Eine Gruppe von kirchlichen Mitarbeiterinnen setzt sich für mehr Gleichberechtigung in der Kirchenleitung ein. Am Freitag (1. März) übergaben sie je eine Countdown-Box mit Zahlenschloss an Landesbischof Christian Kopp (siehe Bild) und an die Nürnberger Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern, die erst geöffnet werden können, sobald sechs der derzeit zwölf Posten im Landeskirchenrat (13 inklusive des Landesbischofs, Anm.) mit Frauen besetzt sind. Derzeit sind es drei. 

In Nürnberg waren dabei: Pfarrerin Britta Heuß, Pfarrerin Julia Popp, Pfarrerin Susanne Spinnler, Pfarrerin i.R. Karola Glenk, Diakonin Sonja Lichteneber, Diakonin Nici Nitz und Daniela Mailänder (Referentin für Fresh X/Prädikantin). In München vor Ort waren: Eva Hanke, Dekanin Claudia Häfner, Linn Loher, Tia Pelz, Anika Sergel-Kohls (alles Pfarrpersonen) und Johannes Minkus (Pressesprecher der ELKB). 

Doch worum genau geht es den Frauen, die mittels einer Petition für ihr Anliegen gesammelt haben? Darüber haben wir mit drei von ihnen gesprochen. 

Sie engagieren sich für mehr Frauen als Führungskräfte in der Kirche und haben kürzlich eine Petition an Landesbischof Christian Kopp und Regionalbischöfin Elisabeth Hann von Weyhern überreicht. Wie war die Reaktion der beiden Amtsträger*innen?

Tia Pelz: Ich kann nur für das Treffen mit dem Landesbischof in München sprechen. Landesbischof Kopp erklärte, dass er das Grundansinnen von der Wichtigkeit von Frauen in Führungspositionen teilt, betonte jedoch wiederholt, dass die Frage der Gleichberechtigung ein gesamtgesellschaftliches Thema sei. Er sieht meines Erachtens den Handlungsauftrag dafür, dass sich was ändert, vor allem bei den Frauen. So betonte er die Bedeutung von Netzwerken unter Frauen, Mentoring und der aktiven Teilnahme von Frauen in Führungspositionen. Dabei griff er das klassische Bild auf, dass Frauen oft keine Führungspositionen anstreben würden. Wir stimmten zu, dass Solidarität und Unterstützung unter Frauen wichtig sind, betonten jedoch gleichzeitig, dass strukturelle Veränderungen und eine kirchenpolitische Lösung erforderlich sind. 

Denn: Es ist ein Leitungsthema, kein Frauenthema. Der Landesbischof erwähnte, dass gezielt nach Frauen für Positionen im Landeskirchenrat gesucht wurde, aber viele kein Interesse zeigten. Er sprach auch von der Herausforderung, geeignete Frauen zu finden. 

"Wenn sich weniger oder gar keine Frauen für bestimmte Führungspositionen interessieren, sagt dies mehr über unsere Kirche aus als über die Fähigkeiten der Frauen." (Tia Pelz)

Was denken Sie, woran es liegt?

Tia Pelz: Die Frage nach der Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen ist komplex und wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst. Reagieren kann man darauf unterschiedlich: Resignieren und die Stelle mit Männern besetzen, nachdem man versucht hat, Frauen zu rekrutieren; oder man könnte priorisieren, dass die Stelle mit einer Frau besetzt wird. In diesem Fall wäre es entscheidend, die Stelle für Frauen möglich zu machen und die Transparenz des Berufungsprozesses sicherzustellen. Wir denken, dass die Entscheidung der Frauen gegen Führung eine Struktur innerhalb der Organisation widerspiegeln. Wenn sich weniger oder gar keine Frauen für bestimmte Führungspositionen interessieren, sagt dies mehr über unsere Kirche aus als über die Fähigkeiten der Frauen.

Was fordern Sie von der Kirche?

