Die evangelische Frauen-Communität Casteller Ring (CCR) lädt am 23. Juli wieder nach Rödelsee (Kreis Kitzingen) zum Schwanbergtag ein - einen Tag zuvor (22. Juli) findet bereits ein Thementag zur sogenannten Gemeinwohlökonomie statt. Referent ist Wilfried Knorr, der frühere Geschäftsführer sowie Direktor der Diakonie Herzogsägmühle. Für den Thementag ist eine Anmeldung nötig. Dem Sonntagsblatt erläutert Knorr, was es mit dem Konzept der Gemeinwohlökonomie auf sich hat.
"Wenn Sie Bio-Orangen kaufen, wissen Sie dann, ob bei der Ernte der Südfrüchte Geflüchtete ausgebeutet wurden?"
Herr Knorr, unter Gemeinwohlökonomie versteht man beispielsweise einen ganzheitlichen Blick auf Produktions- und Dienstleistungsprozesse. Das klingt sehr abstrakt - können Sie mal ein, zwei konkrete Beispiele nennen, was das bedeutet?
Wilfried Knorr: Wenn Sie ein Hemd kaufen, wissen Sie dann, ob dort zwölfjährige Mädchen in Bangladesch in hoch brandgefährdeten Gebäuden nachts um 2 Uhr daran genäht haben? Und mit welcher Chemie ist gefärbt worden, und wo ist das dann hingeleitet worden? Wenn Sie Bio-Orangen kaufen, wissen Sie dann, ob bei der Ernte der Südfrüchte Geflüchtete ausgebeutet wurden? Wenn wir auf die Lieferketten blicken, wollen wir wissen, ob die Menschenwürde entlang der gesamten Produktionsprozesse eingehalten wurden, ob irgendwo zum Beispiel ein Betriebsrat verhindert wurde oder Frauen benachteiligt werden. Damit ist klar: Der Preis ist nur noch ein, aber nicht mehr das alleinige Kaufkriterium!
Das heißt aber auch: Alleine, wenn ich auf ein Fair-Trade-Siegel oder das Emblem eines Bio-Anbauverbandes schaue, kann ich mir nicht sicher sein, dass alles gut ist. Kann man es als Endverbraucher überhaupt schaffen, nach Gemeinwohlökonomie-Standards einzukaufen?
Nein, derzeit geht das nur sehr rudimentär. Wenn Sie aber einen Kühlschrank kaufen, sehen Sie immerhin, welche Energieklasse das Produkt hat und können einen Stromsäufer von einem ökologisch vernünftigen Produkt unterscheiden - wir plädieren deshalb für eine Produktkennzeichnung für alles, sodass Sie auch beim Kauf eines Smartphones oder einer Textilie erkennen können, ob der Hersteller sich in seinem Produktionsprozess und bei seinen Zulieferern für die Einhaltung der vier Werte der Gemeinwohlökonomie - Menschenwürde, soziale Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit und Transparenz - einsetzt. Sie können dann viel mehr als heute ethisch verantwortet konsumieren.
"Die Beantwortung der Frage, in welcher Gesellschaft wir künftig wie leben wollen, sollten wir nicht einfach anderen überlassen."
Der Thementag auf dem Schwanberg dauert sechseinhalb Stunden, abzüglich Pausen. Wie bringen Sie den Teilnehmern in dieser kurzen Zeit das Thema Gemeinwohlökonomie praktisch und griffig näher - oder kann der Thementag für die Teilnehmer nur ein Einstieg ins Thema sein?
Wir werden uns zunächst in einem Informationsteil mit den theoretischen Grundlagen und den globalen Zusammenhängen befassen: Klimawandel, politische Erosionen, ökonomische Herausforderungen - mittels Vortrag, Diskussion, immer sehr an der Partizipation der Teilnehmenden ausgerichtet. Nachmittags werden wir ganz praktisch: Was bedeutet das für mich als Individuum, vielleicht für uns als politische Kommune oder als Kirchengemeinde? Was müsste sich verändern und von uns angestoßen werden in der Politik? Wie können wir uns mit den Vielen, die schon seit Jahren engagiert sind, vernetzen, gemeinsam stärker werden und uns als wirksam erleben? Denn die Beantwortung der Frage, in welcher Gesellschaft wir künftig wie leben wollen, sollten wir nicht einfach anderen überlassen. Das sind wir unseren Enkeln schuldig! Es wird also ein Einstieg, aber ein intensiver Einstieg ins Thema, und Spaß machen soll's auch noch. Ich freu' mich darauf!
Kommentare
Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.
Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.
Anmelden