Seit über 50 Jahren treffen sich Kirchenvertreter aus ganz Europa zum Europäisch-Ökumenischen Studienkurs im evangelischen Studienzentrum Josefstal. In diesem Jahr dürfte der Ukraine-Krieg die Gespräche der 37 Gäste neben dem offiziellen Programm bestimmen: An der zehntägigen Begegnung nehmen ab Montag (9. Mai) auch evangelische und orthodoxe Vertreter osteuropäischer Staaten teil.

Ob der russische Teilnehmer kommen kann, hängt noch von der Erteilung des Visums ab. Studienzentrumsleiter Roger Schmidt sprach mit dem Sonntagsblatt über Verständigung, Konflikte – und Hoffnungen.

Beim diesjährigen Europäisch-Ökumenischen Studienkurs sind neben westeuropäischen Kirchenleuten von Italien bis Finnland auch solche aus Polen, Slowenien, Serbien, Tschechien, Rumänien und vielleicht Russland vertreten. Erwarten Sie, dass der Ukrainekrieg ein Thema wird?

Schmidt: Ich gehe davon aus, dass das zumindest im nichtoffiziellen Teil diskutiert wird, denn der Ukrainekrieg und die Folgen sind gerade für viele unserer osteuropäischen Teilnehmenden ein Riesenthema. Allerdings ist das keine neue Situation für den Studienkurs: Er ist in Zeiten des Kalten Kriegs entstanden, es war schon immer normal, dass es unterschiedliche politische und kirchliche Positionen in der Gruppe gibt. Konflikte sind gewissermaßen der Sinn des Kurses. Das Ziel wiederum ist, die anderen trotz der unterschiedlichen Positionen als Menschen und Mitchristen wahrzunehmen, nicht nur Erklärungen abzugeben, sondern sich vertieft zu begegnen.

"Es geht um die christliche Identität in einem sich verändernden Europa."

Was ist das offizielle Thema des Kurses?

Schmidt: Es geht diesmal um die christliche Identität in einem sich verändernden Europa. In manchen Ländern werden aus Mehrheitskirchen jetzt Minderheiten. Was können sie lernen von Kirchen, die schon immer in der Minderheit waren wie in Teilen Osteuropas oder im stärker säkularen Norden? Wie verstehen wir Christsein heute? Ein wichtiger Teil der zehn Tage ist, über Konfessionen und andere Schwierigkeiten hinweg sich kennenzulernen und die unterschiedlichen Perspektiven wahrzunehmen.

Wann wäre ein gutes Ergebnis des Kurses?

Schmidt: Wenn alle nachgedacht haben, wo ihre eigenen Überzeugungen bezüglich ihrer christlichen Identität liegen. Und wenn sie wahrgenommen haben, welche Vielfalt es dabei gibt. Die Hoffnung und Erfahrung aus über 50 Jahren Ökumenischem Studienkurs lehrt glücklicherweise, dass dabei immer wieder auch Freundschaften entstehen, die weitertragen.