"Wir haben hier vor einer Weile gefragt, wieviel Glitzer eine Pfarrperson tragen darf, ob rote Socken unterm Talar cool sind oder ein No-Go und wo das – wenn überhaupt – eigentlich geregelt ist." Mit diesem Satz leitete die Kirchliche Studienbegleitung Bayern (KSB) kürzlich ein Posting auf Instagram zu der Frage "Was ziehe ich an?" ein.

Um dieser Fragestellung weiter nachzugehen, habe die KSB Bayern die ehemalige Regionalbischöfin des Kirchenkreises München, Susanne Breit-Keßler, interviewt, weil diese laut KSB "in ihren vielen Amtsjahren wirklich viel erlebt hat, ziemlich herumgekommen ist und dabei ganz unterschiedlichen Menschen begegnet ist. Dabei hat sie wirklich Bella Figura gemacht." 

"Was ziehe ich an?"

Die Antworten Breit-Keßlers bereitete die KSB Bayern schließlich auf mehreren Slides Instagram-tauglich auf und veröffentlichte sie. Mit den Reaktionen, die darauf folgten, hatte sie wahrscheinlich jedoch nicht gerechnet. 

Über 200 Kommentare folgten (die Posts der KSB erhielten zuvor durchschnittlich 0 - 5 Kommentare) sowie zahlreiche Reaktionen in Storys und Beiträgen einzelner Pfarrpersonen, die auf die Aussagen Breit-Keßlers Bezug nahmen, jedoch nur etwa 60 Likes.

Was war passiert? 

In ihrem Beitrag zählte die KSB Bayern zunächst die geltenden Verordnungen für die ev.-luth. Kirche in Bayern (ELKB) auf. Bei Gottesdiensten und Amtshandlungen müsse die vorgeschriebene Amtskleidung getragen werden und diese sei laut KABI 17/2006:

"Die Gottesdienstliche Amtskleidung der Pfarrer/der Pfarrerinnen ist der schwarze Talar mit Beffchen. In der ELKB ist der Talar mit Samtsattel üblich. Wo statt des Beffchens nach alter Tradition Halskrause getragen wird, kann es bei dieser Regelung bleiben." 

Anschließend wurde Breit-Keßler gefragt: "Warum eigentlich der Talar?"

Breit-Keßler über angemessene Amtskleidung

Die Antwort der 69-Jährigen: "Der 'kleine Schwarze' ist elegant und kleidet bei jeder Gelegenheit. Es geht um die Verkündigung des Wortes Gottes, nicht um einen Spaziergang auf dem Catwalk. Unfassbar trostlos finde ich, wenn man/frau kleidungsmäßige Farbigkeit mit innerer Lebendigkeit verwechselt. Bund ist nicht automatisch inhaltlich prächtig. Wer eine stabile, souveräne Persönlichkeit voll Selbstbewusstsein ist, die und der 'glänzt' problemlos auch in Schwarz."

Außerdem stelle der Talar einen Schutz für die Pfarrperson selbst dar: "Man tritt als Individuum hinter das Amt zurück und konzentriert sich und die anderen auf das Evangelium, das man/frau aber schon mit der eigenen Persönlichkeit schwungvoll vermittelt." 

Noch deutlicher wurde Breit-Keßler anschließend in ihrer Antwort auf die Frage "Ich möchte unter dem Talar einen pinken Pullover tragen - ist das in Ordnung?" Die ehemalige Regionalbischöfin sagte:

"So viel Stilgefühl sollte man schon selbst haben, dass man/frau auffällige Farben, karierte Holzfällerkragen oder rote Jeans unter der Amtskleidung eher vermeidet."

Als Begründung nannte Breit-Keßler, dass dies die Aufmerksamkeit zu sehr auf die Alltagsperson richten würde und "zum anderen wirkt bei prächtiger 'Unterkleidung' das Ausziehen des Talars wie das Ende eines Theaterstückes, an dem ein Mensch das Kostüm ablegt und endlich wieder man/frau selbst ist. Aber wir sind keine Schauspieler, sondern wahrhafte Prediger:innen vor dem Herrn."

