Mit feinen Glöckchen und einem Hauch von Barock verzaubert der Zimbelstern seit einigen Jahren die Zuhörer in der Stadtkirche in Wunsiedel. Dieses außergewöhnliche Effektregister hat eine lange Geschichte und verbindet auf einzigartige Weise Tradition und Moderne. Dekanatskantor Reinhold Schelter war einer der Initiatoren für den Einbau des Zimbelsterns.
Der Zimbelstern: Ein barockes Klangwunder in Wunsiedel
Der Zimbelstern ist ein Effektregister, das in der Barockzeit häufig verwendet wurde, um Psalmen wie den 150. musikalisch darzustellen. "In diesem Psalm kommen viele Instrumente wie Harfen und Zimbeln vor. Diese Vielfalt hat man damals gerne in den Orgelprospekten nachgebildet", erklärt Schelter. Die Orgel in der Wunsiedler Stadtkirche ist jedoch kein originales Barockstück.
Die Geschichte der Orgel beginnt erst 1906, nachdem die Kirche 1903 einem Brand zum Opfer fiel. Der Zimbelstern wurde bei der ersten Errichtung der Orgel noch gar nicht eingebaut. Erst viele Jahrzehnte später, im Jahr 2019, entschied sich die Gemeinde, die Orgel umfassend zu sanieren und mit einem Zimbelstern zu erweitern.
"Wir dachten, dass ein Zimbelstern wunderbar zur Orgel und zur Kirchenarchitektur passt. So haben wir ihn unter dem Engel angebracht, der die Orgel ziert", erzählt Schelter.
"O du fröhliche": Ein Lied mit tiefen Wurzeln in Wunsiedel
Die Wiedereinweihung der Orgel an Pfingsten 2019 feierte die Gemeinde mit einem festlichen Gottesdienst – und einem musikalischen Novum. Reinhold Schelter stieß bei den Vorbereitungen auf eine selten gesungene Originalversion des beliebten Weihnachtslieds "O du fröhliche".
"Wenige wissen, dass das Lied von Johann Daniel Falk ursprünglich ein Drei-Feiertagslied war, mit Strophen für Weihnachten, Ostern und Pfingsten. Zur Einweihung haben wir die Pfingststrophe gesungen: ›Christus, unser Meister, heiligt die Geister‹", berichtet Schelter. Die Entscheidung, dieses Lied an Pfingsten zu singen, habe bei einigen für Verwunderung gesorgt, sei aber im Lauf der Jahre zum festen Bestandteil der Festgottesdienste an Pfingsten und Ostern geworden.
Der Komponist Johann Daniel Falk war ein Weimarer Privatgelehrter und Gründer eines "Rettungshauses für verwahrloste Kinder"
Das Weihnachtslied, wie es heute bekannt ist, hat jedoch seinen Ursprung im oberfränkischen Wunsiedel. Heinrich Holzschuher hospitierte 1823 für zwei Monate bei Falk, der sein großes Vorbild wurde, und lernte auch dessen musikalisches Schaffen kennen. Der Wunsiedler ergänzte das Lied um die zwei Strophen, die heute hauptsächlich gesungen werden. Holzschuher, der in der Breiten Gasse in Wunsiedel geboren wurde und selbst eine schwierige Kindheit durchleben musste, setzte sich ebenso wie Falk für Waisenkinder ein.
"O du fröhliche" ist also nicht nur ein musikalischer Klassiker der Weihnachtszeit, sondern spiegelt auch die Werte und Anliegen seiner Schöpfer wider. "Das Lied gefällt durch seine Schlichtheit und die erhabene Melodie. Sie hat etwas Schwebendes, das die Menschen berührt", sagt Schelter. Der Melodie selbst werden italienische Wurzeln nachgesagt, was dem Lied einen weiteren Hauch von Internationalität verleiht.
Seltene Töne: Wie der Zimbelstern die Festtage bereichert
"O du fröhliche" bekommt zusammen mit dem Zimbelstern noch mehr weihnachtliche Tiefe verliehen. Seine elf Glöckchen werden durch kleine Hämmer angeschlagen, die wiederum von einem Motor in Bewegung gesetzt werden. "Die Glocken schlagen nacheinander an, wodurch ein zarter, perlender Klang entsteht", erklärt Schelter.
Doch trotz seiner Besonderheit wird der Zimbelstern nicht übermäßig genutzt. "Ich setze ihn sparsam ein. Er soll etwas Besonderes bleiben", betont Schelter. Ein besonderer Moment sei etwa der Ewigkeitssonntag, an dem die Zeile "Gloria sei dir gesungen, mit Engelszungen mit Harfen und mit Zimbeln schön" erklingt. "Da darf der Zimbelstern natürlich nicht fehlen", fügt er hinzu.
Reinhold Schelter freut sich besonders darüber, dass der Zimbelstern nicht nur musikalisch begeistert, sondern auch Menschen anregt, sich mit der Geschichte der Musik auseinanderzusetzen. "Der Zimbelstern ist ein kleines Detail, das Großes bewirken kann: Er bringt Freude, Inspiration und ein Gefühl von Ehrfurcht", resümiert er. Zusammen mit "O du fröhliche" klingt der Zimbelstern jedoch noch ein wenig magischer.
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