Die bayerischen Grünen fordern nach der Veröffentlichung der ForuM-Studie zu sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche die bayerische Staatsregierung zum Handeln auf. "Die Studie muss sofort daraufhin überprüft werden, ob strafrechtlich relevante Tatbestände vorliegen", sagte die Grünen-Abgeordnete Gabriele Triebel am Donnerstag. Es dürfe nicht derselbe Fehler wie beim Gutachten des Erzbistums München gemacht werden, bei dem die Erkenntnisse erst Jahre später für Ermittlungen genutzt wurden.

In der ForuM-Studie ist bundesweit von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern in Kirche und Diakonie die Rede. Dies sei aber nur die "Spitze des Eisbergs", hieß es bei der Studien-Vorstellung. Die Landtags-Grünen fordern, "dass der Freistaat bei wesentlichen Straftatbeständen seiner demokratisch legitimierten Verantwortung gerecht wird und die Aufarbeitungsprozesse vorantreibt". Triebel zufolge muss die Kirche selbst angesichts der Studie "das eigene strukturelle Versagen" offenlegen.

Bundesfamilienministerin Paus: Auch in evangelischer Kirche vielerorts sexualisierte Gewalt

Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) hat die Ergebnisse der ForuM-Studie als "erschreckend" bezeichnet. Paus erklärte am Donnerstag in Berlin: "Mit den vorliegenden Ergebnissen ist es leider Gewissheit: Auch in evangelischen Pfarrhäusern, Gemeinden und diakonischen Einrichtungen herrschten vielerorts Bedingungen, die Machtmissbrauch und sexualisierte Gewalt begünstigten. Das ist erschreckend und mein Mitgefühl gilt allen Betroffenen." Das Vertrauen der Menschen in ihre Kirche sei durch die Täter in abscheulicher Weise ausgenutzt worden, sagte die Grünen-Politikerin.

Die Ministerin forderte, die Ergebnisse der Studie müssten Grundlage einer systematischen institutionellen Aufarbeitung sein. Die Standards dafür seien in einer gemeinsamen Erklärung von Kirche und Diakonie in Zusammenarbeit mit der Missbrauchsbeauftragten des Bundes, Kerstin Claus, bereits entwickelt worden. Paus kündigte an, das Amt der Beauftragten gesetzlich absichern und dazu in Kürze einen Entwurf vorlegen zu wollen.

SPD-Kirchenbeauftragter Castellucci: Gut, dass sich evangelische Kirche gestellt hat

Der SPD-Politiker Lars Castellucci begrüßte die Studie und forderte Aufklärung auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen. "Es ist gut, dass sich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) den Fragen sexualisierter Gewalt im Kontext von Kirche und Diakonie gestellt hat", sagte der Kirchenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin. "Zu viel Leid ist geschehen, zu viel Zeit ist vergangen, zu lange wurden Betroffene alleingelassen", ergänzte er.

Man sehe nur die Spitze des Eisbergs, das Dunkelfeld sei nicht ausreichend erforscht, sagte Castellucci. Die Aufklärung müsse deshalb dringend weitergehen. Er forderte eine deutschlandweite Dunkelfeldstudie und regelmäßige Erhebungen, "um auch den Fortschritt von Präventionsstrategien messen zu können".

Die meisten Taten geschähen im persönlichen Nahfeld, aber auch in anderen Institutionen des Sports, des Ehrenamts, in Bildungseinrichtungen und Heimen. "So viel Kritik die Kirchen auch berechtigterweise einstecken müssen, so richtig ist es, dass sie auch mit den schmerzlichen Erfahrungen der Aufarbeitung Vorreiter gegenüber anderen gesellschaftlichen Bereichen sind", sagte er und forderte von der Politik sicherzustellen, "dass sexualisierte Gewalt überall benannt und bekämpft wird".

FDP-Politikerin Bubendorfer-Licht: "Schritt in die richtige Richtung"

Die FDP-Politikerin Sandra Bubendorfer-Licht erkennt bei den Kirchen den Willen zur Aufarbeitung von Missbrauch in der eigenen Institution. Nach der Vorstellung von Ergebnissen zu Ausmaß und Ursachen sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche sagte sie am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Berlin: "So unvollständig und an vielen Stellen enttäuschend die Ergebnisse der ForuM-Studie sind: Die Studie ist ein Schritt in die richtige Richtung." Der Tag sei "für Christen in Deutschland ein wichtiger Meilenstein im Kampf gegen sexuellen Missbrauch".

Diesem Schritt müssten weitere folgen, "und zwar mit größtem Nachdruck und aus vollem Herzen", sagte die religionspolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion. Die beiden großen Kirchen müssten zudem "transparent und glaubhaft zeigen, dass sie aus ihren Fehlern gelernt haben". Sie müssten sich neu aufstellen und konkrete Reformen angehen, um sexuellen Missbrauch nicht nur rasch aufzudecken, sondern von Anfang an zu verhindern, erklärte sie.

Kommentare

Diskutiere jetzt mit und verfasse einen Kommentar.

Teile Deine Meinung mit anderen Mitgliedern aus der Sonntagsblatt-Community.

Anmelden