Auch auf die Frage der passenden Schuhwahl ging sie ein: "Flache Schuhe oder solche mit gemäßigtem Absatz - sieht auch flott aus. High Heels lenken den Blick zu sehr auf die Füße und damit von geistlichen Inhalten ab." Abgesehen davon sei das Risiko in High-Heels umzuknicken zu hoch und dies wirke "nicht so grandios". Auch das "Geklacker auf dem Boden - ein bisschen so, wie wenn ein Dackel mit seinen Zehennägeln über Steinfußboden tickelt", störe sie. Ein klares Nein also zu High-Heels und auffälliger Kleidung unter dem Talar von Breit-Keßler. 

Polarisierende Aussagen

Es folgen weitere Fragen und schließlich ein persönliches Fazit Breit-Keßlers: "Ich bin meinem Herrgott auch optisch und ästhetisch verpflichtet. Also vermittle ich nicht: Meine Aufgaben sind mir letztlich so schnurz, dass ich auf gepflegte und stilvolle Kleidung pfeife und einfach nur mich selbst nach meinem Gusto inszeniere." 

Welche Relevanz das Thema "angemessene Kleidung für Pfarrpersonen" hat und wie sehr die Aussagen Breit-Keßlers dazu polarisieren, zeigt ein Blick auf die Kommentare unter dem Beitrag. Hier ist die Rede von Sexismus, von Kontrollzwang seitens der Kirche, von Klassismus und falschen Prioritäten.

Einige besonders beliebte Antworten im Überblick:  

Pfarrerin Theresa Brückner, @theresaliebt: "Es ist zutiefst beunruhigend und enttäuschend, dass wir immer noch Diskussionen über die Kleidung von Frauen im Pfarramt führen müssen. Erst recht, nach den Ergebnissen der ForuM-Studie. Die Fähigkeit einer Frau und einer Vikar*in oder Pfarrer*in wird nicht durch das, was sie trägt, bestimmt, sondern durch ihre Qualifikationen, ihr Engagement oder ihre Leidenschaft für ihre Arbeit. Kommentare über ihre Kleidung lenken nicht nur von der Kompetenz von Frauen ab, sondern konserviert auch ein überholtes und sexistisches Weltbild, das Frauen auf ihr Äußeres reduziert. Es ist an der Zeit, dass wir aufhören Frauen für ihr Aussehen zu bewerten. Die ForuM-Studie belegt, dass derart patriarchale Muster Machtmissbrauch in unsere Kirche fördern. Lasst uns stattdessen eine Umgebung schaffen, die Vielfalt, Gleichberechtigung und Respekt fördert." (350 Likes)

Pastorin und Autorin Birgit Mattausch, @frauauge: "Ich hab noch mal drüber nachgedacht. Ich bin ja schon ein bisschen älter u habe schon viiiiieeeeele Textil-Fragen in der Churchy Bubble mitgekriegt. Generieren immer viele Kommentare. Ich glaube ich find diesen Post hier so verstörend weil er mir eine Kirche zeigt, die gerne auch noch die Schuhwahl ihres Personals regeln würde - natürlich alles fürs Evangelium. (...) Und dann wird das Ganze noch gepostet von einer Stelle, die diese Kirche als Arbeitgeberin attraktiv machen soll. Ich glaube, man nennt das absurd. Vielleicht ist es auch zynisch. (...) Ich sag wegen #Nettikette lieber nicht was mein Wort wäre." (175 Likes)

Pfarrerin Claudia Steinemann, @rev.cloud.ia: "Muahahaha. Also wenn die Highheels oder das Holzfällerhemd unterm Talar vom geistlichen Inhalt ablenken, dann war vielleicht der geistliche Inhalt nicht ganz so tragfähig… Liebe Grüsse aus der Schweiz von einer Pfarrerin, die keinen Talar trägt und manchmal sogar weisse Sneaker zum Gottesdienst anzieht." (124 Likes)

Katholischer Theologe Tobias Sauer, @ruach.jetzt: "Ich lese das und bin im höchsten Maßen irritiert über die Antworten. Also High Heels lenken von der Offenbarung Gottes ab? Rly? Gott kann alles, aber nicht die Aufmerksamkeit von High Heels übertreffen. Wilder Take." (86 Likes)

Pfarrerin Claudia Buchner, @claudia.buch.ner: "Ich habe jetzt lange überlegt, was mich daran so stört: Es gibt wirklich vieles und wichtiges, was man in unserem Beruf überdenken muss und worüber wir reden sollten: Strukturen wie geregelte freie Tage, Urlaubsvertretungen, die ich nicht mühsam selbst zusammensuchen muss, genug Freiraum für kreative Arbeit, Vernetzungen in den Regionen, wie gelingt Abgrenzung, wie reagiere ich auf übergriffige, nicht angemessene Äußerungen oder wie 'leite' ich mit Liebe und Freude aber auch kompetent eine Gemeinde. Aber die Frage nach 'angemessener Kleidung' angehenden Kolleginnen und Kollegen als einen entscheidenden und bedenkenswerten Punkt in dieser Zuspitzung zu präsentieren finde ich echt traurig. Da gibt’s doch einfach soviel Wichtigeres in der heutigen Zeit." (75 Likes)

