Die Ergebnisse der ForuM-Studie sind entlarvend für die Evangelische Kirche, im Blick auf systemische Faktoren und spezifisch evangelische Phänomene, welche Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt begünstigt haben und auch noch aktuell begünstigen.

Beispielsweise das protestantische Selbstbild der Progressivität oder die Erzählung, wir hätten keine strukturellen Probleme. Der evangelische Harmoniezwang durch ein Milieu der Geschwisterlichkeit, die damit verbundene Konfliktunfähigkeit oder auch die Verantwortungsdiffusion.

Die ForuM-Studie ist grundlegend und zukunftsweisend im Blick auf das protestantische Selbstbild und (Macht)Strukturen.

Wenn Du Dich deshalb fragst, was Du aktuell tun kannst oder wie es in Deiner Gemeinde oder Kirche weitergehen kann - hier sind ein paar Tipps.

1. Betroffenen zuhören

Mehrere hundert Personen waren bereit, sehr persönliche Gewalterfahrungen in die Studie einzubringen. Einige durch Interviews, andere mittels eines Fragebogens. Betroffene haben mehrfach berichtet, dass sie sich wünschen, dass Ihre Geschichten gehört und gelesen werden.

Die Zahlen sind wichtig, doch es geht Betroffenen auch um die Hintergründe und die evangelischen Systematiken, warum es dazu kam. 

Das BeteiligungsForum Sexualisierte Gewalt wird Mitte Februar tagen und konkrete Schritte für die Institution und unsere Strukturen vorschlagen.

2. Nimm Dir Zeit, die Studie zu lesen

Lies die ForuM-Studie, beziehungsweise die 37-seitige Zusammenfassung. Da es nicht leicht ist, die 870 Seiten der Studie zu lesen, kannst Du Dir sonst auch die Pressekonferenz zur ForuM-Studie anschauen oder Du hörst Dir Podcasts dazu an.

Meine Tipps dafür sind: 


3. Wirke Abwehrmechanismen entgegen

Betroffene bitten ganz klar darum, dass aufgehört wird, Abwehrmechanismen vor die Ergebnisse der Studie zu stelle. 

Abwehrmechanismen sind psychische Strategien, die Menschen bewusst oder unbewusst nutzen, um unangenehme Tatsachen zu vermeiden oder zu reduzieren. Bei der ForuM-Studie wurde das durch die Hauptfokussierung auf die Zahlen deutlich.

Es geht nicht darum, welche Landeskirche bessere Zahlen oder Akten geliefert hat. Diese Mechanismen führen dazu, dass Betroffene nicht zugehört wird und die Ergebnisse als unwissenschaftlich abgetan werden. Das alles zerredet die Probleme.

Die Kirche fördert in ihren Strukturen Missbrauch und das müssen wir ändern.

4. Kirchen- und Gemeindeleitung

Die leitenden Personen aus Deiner Gemeinde, Deiner Region, Deinem Sprengel, Deiner Synode und Deiner Landeskirche müssen die Studie gelesen haben.

In der Studie gibt es wissenschaftliche Belege dafür, dass unsere Strukturen in der evangelischen Kirche patriarchale Strukturen sind, die Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt begünstigt haben und auch aktuell begünstigen.

Jeder Ort braucht ein Schutzkonzept, jede*r Mitarbeitende - egal ob haupt- oder ehrenamtlich - eine Präventionsschulung. Sprich die leitenden Personen an Deinem Ort an, damit sie sich mit der Studie beschäftigen und darum kümmern.

5. Kenn Dich mit dem Thema aus

Beschäftige Dich immer wieder mit dem Thema Machtstrukturen und sexualisierte Gewalt, gerade im Kontext der Kirche. Nicht nur einmal. Du kannst Dich weiterbilden, z.B. Workshops besuchen, Bücher lesen, Podcasts hören.

Kenn die unabhängigen Hilfsangebote und Ansprechpersonen an Deinem Ort und mache sie sichtbar, zum Beispiel in Deiner Gemeinde, auf Eurer Website oder auf Deinem Social-Media-Profil.

Hier kommst Du zu .help, der unabhängigen Anlaufstelle für Betroffene von sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche und Diakonie.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden

Mathis Oberhof am Sa, 17.02.2024 - 09:39 Link

Liebe @theresaliebt. Ich bin so dankbar für diese Worte. Ich habe das erste Mal in meinem 73 jährigen Leben einen ganz schweren Konflikt in meiner Gemeinde. Nein es geht nicht um sexualisierten Gewalt, nein ich bin kein POC, nicht schwul, keine Frau. Es geht "nur" um einen Konflikt über alte Liturgie und neue Sprache und Formen. Und um Konfliktvermeidung und HarmonieSucht. Und auf einmal auch um Macht. Und es tut weh. So weh. Durch den Text heute wurde mir wieder klar: es geht um ganz Grundsätzliches. Sei ein Mensch. Sei liebend wie eindeutig, empathisch wie angrenzend. Und ja auch darin: was du meinen verletzten und entwürdigten Schwestern angetan hast, das hat du mir getan. Stefan Heym im Oktober 89 auf dem AlexanderPlatz: "es ist, als hättet jemand das Fenster aufgemacht!" Sprachfähigkeit erlernen, fordert Detlev Zander. Und Galilei sagte: "und sie bewegt sich doch!" Danke nochmal!