Goethes Faust kennt wohl ein jeder, der es mindestens in die Mittelstufe einer weiterführenden deutschen Schule schaffte. Johann Wolfgang von Goethes wegweisendes Drama rund um den Universalgelehrten Heinrich Faust, der einen Pakt mit dem Teufel eingeht, um nach jahrelangem Studium eine tiefere Erkenntnis der Welt und des Menschseins ersehnt, gilt als das bedeutendste Werk deutscher Literatur und hat seit seiner Veröffentlichung im Jahr 1808 die Lehrpläne im Deutschunterricht oder Germanistikstudium ebenso beschäftigt wie die Bühnen im In- und Ausland und Filmregisseure sowie Künstler jeglicher Couleur, die sich an dem sagenhaften Stoff nicht satt arbeiten können. Längst auch ist das Adjektiv "faustisch" als Beschreibung eines stets unbefriedigt nach Erkenntnis strebenden Menschen im Wortschatz verhaftet, das "Faustische" wird auch oft mit dem Charakter des Deutschen an sich gleich gesetzt.
Elektrische Riesenratte
Die Faszination am Faust-Stoff ist ungebrochen - und eine Inszenierung wie die von Regisseur Johannes Kaetzler feuert diese auch nach über 200 Jahren wieder an. Da brodelts und kochts direkt aus der Hölle, wenn der "Geist, der stets verneint" aus den Tiefen aufsteigt und seine Hexenbrut in der Walpurgisnacht lasziv tanzt. Dass zwei davon einen Bart tragen, auf den Conchita Wurst stolz wäre, spricht für das Quäntchen Humor, das dem Gemisch beigefügt wird, um den Nachgeschmack der todernsten Tragödie ein bisschen bekömmlicher zu machen. Dazu tragen auch eine elektronisch gesteuerte Riesenratte und ein überdimensionaler Pudel, als dessen "Kern" sich später Mephisto erweisen wird, bei. Ein "Aha-Erlebnis" sind auch die Spezialeffekte in der Szene in Auerbachs Keller: Mephisto schafft es tatsächlich, Wein aus den von ihm vorgebohrten Löchern sprudeln zu lassen – wo das Wasser her kommt, erschließt sich dem Besucher nicht.
Nicht einfach nur diabolisch
Die schauspielerischen Leistungen der Protagonisten überzeugen: Thomas Hupfer als Faust hat da noch die vermeintlich leichteste Rolle als leicht verzweifelter, leicht verrückter Professor, der immer im Zwang und unzufrieden zu sein scheint. Rudolf Krause als Mephisto muss "einfach nur" diabolisch sein - allerdings ohne den Bogen zu überspannen und ein lächerliches Teufelchen zu mimen. Die Gratwanderung gelingt - man nimmt Krause seinen mal dandyhaften, mal hintersinnigen Mephisto in jeder Sekunde ab. Die größte Entwicklung muss Julia Buchmann als Gretchen durchmachen - eben noch das naive Mädchen, das dem Zauber Fausts verfällt und sich von ihm schwängern lässt, dann am Ende die verzweifelte Verrückte im Kerker, die alles verloren hat. Eine eindrucksvolle Leistung Buchmanns.
Die Szenenwechsel sind schnell, das Licht- und Soundspiel eindrucksvoll - das abwechslungsreiche Geschehen in einem Zuge vor fest gelegter Kulisse effektvoll zu spielen, ist immer eine Herausforderung für die Kreuzgangspielen, und diese hat das Team wieder einmal gemeistert. Dafür gabs bei der Vorstellung am Dienstag viel Applaus, auch zwischen den Szenen. Die weiteren Spieltermine sind hier zu finden.