Jana Beyer, @janahoffnung: "Als Generation X wollte ich eigentlich meine Klappe halten. Aber ich krieg die Gedanken nicht aus dem Kopf. Also dann doch hierher. Ich will jetzt auch nicht auf die unglücklichen und ungeeigneten Worte, die teilweise verwendet wurden eingehen. Und sicher ist bei den aktuellen Dienstbekleidungen auch noch viel Luft nach oben. Ich will einfach das sagen, was ich gerade denke und fühle. An alle Pfarrpersonen: Natürlich dürft ihr das tragen, wo ihr euch wohlfühlt. Aber es geht im Dienst nicht um euch. Es geht um euer Gegenüber. Um die Gemeinde, die Trauernden, die Menschen, die bei euch Rat und Hilfe suchen, das Paar, das ihr segnen sollt,... Und ja, im Gottesdienst stören klackernde Absätze, ich möchte im Trauergespräch keiner Barbie gegenüber sitzen und im Seelsorgegespräch keinem Pfarrer im durchgeschwitzen Joggingdress. Und ich bin in zahllosen Gottesdiensten schon durch hervorblitzende bunte Kleidung, farbige Schnürsenkel u.a. abgelenkt worden. Da nützt dann auch eine gute Predigt nix. Wenn ich permanent auf z.B. die gelben Socken des Pfarrers starren muß, kann ich mich nicht konzentrieren. Und ich weiß, daß es vielen Menschen so geht. Mag sein, daß junge Menschen, das anders sehen, aber eure Gemeinden bestehen nicht nur aus jungen Leuten. Ihr seid allen verpflichtet!" (8 Llikes)

Reaktion der KSB Bayern

Neben der Diskussion unter dem Beitrag selbst gab es auf Instagram in den vergangenen Tagen auch Reaktionen einzelner Pfarrer*innen, die sich bewusst mit High-Heels und/oder bunter Kleidung unter dem Talar zeigten. 

Die KSB Bayern sah sich schließlich zu einer Stellungnahme genötigt. Am Samstag schrieb sie in ihrer Story, die inzwischen nur noch in den Highlights sichtbar ist, unter anderem: "Unser Beitrag hat ein enormes Echo ausgelöst. Damit haben wir nicht gerechnet." Kritik sei öffentlich geäußert worden, positive Rückmeldungen eher per direkter Nachricht an die KSB Bayern.

Man sei von dem stellenweise "heftigen Tonfall" überrascht gewesen.

Weiter erklärte die KSB, wie sie bei der Erstellung des Beitrags vorgegangen sei und wies darauf hin, dass sie als "Einrichtung der ELKB" eindeutige Regeln kommuniziere und nicht, "was sich der eine oder die andere gerne wünscht oder was in Zukunft einmal sein wird."

Mit Breit-Keßler habe man eine Person gewinnen können, die "ihre, aber keine singuläre Position" vertrete. Weiter hieß es: "Susanne Breit-Keßler schreibt pointiert und fordert damit heraus. Es war nicht das Ansinnen der KSB, dadurch Follower zu verletzen oder zu verärgern. Wir nehmen wahr, daß das leider trotzdem passiert ist und sehen, wie unterschiedlich aufgrund von eigenem Erleben Empfindungen sein können."

Die KSB Bayern werde weiter an dem Thema dran bleiben. Im Anschluss an das Statement teilte die KSB Bayern einige der bereits erwähnten Postings und Storys von Pfarrer*innen, die sich bunt inszeniert und die KSB Bayern verlinkt hatten. 

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Auclairdelalune am So, 11.02.2024 - 13:15 Link

Ich würde mich nicht wohlfühlen mit einem lila Pulli unterm Talar.
Als Altenheimseelsorgerin werde ich von vielen Menschen mit Demenz erst als Pastorin erkannt, wenn ich den Talar anziehe. "Oh, sie ist Pastorin. Ist sie für uns hier?" So fühlen sich die Menschen gewürdigt.