Tia Pelz: Wir haben Landesbischof Kopp gebeten, das Thema Gleichberechtigung als eine Angelegenheit höchster Priorität anzusehen. Das Ziel unserer Landeskirche muss darin bestehen, auf allen Führungsebenen Parität zu erreichen.

Was sagt Regionalbischöfin Hann von Weyhern zu Ihren Forderungen?

Susanne Spinnler: Wir hatten ja zwei verschiedene Dinge vor. Zunächst einmal wollten wir der Regionalbischöfin stellvertretend für alle Frauen in Leitungsämtern danken, dass Sie die Stellung hält. Wir sind der Meinung, dass Frauen in Leitungsämtern andere Frauen motivieren und Ihnen als Vorbild dienen. Das ist sehr wichtig. Dafür haben wir Frau Hann von Weyhern gedankt. Sie war darüber erfreut, dennoch hatten wir den Eindruck, dass sie sich gleich verteidigen wollte, um erstmal klarzustellen, was schon alles erreicht wurde. So betonte sie beispielsweise die erstmalige Situation, dass ab Herbst im Kirchenkreis Nürnberg die Dekan*innen-Stellen paritätisch besetzt sein werden. Darüber freuen wir uns. Das ist ein Erfolg! In der bayerischen Landeskirche gibt es im Durchschnitt nur 28 Prozent Dekaninnen. Das bedeutet also, dass es viele Kirchenkreise geben muss, die deutlich weniger Dekaninnen haben.

Wir haben mit ihr darüber diskutiert, welche Veränderungen es bräuchte. Werden zum Beispiel Stellenprofile mit dem Blick verfasst, ob sie Menschen in ihrer Diversität in gleicher Weise ansprechen? Das ist kirchenleitende Verantwortung! Wie sieht es mit Tandem-Leitungsmöglichkeiten aus – kann hier kooperiert werden mit anderen Dekanaten oder mit Personen aus anderen Berufsgruppen. Bisher scheitern daran häufig Bewerbungsoptionen und wir als Kirche verschenken mögliche Kandidaten. Insgesamt hatten wir den Eindruck, Frau Hann von Weyhern hatte Bedenken, dass wir vor allem mit Vorwürfen ankommen. 

"Tatsächlich haben wir von vielen leitenden Frauen in der Kirche sehr positive Rückmeldungen zu unserer Aktion erhalten." (Susanne Spinnler)  

Wurden diese Bedenken ausgeräumt?

Susanne Spinnler: Ich denke ja. Wir haben deutlich gemacht, dass wir eigene Sichtweisen und Ideen mitbringen und gerne bereit sind, auch Verantwortung für diese Themen zu übernehmen. Frau Hann von Weyhern betonte, dass sie sich wünscht, dass diese Aktion nicht die Frauen diskreditiert, die bereits seit Jahren in der Kirche leitende Positionen innehaben. Wir haben klar gemacht, dass dies nicht unser Ziel ist und wir auch nicht den Eindruck haben, dass dies so geschieht. Tatsächlich haben wir von vielen leitenden Frauen in der Kirche sehr positive Rückmeldungen zu unserer Aktion erhalten und viel Unterstützung erfahren. Das freut uns sehr!

Nici Nitz: Besonders deutlich wurde in den Gesprächen, dass das grundlegende Thema der Aktion, die ja erstmal einmalig und spontan ist, über eine paritätische Besetzung im Landeskirchenrat hinausgeht. Es ist ein gesellschaftsbezogenes Thema, das uns verbindet und verschiedene Berufsgruppen dazu aufruft, gemeinsam an unterschiedlichen Stellen dafür einzutreten. Bei unseren Aktionen und im Offenen Brief kann man sehen, wie viel Energie freigesetzt wird, wenn wir zusammenarbeiten und Grabenkämpfen zwischen Berufsgruppen keinen Raum geben. Das ist einfach großartig!

