Fairer Kaffee beim Gemeindefest, Dinosaurier in Bayreuth, die Kreuz-Geschichte vom Tempelberg, die Karfreitags-Debatte in Österreich, die Sorgen der Landwirte - das Themenspektrum der Gesprächsrunde mit Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm beim Bayerischen Kirchentag am Hesselberg am Pfingstmontag war gewohnt bunt. Seit Jahren schon ist der Programmpunkt für etliche Kirchentagsgäste ein Highlight: Sie fragen, der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) antwortet. Überhaupt hat der Kirchentag auch im 68. Jahr eine enorme Anziehungskraft: mehr als 10.000 Besucher kamen.
Bevor die Fragerunde startete, sprach Bedford-Strohm knapp an, was ihn derzeit abseits aktueller Themen beschäftigt. Er nahm Bezug auf eine Studie von Freiburger Wissenschaftlern, die einen Rückgang der Mitgliederzahlen beider Kirchen bis 2060 um etwa die Hälfte von aktuell 44,8 auf dann 22,7 Millionen Männer und Frauen prognostiziert. Heute seien die Menschen "eben aus Freiheit Mitglied einer Kirche" und nicht mehr wegen gesellschaftlicher Konventionen. Alleine die Hochrechnung bereite ihm kein Kopfzerbrechen, sagte der EKD-Ratsvorsitzende und sprach von dann "ehrlicheren Kirchenmitgliedszahlen".
Bedford-Strohm wirbt für nachhaltigeren Konsum
Bei der Fragerunde wurde Bedford-Strohm von Kirchentagsgästen gegen Kritik in Schutz genommen, er sei oft zu politisch: "Sie machen das genau richtig", sagte ein älterer Herr. Der Landesbischof schilderte daraufhin seine Beweggründe und erinnerte sich an seinen Besuch der Partnerkirche in Papua-Neuguinea. Dort berichteten ihm Menschen von den Folgen des Klimawandels, von kompletten Inseln, die inzwischen im Meer versunken sind:
"Wenn ich dann in Deutschland mit Politikern und Wirtschaftsvertretern zusammensitze und diskutiere, kann ich das nicht außer Acht lassen - unser Lebensstil verursacht das!"
Geduldig erörterte Bedford-Strohm nochmals die Geschichte, weshalb er zusammen mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, dem Münchner Erzbischof Kardinal Reinhard Marx, am Tempelberg in Jerusalem vor einigen Jahren sein Brustkreuz abgenommen habe: "Das war eine aufgeheizte Stimmung - und wir wurden darum gebeten." In dieser Situation habe man nur die Wahl zwischen schlechten Lösungen gehabt: "Was wäre wohl passiert, wenn wir die Brustkreuze getragen hätten und es anschließen - wie ein Jahr zuvor - deswegen zu einer gewaltsamen Eskalation mit Toten gekommen wäre?"
Der Landesbischof warb eindringlich in der Gesprächsrunde für einen nachhaltigeren Konsum - gerade auch im kirchlichen Kontext:
"Fairer Kaffee muss einfach Standard sein."
Ebenso seien Energiesparen sowie ein Werben für eine ökologische Landwirtschaft wichtig, erläuterte er: "Umweltbewusstsein hat auch eine missionarische Dimension." Es sei wichtig, dass Kirche hier mit gutem Beispiel vorangehe. Auf die Frage, wie "der Mensch Bedford-Strohm" mit den Belastungen seiner Ämter klarkomme, sagte dieser: "Meine Familie stützt mich." Vor allem seine Frau Deborah: "Ich würde sie sofort wieder heiraten."
Im Freiluft-Gottesdienst des Kirchentags am Montagmorgen erneuerte der EKD-Ratschef in seiner Predigt die Kritik an der Kriminalisierung der zivilen Seenotrettung schiffsbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer: "Ich habe Menschen getroffen, die von diesem Boot gerettet wurden, bevor die Rettung verboten wurde."
Er habe in die Gesichter der Geretteten geblickt und das Antlitz Gottes in ihnen gesehen. Es sei "eine Schande", wenn Menschen ertrinken müssten, weil zivile Seenotrettung unter Strafandrohung gestellt wird.
Seine Predigt wurde an dieser Stelle von Applaus unterbrochen - ungewöhnlich für einen Gottesdienst.
Ministerpräsident Markus Söder (CSU) ging in seinem Grußwort nach dem Gottesdienst nicht auf den Inhalt der Predigt ein, lobte sie jedoch als "großartig". Söder sagte, es sei ihm eine große Freude als Gast auf dem Kirchentag zu sein - gerade auch als ehemaliges Mitglied der Landessynode. "Manch einer redet ja davon, dass Glaube in der Krise sei", sagte er. Das sehe er anders: "Aber Kirche muss sich überlegen, wie sie die Menschen wieder begeistert." Er erinnerte an eine seiner Tanten, die trotz ihrer Gebrechen immer gute Laune hatte - ihr Credo sei eben gewesen: "Wer jammert, bekommt keinen Besuch."
Als Redner zur Hauptveranstaltung am Nachmittag, dem inhaltlichen Kern des Kirchentages, sprach Pastor und Journalist Andreas Malessa über das Kirchentagsthema "Schätze des Glaubens". Mit ihm auf der Bühne als Gäste standen der Pfarrer und Liedermacher Wolfgang Buck und der Vorstandsvorsitzende der Diakonie Neuendettelsau - ab Juli "Diakoneo" -, Mathias Hartmann. Malessa rief dazu auf, die eigenen Werte nicht zu verstecken und nicht zu vergessen - und dankbar für das viele Gute um einen herum zu sein:
"Verstecken Sie ihren 'Schatz des Glaubens' nicht, sonst gerät er in Vergessenheit."
Die Ansbach-Würzburger Regionalbischöfin Gisela Bornowski begrüßte die Kirchentagsbesucher nach Ende des Freiluft-Gottesdienstes: "Von abnehmender Kirchlichkeit spüren wir heute nichts. Schön, dass Sie alle da sind." Sie dankte außerdem Bedford-Strohm für seine Predigt und sein Wirken als Landesbischof und Ratsvorsitzender: "Du bist ein Schatz für unsere Kirche! Danke für dein großes Engagement, deinen Elan und deine Begeisterung!" Sie begrüßte außerdem etliche Vertreter aus Diakonie, Kirche, Politik und Gesellschaft, darunter auch den Ansbacher Dekan Hans Stiegler, Vizepräsident der bayerischen Landessynode.
Der Bayerische Kirchentag ist die größte Freiluftveranstaltung der Evangelischen im Freistaat, er steht 2019 unter dem Motto "Schätze des Glaubens". 1951 eröffnete der damalige Landesbischof Hans Meiser (1881-1956) auf dem rund 690 Meter hohen Berg die neu gegründete Landvolkshochschule, das heutige Evangelische Bildungszentrum (EBZ). Aus dem Fest entwickelte sich Kirchentag. Der Berg hat eine dunkle Vergangenheit: In der NS-Zeit fanden dort zwischen 1933 und 1939 die "Frankentage" mit bis zu 100.000 Zuhörern statt.