Seit April 2022 lockt das bayerische Bibelmuseum mit moderner Museumspädagogik und zum Erleben und Verstehen der Heiligen Schrift Menschen, seien es Schulklassen oder Wissenschaftler, in den Lorenzer Hof in der Nürnberger Innenstadt. Die Wurzeln des Hauses liegen im Bayerischen Zentralbibelverein, der vor 200 Jahren hier gegründet wurde. Seit dem 19. Juni wird das Museum von einem Förderverein unterstützt. Zwei Anlässe, um in die wechselvolle Geschichte der Bibelverbreitung auf bayerischem Boden zu schauen, die ständig weitergestrickt wird.

Das Bibelzentrum Bayern (BZB) ist der Träger des Bibelmuseums und eine Anstalt des öffentlichen Rechts. Seine Geschichte geht auf den am 13. Mai 1823 gegründeten "priviligirte(n) Central-Bibel-Verein für die protestantische Kirche in Bayern" zurück. Das BZB ist damit das älteste Werk innerhalb der bayerischen Landeskirche. Seine Anfänge sind tief im Pietismus des frühen 19. Jahrhunderts verankert. Wer den Weg von der Vereinsgründung zum Museum nachzeichnen will, trifft auf Geschichten von engagierten Pfarrern, die das Wort Gottes vor allem Kindern und Armen zugänglich machen wollten, von Bibelverbreitern zu Pferd, Fahrrad- oder Kombilimousine und zu immer wieder neuen, kreativen Ansätzen, das Buch der Bücher unters Volk zu bringen.

Die Bibel erobert die Welt

Im September 1522 wurden die ersten 3000 Lutherbibeln bei Hans Lufft in Wittenberg gedruckt. Nach dem "Septembertestament" ging es sehr rasch mit den Nachdrucken und neuen Ausgaben: Bereits 1580 gab es 38 verschiedene, zu Beginn des 19. Jahrhunderts verzeichnet das Evangelische Kirchenlexikon (EKL) rund sechs Millionen Stück, die in rund 30 Sprachen auf der gesamten Welt verbreitet waren.
Nicht nur auf deutschem Boden, sondern vor allem in England gründeten sich Bibelgesellschaften. In Nürnberg wurde im Jahr 1804 die erste deutsche gegründet, weltweit waren es Mitte des Jahrhunderts bereits über 50.

Initiator des Nürnberger Bibelvereins soll der Pfarrer Valentin Karl Veilodter gewesen sein. Seinen wiederholten Eingaben ist es zu verdanken, dass es am 19. Dezember 1822 zu einem "Königl. Rescript mit Genehmigung zur Bildung einer Central-Bibel-Anstalt in Nürnberg" kam. Seinen wiederholten Eingaben ist es zu verdanken, dass es am 19. Dezember 1822 zu einem "Königl. Rescript mit Genehmigung zur Bildung einer Central-Bibel-Anstalt in Nürnberg" kam. Durch einen Entschluss des Konsistoriums Ansbach vom 15. April 1823 wurden daraufhin die Bibelfreunde in Nürnberg zur Gründung eines solchen Vereins aufgefordert. Der originale Akt ist im Landeskirchlichen Archiv der ELKB zu sehen.

Die Gründung wurde am 13. Mai im großen Rathaussaal in Nürnberg vollzogen. Der Verein nahm sofort seine Arbeit auf, nachdem er Geschäftsräume in der Tetzelgasse bezogen hatte.Schützenhilfe gab es aus London mit Geld- und Bibelspenden.

Die Verbreitung der Bibel

Ehrenamtliche Bibelboten brachten die Heilige Schrift zu Fuß, manchmal auch zu Pferd zu den Menschen. Zum Reformationsfest 1824 wurden die ersten 115 Bibeln an arme "Christenlehrschüler" verteilt, wie es das Evangelische Kirchenlexikon (EKL) verzeichnet. 1888 entschloss man sich, die Bibel vor allem unter Soldaten der bayerischen Armee zu verteilen und bot diese den Militärseelsorgern zu geringem Entgelt an. 1875 kaufte der Verein ein eigenes Haus in der Breiten Gasse 44. 1888 entschloss man sich, die Bibel vor allem unter Soldaten der bayerischen Armee zu verteilen und bot diese den Militärseelsorgern zu geringem Entgelt an. Ab 1900 ließ der immer auf Spenden angewiesene Verein zur besseren Werbung auch Flugblätter drucken.

Die Bilanz nach den ersten 100 Jahren:

Im Jahr 1922 hatte der Bibelverein Nürnberg 419.513 gesamte Bibeln, 220.616 Neue Testamente sowie 22.513 Psalmen und Bibelteile verbreitet.

Auszüge der Heiligen Schrift waren es, die in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg vorwiegend herausgegeben wurden. Während des Kriegs waren auch wieder Soldaten bevorzugte Adressaten. Die Bibelboten schwangen sich nun öfters auf das Fahrrad. Die Gemeinden sollten Gottes Wort den in den Krieg ziehenden Männern als "Brot des Lebens" mitgeben, ist im ELK zu lesen.

