überfüllung geschlossen werden.

"Wir gehören zusammen - man spürt es in diesem Moment", ruft ein sichtlich ergriffener bayerischer Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm von der Hauptbühne aus den Menschen auf dem riesigen Platz zu, der bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt ist.

Erstmals seit Ende der Corona-Pandemie treffen sich Zehntausende Christinnen und Christen wieder zu einem Kirchentag. Bis zum Sonntag wollen sie in der mittelfränkischen Metropole und im benachbarten Fürth unter der biblischen Losung "Jetzt ist die Zeit" über die wichtigsten Themen der Zeit diskutieren, dazu singen, beten, Netzwerke knüpfen. Doch zuerst wird gefeiert, bei sommerlicher Hitze, zum Schwung holen.

Nürnberg erobern, im besten Sinne

"Wir wollen ihre Stadt erobern, Nürnberg soll uns kennenlernen - im besten Sinne", sagt Kirchentagspräsident Thomas de Maizière kurz vor dem Abend, an dem sich 140 kirchliche Stände aus Bayern und Franken beteiligen. Der Kirchentag sei ein "analoges Lagerfeuer".

Und Nürnbergs Oberbürgermeister Marcus König (CSU) sieht in dem großen Straßenfest unter dem Motto "Wir. Hier. Jetzt." mit zehn Bühnen gar einen "besonderen magischen Moment". Musikalisch jedenfalls ist es vielfältig wie selten, mit Pop, Rock, Blues, Rap, HipHop, Chorgesang, Blasmusik, Singer-Songwritern.

Vorbereitungen liefen vier Jahre

Rund vier Jahre sind die organisatorischen Vorbereitungen für den Nürnberger Kirchentag gelaufen, jetzt ist es so weit. Mehr als 4.000 Ehrenamtliche des Kirchentages machen die Tage überhaupt erst möglich. Auch am Mittwochabend sind sie überall im Einsatz, immer gut am Halstuch mit der Aufschrift "Ich helfe" erkennbar.

Aber geht das überhaupt, feiern angesichts von Kriegen, Krisen und Katastrophen überall auf der Welt? "Gerade jetzt brauchen wir Orte der Begegnung und der Freude", ist Mareike Zibell überzeugt, die mit ihrem Mann Klaus und einem befreundeten Ehepaar nach Nürnberg gekommen ist, allesamt ehrenamtlich in der Kirche engagiert.

Bei einer kleinen Pause - "ich brauche jetzt unbedingt einen Kaffee im Sitzen" - freut sie sich über die Gemeinschaft am Abend und in den kommenden Tagen:

"Hier zu sehen, dass es ganz viele Menschen gibt, die je auf ihre Weise im Glauben stehen, das gibt Kraft für die eigene Arbeit."

Feuerspatzen und Ziebeleskäse

Und Gelegenheit zur Stärkung gibt es an diesem Abend reichlich, auch kulinarisch. An vielen Ständen brutzeln natürlich Nürnberger Bratwürste. Aber auch andere regionale Spezialitäten wie fränkische Feuerspatzen und Ziebeleskäse werden angeboten. Allerdings bilden sich auch vor einem kirchlichen Stand mit Veggie-Burgern lange Schlangen - ein Zeichen, dass sich an den Essgewohnheiten der Kirchentags-Community längst etwas geändert hat.

Schließlich zieht sich ein Lichtermeer durch die Altstadt und taucht den Abend in ein warmes Licht. Tausende singen dazu im Chor "Der Mond ist aufgegangen". Ein Segen beschließt die Kirchenparty und entlässt die Feiernden in die Nacht. Aber der Kirchentag, der geht danach mit Bibelarbeiten, Podien, Diskussionen, Gottesdiensten, vielfältiger Kultur und Resolutionen erst richtig los, hart an den Krisen von Gegenwart und Zukunft.

Trotzdem verspricht Landesbischof Bedford-Strohm: "Wir werden viel Lebensfreude ausstrahlen."

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