Was erhoffen Sie sich konkret als Lösung?

Tia Pelz: Kirchenpolitische Lösungen entwickeln sich nicht über Nacht. Es bedarf langfristiger Anstrengungen mit Vernetzung und Lobbyarbeit. Es wäre wichtig, dass sich die Synode dazu verpflichtet oder zumindest das Ziel setzt, eine Parität bei der Besetzung von Führungspositionen zu erreichen. Dies würde auch regelmäßige Überprüfungen beinhalten, um sicherzustellen, dass Fortschritte erzielt werden und Hindernisse identifiziert werden können. Dieser Prozess erfordert Zeit und Engagement. Wir haben versucht, diesen Ansatz zu kommunizieren und der Landesbischof hat versichert, dass er dafür alles in seiner Macht Stehende tun werde.

Sehen Sie die Aktion als einen Erfolg an?

Nici Nitz: Ja. Die Vernetzung unter Gleichgesinnten ist fantastisch, gerade auch berufsübergreifend. An beiden Orten waren wir je eine Gruppe von Frauen, die sich vorher nicht unbedingt untereinander kannten und dann toll zusammengearbeitet haben. Das war eine positive, begeisternde Erfahrung mit Menschen, die ein gemeinsames Thema haben und dafür sehr stark gemeinsam eintreten. Und: allein dieses Interview zeigt die Wirkung. Das Thema ist wieder im öffentlichen Diskurs unserer Kirche und motiviert Menschen in den verschiedenen Bereichen unserer Kirche, den Status Quo zu hinterfragen. Das macht Mut.

"Wir legen Wert darauf, dass diese Bewegung berufsübergreifend organisiert ist." (Susanne Spinnler)

Wie wollen Sie Ihr Anliegen in der nächsten Zeit weiterverfolgen?

Susanne Spinnler: Wir werden die Unterschriften zu unserer Petition an den Berufungsausschuss übergeben, mittlerweile sind es über 400. Und es werden täglich mehr.

Hier ist viel in Bewegung. Wir erhalten vor allem von Frauen aus der mittleren Führungsebene viele E-Mails und Rückmeldungen, die große Dankbarkeit und Unterstützung ausdrücken. Es scheint, dass sich tatsächlich eine Bewegung entwickelt, die verschiedene kirchliche Berufsgruppen einschließt. Durch die Unterschriften im offenen Brief an Frau Preidel wird dies sichtbar. Wir legen Wert darauf, dass diese Bewegung berufsübergreifend organisiert ist, da es nicht nur um bestimmte Ämter geht, sondern um die generelle Parität in der Leitung unserer Landeskirche, die uns alle betrifft. Diese Entscheidungen haben Auswirkungen, auch bei Stellenbesetzungen. 

Tia Pelz: Es ist inspirierend zu sehen, wie viele Frauen Solidarität zeigen. Interessant ist auch, dass sich einige Männer zwar solidarisch zeigen, aber vor der konkreten Sichtbarkeit in der Aktion dann zurückschrecken und selten fragen, wie sie aktiv unterstützen können.

Das wäre aber wichtig, meinen Sie?

Tia Pelz: Ein entscheidender Punkt, den wir dem Bischof gegenüber betont haben, ist: Gleichberechtigung, paritätische Strukturen und gemischte Teams sind wie gesagt keine Frauenthemen, sondern Leitungsthemen, die Männer und Frauen gleichermaßen betreffen. Angesichts der Tatsache, dass die Macht derzeit hauptsächlich in den Händen von Männern liegt, sind es eigentlich die Männer, die einen entscheidenden Beitrag zur Veränderung leisten könnten.

"Wenn ich passiv bleibe, nichts sage oder mich nicht gegen das bestehende System ausspreche, dann stimme ich faktisch dem bestehenden System zu." (Nici Nitz)

Was könnten Männer tun?