Große "Bibelnot" nach dem Krieg

Inzwischen hatten zwar die Nationalsozialisten den Pfarrämtern im gesamten Reich verboten, christliche Schriften zu verkaufen. Auch den Bibelgesellschaften war dies untersagt, wenn sie kein ordentliches Buchhandelsgewerbe betrieben. Da der Geschäftsführer des Zentralbibelvereins, Ernst Kaeppel, auch ordentliches Mitglied der Reichsschrifttumskammer war, konnten die Bibelvereine ihre ehrenamtliche Tätigkeit aber fortführen, bis Anfang 1945 sämtliche christliche Verlage ihren Laden dichtmachen mussten.

Nach dem Krieg herrschte eine große "Bibelnot".

Gerade Menschen, die aus den östlichen Gebieten vertrieben worden waren, hatten oft keine Bibel mehr. Die Herstellung neuer Bücher konnte erst wieder aufgenommen werden, nachdem die Missouri-Synode der USA Papier bereitgestellt hatte. Ab 1956 ging man wieder frisch ans Werk: Am 15. Oktober des Jahres trat eine neue Satzung des Vereins in Kraft. Und mit dem Haus der Stadtmission in der Pirckheimerstraße hatte der Verein auch wieder ein neues Domizil gefunden.

Zur Bibelverbreitung wurde das Fahrrad gegen einen neuen Volkswagen-Kombi getauscht. Bibelbote Karl Mauerhoff hatte bereits im März die Arbeit aufgenommen und klapperte die Dekanate ab. Im von Günter Bauer, 1972 bis 1983 Vorsitzender des Bibelvereins, 1996 zusammengestellten Buch "Entstehung und Geschichte des Bayerischen Zentralbibelvereins" berichtet dieser in einer Sitzung im April 1957 von 209 Gemeindeabenden sowie 202 Kindergottesdiensten oder Schulstunden, bei denen er gesprochen und Bibeln oder Bibelteile verkauft habe. Er rechnete damals mit bis zu sechs Jahren, bis er sämtliche Gemeinden der Landeskirche "durchbesucht" habe. "Man muss missionarisch denken", beschreibt Mauerhoff damals seine Aufgabe, "und sich auch mit wenig zufriedengeben." Das gelte vor allem dann, wenn man "tief in den Bayerischen Wald hineingefahren" sei, "um vor vier Frauen seinen Gemeindeabend zu halten".
 

Bibelbote auf Tournee

Letzter Bibelbote des Zentralbibelvereins war Reinhold Helbig, der von 1977 bis zu seinem Ruhestand im Jahr 1996 den Job erledigte. Zur Vermittlungsarbeit wurden eigene Materialien geschaffen, mit denen es auf Tournee durch die bayerischen Gemeinden ging. "Ich war eigentlich gar nicht so christlich unterwegs, gerade das muss meinem neuen Chef aber gefallen haben", erinnert sich der in Nürnberg lebende Helbig heute an die Aufgabe, die seine Leidenschaft werden sollte. Mithilfe einer biblisch-theologischen Ergänzungsausbildung, die er absolvierte. "Vielleicht war es auch der Reiz an dieser neuen Arbeit, Narrenfreiheit zu haben." Zur Vermittlungsarbeit wurden eigene Materialien geschaffen, mit denen es auf Tournee durch die bayerischen Gemeinden ging.

"Ich war von 52 Sonntagen im Jahr mindestens 45 auf Achse", erinnert er sich.

Im Gepäck dann Lied- und Lernhefte auch für Kinder oder die "Bibelbox" mit immer wieder neuen Ausgaben.

Viele regionale Projekte

Ein wichtiges Ereignis für den Zentralbibelverein war der Kirchentag vom 13. bis 17. Juni 1979 in Nürnberg, zu dem Passantenbefragungen und missionarische Aktionen unternommen wurden.

In den folgenden Jahren beteiligte sich der Bibelverein auch an überregionalen Projekten wie der Aktion Weltbibelhilfe des Evangelischen Bibelwerks.

Im Juni 1993 war Reinhold Helbig in München mit einem Messestand und Workshops und natürlich viel persönlicher Ansprache dabei. Wie seinen Augapfel hütet Helbig noch sein Exemplar der "Marzipanbibel" von damals - ein kleines Stück Süßes aus gemahlenen Mandeln und Zucker mit entsprechendem Aufdruck.

Wissen zur Bibel wird weiter gefördert

1998 richtete der Bayerische Zentralbibelverein mit seinem Vorsitzenden Landesbischof Johannes Friedrich dann das Bibel-Erlebnis-Haus in der Nähe der Lorenzkirche ein. Von alttestamentlichen Erzählungen unter dem Beduinenzelt aus Ziegenhaar bis zur Hörstation mit den Toten Hosenumspannte es fast 3000 Jahre. Als "Lernort für alle Altersgruppen vom Vorschulkind bis zur Seniorengruppe", bezeichnete Leiterin Petra Schnitzler das Bibel-Erlebnis-Haus, das bis zu 60 ehrenamtliche Mitarbeiterinnen hatte, die Gruppen Einblick in die Lebensumstände zur Zeit Jesu gaben und zum Ausprobieren von Bibelspielen am Computer oder zum Lesen in den unterschiedlichsten Bibel-Ausgaben einluden. Bis zum Ende 2015 hatte das Haus jährlich etwa 7500 Besucher. 

