Selten war der Weltgebetstag der Frauen aktueller als in diesem Jahr: Am ersten Freitag im März wollen Christinnen weltweit mit den Frauen des palästinensischen Komitees für einen gerechten Frieden in der Region beten. In mehr als 120 Ländern wird das Ökumene-Event gefeiert. Der Weltgebetstag (WGT) ist nach Ansicht der Theologin Brunhilde Raiser "in diesem Jahr so wichtig wie noch nie". Er sei so "wichtig, weil der Nahe Osten jede kleine Hoffnung auf Frieden oder auf einen den Frieden vorbereitende Begegnungen dringend braucht", sagte die evangelische WGT-Vorstandsvorsitzende dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Dabei war das diesjährige Weltgebetstags-Thema Palästina Ende vergangenen Jahres - vor allem nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober - umstritten. Der Deutsche Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit forderte die Organisatorinnen des Weltgebetstags auf, die Texte zu überarbeiten. Das bekannt gewordene Material enthalte "falsche und tendenziös politische Aussagen, die im Zusammenhang als antisemitisch zu klassifizieren sind", hieß es Ende Oktober.

Gottesdienstordnung, Plakat und Flyer wurden nach dem Hamas-Überfall geändert

Angesichts der Eskalation des Nahost-Konflikts erarbeiteten Weltgebetstags-Vorstand und Komitee eine aktualisierte Version der Gottesdienstordnung. Sie hat eine Auflage von 550.000 und dient bundesweit als Grundlage für Tausende von ökumenischen Gottesdiensten am ersten Freitag im März. Auch das Plakat, Postkarten und Flyer mit dem Motiv einer palästinensischen Künstlerin wurden geändert, da der Vorwurf, sie sei Hamas-freundlich, nicht ausgeräumt werden konnte.

Raiser erläuterte die neue Gottesdienstordnung, die Anfang Januar vorgestellt wurde. Es sei da geändert worden, wo es zum Verständnis hilfreich ist, damit es im deutschen Kontext nicht fälschlicherweise antiisraelisch oder antisemitisch oder antijüdisch verstanden werden könne. Entsprechende Vorwürfe einiger Theologen hätten sich aus ihrer Sicht jedoch "nicht bewahrheitet".

Mit der Aktualisierung des Materials zu Palästina will das Komitee des Weltgebetstags der Frauen einer polarisierten Diskussion zum Nahost-Konflikt in Deutschland Rechnung tragen. Der Terror der Hamas vom 7. Oktober und der Krieg in Gaza hätten die Bereitschaft vieler Menschen in Deutschland weiter verringert, palästinensische Erfahrungen wahrzunehmen und gelten zu lassen. Die neuen Erläuterungen sollen jetzt dazu beitragen, die Worte der palästinensischen Christinnen trotz aller Spannungen hörbar zu machen.

Nun gibt es eine eigene Fürbitte für die Opfer des Nahost-Konflikts

Die Gottesdienstliturgie wird jeweils mit mehrjährigem Vorlauf verfasst, betonte der deutsche Weltgebetstags-Vorstand Anfang Januar. Die neue Liturgie sei zudem mit "einem klaren Blick auf Israel" ausgeweitet worden, sagte Raiser dem epd. Es gebe nun eine eigene Fürbitte für die Opfer des Nahost-Konflikts, auch auf jüdischer Seite. Es sei zudem eine Fürbitte für jüdische Menschen in Deutschland aufgenommen worden. Die Sicht der Palästinenserinnen und ihre Erfahrungen seien allerdings nicht zugunsten Israels aufgelöst worden.

Das palästinensische Weltgebetstags-Komitee hatte die Änderungen Mitte Januar kritisiert. Die Bearbeitungen seien von ihnen nicht "autorisiert, gebilligt oder freigegeben" worden, heißt es in einem Brief an die deutschen Kolleginnen. Diese wiederum äußerten ihr Bedauern darüber, dass es "zu einem solchen Dissens gekommen ist". Die Ergänzungen seien als "ergänzende Information für unseren speziellen Kontext gedacht - weder als Affront oder Verfälschung der ersten Fassung, noch als Infragestellung palästinensischer Lebenswirklichkeit".

Christliche Kirchen in Palästina fühlen sich im Stich gelassen

Raiser warb um Verständnis für die Situation der Christen in Palästina. Sie lebten in einer ihre Existenz bedrohenden Situation. Sie erlebten seit Jahren, dass sie nicht wahrgenommen werden. Die Situation sei schon vor dem Angriff der Hamas auf Israel aufgeheizt gewesen. Die palästinensischen christlichen Kirchen "fühlen sich von unseren Kirchen im Stich gelassen".

1927 wurde erstmals international ein Weltgebetstag von christlichen Frauen unterschiedlicher Konfessionen gefeiert. Ein erster ökumenischer Weltgebetstag in Deutschland fand 1947 im Berlin der Nachkriegszeit statt. Seit Anfang der 1960er Jahre engagieren sich auch römisch-katholische Frauen vermehrt beim Weltgebetstag. Bereits 1994 stand das Thema Palästina im Mittelpunkt. Der Gottesdienst für den Weltgebetstag 2025 kommt von den Cookinseln im Südpazifik.

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