Mit der Nina Hagen Band und Spliff verkaufte Bernhard Potschka, genannt Potsch, Millionen von Platten und spielte vor zigtausenden Menschen. Nach zahlreichen persönlichen Tiefschlägen hat "Potsch", heute zu einer Spiritualität gefunden, die ihm Kraft gibt.

70 Jahre alt wurde Bernhard Potschka im vergangenen Jahr. Als sechstes von neun Kindern im Würzburger Frauenland wuchs er mitten in den Wiederaufbau der am 16. März 1945 zerbombten Stadt auf und lernte früh, mit wenig auszukommen. Auch, weil der Vater und Ernährer der Familie starb, als Potsch sieben Jahre alt war.

"Meine Mutter war eine große Stütze für uns Kinder, für sie war es der Glaube. Immer wieder prägte sie uns ein, dass Gott die Liebe sei",

erinnert sich der heute bei Berlin wohnende Musiker, der sich das fränkische "r" in seiner Sprache noch ein bisschen bewahrt hat.

In der Schule und vor allem im Unterricht vor der Kommunion lernte Potschka aber Gott eher als eine strafende Kraft kennen, die eher zerstört als aufbaut. Zur Verwirrung habe beigetragen, dass es in direkter Verwandtschaft gleich vier katholische Priester gegeben habe, die sich von der Kanzel herunter völlig anders gebärdeten als im Privaten.

Polit-Rock und Punk

Die Mutter gab als ausgebildete Konzertpianistin zu Hause musikalisch den Takt vor. Bis Potsch 13 war, hörte er nur Klassik. Dann kam der Rock’n'Roll in Form der Gitarre in sein Leben – die wilden Sechziger machten auch vor der Domstadt nicht Halt.

Potsch zog es Anfang der 1970er-Jahre aber nach Berlin, wo er sich der Polit-Rockband Lokomotive Kreuzberg anschloss und einige der späteren musikalischen Wegbegleiter kennenlernte. Zusammen mit Herwig Mitteregger, Reinhold Heil und Manfred Praeker bildete Potschka den Grundstock der Nina Hagen Band um die schrille Sängerin, an die er heute wegen ihres extravaganten Verhaltens keine gute Erinnerung hat. "Sie ist halt eine Diva", meint Potschka.

Nach nur zwei Alben ging man getrennte Wege. Die vier Männer gründeten Spliff und feierten Anfang der 80er mit Hits wie "Carbonara" oder "Herzlichen Glückwunsch" riesige Erfolge. Die Band erntete auch wegen ihrer Experimente mit elektronischen Drums, den neuesten Synthesizer-Sounds und dem Zusammenspiel zwischen harten Gitarrenriffs und intelligent-poetischen Texten internationales Ansehen, das bis heute in der Musikwelt anhält.

Kein Glück mit Spanien

Mit seiner Frau und zwei Töchtern siedelte Potschka 1986 nach Spanien über. Die Beziehung mit Elke hielt aber nicht lange stand. Sie zog es mit der älteren, mit in die Ehe gebrachten Tochter wieder zurück nach Deutschland, Potschka kam 1990 ebenfalls wieder mit der damals sieben Jahre alten Verena nach Berlin und führte als alleinerziehender Vater einer Tochter ein einfacheres Leben, jenseits von Glamour und Bühne.

Die Finca behielt er allerdings. Und in Spanien war er auch in Berührung mit Flamenco-Musik gekommen, zu denen sich später auch Einflüsse aus arabischer Musik gesellten und den musikalischen Horizont erweiterten. Die Jahre nach den großen Erfolgen waren harte Jahre, in denen auch wirtschaftlich nicht immer alles zum Guten stand und Potschka manch emotionales Tief durchwanderte, während er doch für die Tochter stark sein musste.

Friede mit Glauben gemacht

Spiritualität war da noch kein Thema für ihn. Mit 18 sei er Atheist gewesen, mit etwa schon 30 aber habe er gemerkt, dass dieser Zustand doch nichts für ihn sei. "Ich habe viel über das Leben nach dem Tod nachgedacht und gemerkt, da müsse doch noch mehr sein."

Bis Potschka aber in buddhistischen Lehren einen Anker und schließlich zur Ruhe gefunden hatte, dauerte es noch eine ganze Weile. "Ich wollte nicht mehr leiden. Und die Wut darüber, immer noch in einem so erbärmlichen Zustand zu sein, trieb mich an, mich aufzuraffen", erinnert er sich an die Zeit vor etwa 20 Jahren:

"Wesentlich ist jetzt, wie ich Menschen begegne und diese so annehme, wie sie sind und offen annehme, auch wenn ich sie nicht immer mag."

Erhalten noch aus Jugendtagen habe sich die Maxime "Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst" – für Potschka "ein sauguter Spruch, der halt auch gelebt werden muss."

Gott steckt auch in der Musik

Mit der Institution Kirche hat Bernhard Potschka zumindest in Deutschland mittlerweile seinen Frieden gemacht. "Man versucht ja wenigstens, fortschrittlich zu sein, sodass man sogar stolz auf die Entwicklung der Kirchen sein kann", bekennt er. Er glaube an eine höhere Kraft, die alle Lebewesen miteinander verbinde, die auch eine Seele haben. Diese Schwingungen spüre er zudem in der Musik. "Man muss sich öffnen und die Kraft fließen lassen, dann löst sich alles", ist er überzeugt.

Heute produziert Potschka im heimischen Tonstudio von arabischen Sängerinnen über politische Singer-Songwriter auch andere Künstler neben seiner eigenen Musik. Mit einem Partner tritt Potsch regelmäßig als Gitarrenduo auf und lässt akustische Flamenco-Klänge ertönen. Mit seiner Band dagegen werden eigene Nu- Metal-Stücke und alte Spliff-Songs im heavy Gewand auf die Bühne gebracht. "Die Stile bereichern sich gegenseitig", ist er begeistert. Potschka ist nicht zuletzt durch seine Musik endlich angekommen.

 

Potsch Potschka, Da fliegt mir doch das Blech weg, 2022, Charles Verlag, 239 Seiten, 18 Euro

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