Tia Pelz: Sie sollten sich die Frage stellen: In welcher Kirche möchtest du leben und arbeiten? Ist es die Kirche, in der du derzeit tätig bist, also eine Kirche, in der Männer in Leitung überproportional vertreten sind? Wenn ja, warum macht dir die Vorstellung, dass es anders sein könnte, Angst? Und wenn nein, wie könnte diese aussehen und was tust du dafür? Statt nach anderen Verantwortlichen zu suchen, braucht es heute eine klare Haltung zur Geschlechtergerechtigkeit. Jeder muss sich in seinem Verantwortungsbereich und Wirkkreis fragen: Was kann ich tun?

Nici Nitz: Das Spannende ist, dass dies nicht nur auf die Kirche bezogen ist, sondern generell gilt. Wenn ich zu der Gruppe gehöre, die mehr Macht aufgrund ihres Geschlechts hat - nun, dafür kann ich zunächst nichts. Es ist jedoch eine persönliche Verantwortung, ob ich diese Macht aktiv nutze oder passiv bleibe. Wenn ich passiv bleibe, nichts sage oder mich nicht gegen das bestehende System ausspreche, dann stimme ich faktisch dem bestehenden System zu. 

Es gibt Frauen, die ebenfalls schweigen. Die Passivität derer, die das System aber ändern könnten und die aktuell davon profitieren, bedeutet im Grunde die Erhaltung des Status quo.

"Wir müssen uns alle klar machen: Die Kirche profitiert von Gleichberechtigung." (Tia Pelz)

Vielleicht wollen manche auch genau das …

Tia Pelz: Ja. Aber wir müssen uns alle klar machen: Die Kirche profitiert von Gleichberechtigung. Denn, wie die Synodalpräsidentin Preidel bereits betont hat, brauchen wir in diesen Zeiten die Besten. Wenn wir davon ausgehen, dass Fähigkeiten in den Geschlechtergruppen gleich verteilt sind - dass es sowohl unter Männern als auch unter Frauen starke Führungspersonen gibt, dann ist es wichtig, Chancengleichheit herzustellen. Das ist eine einfache Matheaufgabe. In Zeiten, in denen wir die Besten brauchen, können wir es uns nicht leisten, dass viele der besten Frauen in Führungspositionen fehlen.

Was sagen Sie männlichen Kollegen, die ihre Karriereabsichten bedroht sehen?

Susanne Spinnler: Das ist eine typische Reaktion, wie etablierte Verantwortungsträger auf Kritik reagieren. Sowohl ernüchternd als auch erwartbar. Es geht uns nicht darum, Kompetenzen abzusprechen. Sondern dass Frauen überproportional ausgeschlossen werden von Führung. Manche Männer denken, es würden jetzt nur noch Frauen befördert. Es gibt aber gefühlte Wahrheiten und es gibt statistische Wahrheiten, und die statistische Wahrheit ist, dass wir einen Frauenanteil von etwa 30 Prozent auf mittlerer Ebene haben. Im Landeskirchenrat sind drei von insgesamt dreizehn Mitgliedern weiblich, also weniger als 25 Prozent.

"Für uns als Christinnen ist Jesus eben Vorbild. " (Tia Pelz)

Warum machen Sie sich so stark für das Thema?

Tia Pelz: Das Thema berührt existenziell unseren Glauben. Wenn ich daran glaube, dass Gott uns als männlich und weiblich nach Gottes Abbild geschaffen hat und dass in jeder und jedem von uns Gottes Gegenwart sichtbar wird, dann bedeutet das Gleichwertigkeit und Gleichberechtigung. Wenn ich betrachte, wie Jesus mit Menschen umging – wie er Frauen behandelte, wie er sich für sie einsetzte, dass es Frauen waren, die von seiner Auferstehung als erstes erfuhren - dann glaube ich fest daran, dass das, was wir fordern und tun, im Einklang mit dem steht, was Jesus sagte und tat. Und für uns als Christinnen ist Jesus eben Vorbild. 

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