Endlich wieder "Präsenzgottesdienst" – mit Maske, Abstand und Desinfektionsmittel ein schön-schauriges Erlebnis, bei dem die Gedanken kreisen. Zuerst über die vergangenen Wochen, in denen viele Gemeinden geistliche Angebote ins Netz stellten.

Da wurde mancherorts die Predigt in die Kamera gelesen oder der Organist beim Spielen abgefilmt, bis hin zu aufwendigen Produktionen mit Szenenwechseln und Einspielern. Jeder, wie er eben konnte.

Es hat seinen Reiz, am Sonntagmorgen zwischen zwei Live-Streams zu schalten oder auch anderentags sich eine Kurzandacht anzuschauen, wann es passt.

Wollen wir so Gottesdienst feiern?

Jetzt sitze ich mit meiner Maske wieder in der echten Kirchenbank. Beim Umschauen schießt es mir durch den Kopf: Wollen wir wirklich so Gottesdienst feiern? Und überhaupt so leben? In einer Atmosphäre der Angst und des "Rühr-mich-nicht-an"?

Nie mehr Schulter an Schulter stehend beim Rock-Konzert mit Tausenden feiern? Oder dicht gedrängt beim Volksfest mit Freunden oder Fremden ausgelassen anstoßen?

Freilich, das Leben ist nicht nur Spaß und Zerstreuung. Aber diese Dinge gehören zur seelischen Gesundheit dazu. Und Menschen, die wegen der monatelangen Einschränkungen an der Seele kranken, tauchen in keiner Corona-Statistik auf.

Ebenso wenig die Menschen, die Arztbesuche verschleppt haben oder jetzt ihren Job verlieren und ihren Frust im Rausch betäuben. Sie sind die Kollateralschäden einer Gießkannenpolitik an Maßnahmen durch alle Gesellschaftsgruppen.

Es gibt viele Verlierer der Pandemie

Gastronomie, Künstler, die Reise- und Veranstaltungsbranche und viele mehr sind die Verlierer der Pandemie-Politik. Während im Bau-, IT- oder Gesundheitssektor der Laden weiter brummt, leidet eine große Gruppe, weil ihr Geschäftsmodell mit Menschenmengen auf Abstand kaum umsetzbar ist.

Warum gibt es keine intelligenteren, maßgeschneiderten Lösungen zum Leben mit Corona? Das Virus wird nicht einfach so verschwinden.

Diese Wahrheit ist Teil des Risikos "Leben". Zumindest ein bisschen weniger risikoreich ist derzeit der Gottesdienstbesuch: Auf den kreisenden Abendmahlkelch, bei dem man argwöhnisch die "Vor-Trinker" und deren Gesundheitszustand beäugt, kann man vielleicht verzichten, auch auf die Verabschiedung des Pfarrers am Ausgang, auf dessen Hand die Bakterien der Besucher Party feiern.

Aber letztlich ist es mit dem Erlebnis Gottesdienst wie mit der Fußballübertragung im TV contra Stadionbesuch oder dem Theaterabend gegenüber der Aufzeichnung auf DVD – live ist eben was andres. Das heimische Wohnzimmer wird nie die Atmosphäre der Kirche ersetzen.