Nach dem Umbau entstand das neue Bibelmuseum am Lorenzer Platz. Es steht in direkter Linie zum Zentralbibelverein. Der war nämlich, wie auch das Bibelzentrum Bayern (BZB), eine Anstalt des öffentlichen Rechts. BZB-Verwaltungsratsvorsitzender ist der ehemalige Nürnberger Regionalbischof Stefan Ark Nitsche. "Es gibt zwar keinen Bibelboten mehr. Allerdings fördern wir durch Projekte und Seminare in Schulen und Gemeinden die Auseinandersetzung mit der Bibel", erklärt er die Fortsetzung der ehemaligen "Bring"-Struktur.

Neben dem Museumsshop, biete das Haus Führungen und Workshops für Kinder und Jugendliche, Schul- und Vorschulklassen sowie für Erwachsene beispielsweise eine Schreibwerkstatt an. Dort kann man eine kleine Schriftrolle oder einen Codex gestalten, hebräischen Text aus dem Alten Testament auf Pergamentpapier kopieren oder griechischen Text aus dem Neuen Testament mit antiken Materialien wie Tinte und Kalamos auf Papyrus bringen.

"Es gibt zwar keinen Bibelboten mehr. Allerdings fördern wir durch Projekte und Seminare in Schulen und Gemeinden die Auseinandersetzung mit der Bibel", erklärt er die Fortsetzung der ehemaligen "Bring"-Struktur.

Stefan Ark Nitsche

Förderung vor allem in Schul- und Vorschulklassen

Neben dem Museumsshop biete das Haus Führungen und Workshops für Kinder und Jugendliche, Schul- und Vorschulklassen sowie für Erwachsene beispielsweise eine Schreibwerkstatt an. Dort kann man eine kleine Schriftrolle oder einen Codex gestalten, hebräischen Text aus dem Alten Testament auf Pergamentpapier kopieren oder griechischen Text aus dem Neuen Testament mit antiken Materialien wie Tinte und Kalamos auf Papyrus bringen.

Astrid Seichter (rechts) und Antonie Bassing-Kontopidis
Die pädagogische Leiterin des Bibelmuseums Astrid Seichter (rechts) und ihre Assistentin Antonie Bassing-Kontopidis.

Bibelmuseum hat neuen Förderverein

Jüngstes Kapitel in der 200-jährigen Geschichte des Bibelvereins: der Förderverein. Dieser wird auf Initiative des Bibelzentrums Bayern und des Mitarbeitenden des Hauses gegenüber der Lorenzkirche ins Leben gerufen. Nicht nur, um Gelder für Anschaffungen oder das museumspädagogische Angebot zu generieren. Wie die pädagogische Leiterin Astrid Seichter und ihre Assistentin Antonie Bassing-Kontopidis erklären, will man in erster Linie mehr Menschen für das Haus und die Vermittlung von Bibelwissen gewinnen.

Dass Museen einen Förderverein besitzen, ist nichts Ungewöhnliches. Für die Nürnberger Institution bedeutet dieser aber mehr Freiraum und mehr Öffentlichkeit. Im Gegensatz zu anderen Bibelmuseen, in denen beispielsweise Kirchengemeinden sich das Betreiben teilen, steht hinter dem Nürnberger Museum das Bibelzentrum als Bildungseinrichtung der bayerischen Landeskirche. »Und auch wenn wir von dort aus die Mittel für unsere Arbeit beziehen, sind diese doch begrenzt«, erklärt Seichter. Will man beispielsweise ein neues Exponat ankaufen oder für eine Wechselausstellung leihen, fallen hohe Kosten an.

Gut, wenn die zwölf hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses, die sich insgesamt sieben Vollzeitstellen teilen, noch Hilfe von außen holen und an einem Netzwerk arbeiten. Das gibt es schon in Form einer Reihe von Ehrenamtlichen, die beispielsweise im Shop und bei der Ticketkontrolle arbeiten. »Darunter viele Ruheständler, aber auch Leute, die zum Ausgleich zum Job gerne einmal einer völlig anderen, sinnvollen Tätigkeit nachgehen«, verrät Antonie Bassing-Kontopidis.

Auf der Liste steht beispielsweise der Ausbau des Sprachangebots der Audioguides, die derzeit auf Deutsch, Englisch und Italienisch zur Verfügung stehen. Die beiden Mitarbeiterinnen wünschen sich zudem, die digitalen Angebote des Museums weiter auszubauen. Bereits fertig in der Schublade sei ein Führungskonzept über den Lorenzer Pfarrhof als geschichtlichen Ort, das auch für ehrenamtliche Kräfte vermittelbar sei.

Fest steht schon der Termin für die Feier zum dann 201-jährigen Geburtstag: Die soll am 2. Juni 2024 folgen.

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