Ob der "Geiz" mit "Habgier" gleichzusetzen und damit eine der sieben Todsünden ist, darüber wird immer wieder lebhaft diskutiert. Fest steht jedenfalls, dass das Ensemble der Kreuzgangspiele Feuchtwangen sich nach dem "Jedermann" mit der Inszenierung von Moliéres 1668 erstmals gespieltem Stück "Der Geizige" wieder einem der großen menschlichen Dramen annimmt.

Molière hält in seinem Stück, das Ende des 17. Jahrhunderts im Frankreich Ludwigs XIV. vor allem das höfische Publikum unterhalten sollte, den Zuschauern den Spiegel vor und tut dies nicht ohne Häme über entlarvte Abgründe. Bei der Premiere am Donnerstag wurde deutlich, dass man beim Zuschauen der Protagonisten beim Scheitern vor ihrer eigenen Courage auch herzhaft lachen kann. Regisseur Meinhard Zanger leuchtet die Sippschaft rund um Titelfigur Harpagon hervorragend psychologisch aus.

Dieser will dieselbe Frau heiraten wie sein eigener Sohn Cléante – und wenn diese Ausgangslage nicht schon dramatisch genug wäre, nimmt die Geschichte eine Wendung, steht dieses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel doch nicht im Zentrum des Konflikts, sondern vielmehr die zu erwartende Mitgift von Mariane, für die sich auch über lange Schatten springen lässt.

Dass Tochter Élise dann auch noch reich verheiratet werden soll, scheint da schon fast traditionell im Sinne einer patriarchalischen Sichtweise. Harpagon geht’s aber hier nicht um Tradition, sondern ausschließlich ums Geld und um das Vermehren eines Reichtums, der ihn eigentlich nur unglücklich macht.

Keine Liebe, aber Reichtum

Am Ende wird alles gut: Cléante kriegt Mariane, Élise muss nicht die vom Papa ausgesuchte gute Partie Anselme heiraten und kriegt dafür ihren Valére. Der erweist sich dann sogar als Bruder Marianes, beide als Kinder Anselmes. Eine Wendung, die den Zuschauer an sich schon überrascht, hat dieser Nebenstrang der Geschichte an sich ja gar nichts mit der eigentlichen Handlung zu tun.

Das Glück, das den Menschen rund um Harpagon widerfährt, ist aber umso deutungsreicher, steht es doch im krassen Gegensatz zum Elend des "Geizigen": Der hält am Schluss zwar sein Geld eng umschlungen in den Armen. Harpagon scheint aber der Ärmste unter allen zu sein, bleibt ihm doch der menschliche Reichtum verborgen.

Dramaturgin Maria Wüstenhagen, die auch schon den "Jedermann" für die moderne Bühne flott gemacht und zeitgemäß interpretiert hat, nimmt diesen Gedanken auf, versteht sich dabei aber darauf, Klischees zu umschiffen und immer wieder Überraschungsmomente einzubauen. Das Stück ist erstaunlich kurzweilig, wobei es doch dialoglastig ist. Andreas Wobig mimt den Harpagon in einer Mischung aus altem Ekel und Tollpatsch, dem man eigentlich nicht recht böse sein kann – eine grandiose Leistung. Einmal mehr zeigt Lennart Matthiesen in einer Doppelrolle als Koch und Kutscher, wie wandlungsfähig er ist.

Karl Marx als Vergleich

Rund 200 Jahre nach Moliére behandelte Karl Marx in seinen "ökonomisch-philosophischen Manuskripten" den Plot des Stückes unwissentlich, dass wiederum 200 Jahre später in fränkisches Freilufttheater ihn als Kronzeugen im Programmheft zur Untermauerung der Deutung des "Geizigen" heranzieht, übrigens so: "Wenn dein Lieben als Lieben nicht die Gegenliebe produzierst, wenn du durch deine Lebensäußerung als liebender Mensch dich nicht zum geliebten Menschen machst, so ist deine Liebe ohnmächtig, ein Unglück." Was wieder einmal zu beweisen war – diesmal vom Feuchtwanger Theater.

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