Bei einer Veranstaltung in der Matthäuskirche Erlangen soll das Universum sowohl in seiner kunstvollen Pracht als auch wissenschaftlichen Schönheit erkundet werden. Organistin Susanne Hartwich-Düfel und Astronom Tobias Beuchert erklären, worum es geht.
Bei "Die Register des Universums" kommen Astrophysiker in eine Kirche. Wieso ist ausgerechnet diese der richtige Ort?
Tobias Beuchert: Wenn wir nur über den Raum der Kirche sprechen, so versinnbildlicht er vieles, was auch in der astronomischen Forschung mitschwingt.
Susanne Hartwich-Düfel: Die Astrophysik und die Kirche beleuchten teilweise die gleichen Themen unter ganz unterschiedlichen Blickwinkeln. Die Frage nach dem Ursprung der Welt, wie wir sie kennen, und die besondere Stellung unseres Planeten in diesem Zusammenhang, das sind Themen, die eine zentrale Rolle für die Menschheit spielen. Dabei gibt es meiner Meinung nach keinerlei Konflikt zwischen der Wissenschaft und der Religion, denn heutzutage wird kaum ein vernünftig denkender Mensch die Erkenntnisse der Astrophysik ausspielen gegen eine buchstäblich verstandene biblische Schöpfungsgeschichte. Das Staunen über das Wunder der Entstehung der Welt ist beiden Aspekten gemeinsam.
Wie kam diese ungewöhnliche Mischung zustande?
Tobias Beuchert: Die Idee entstand fast zufällig durch ein Gespräch: Susanne Hartwich-Düfel unterhielt sich eines Tages mit einem guten Freund über ihr Anliegen, durch ihre Orgelmusik mit dem Thema "Sterne" verschiedenste Menschen in den Raum der Kirche zusammenzubringen, ganz gleich, ob sie sich mit der Institution Kirche oder dem Glauben identifizieren oder nicht.
Hier entstand vielleicht auch schon die Idee, die "Star Wars"-Musik auf der Orgel zu spielen.
Dieser Freund brachte mich ins Spiel. Schnell entwickelte sich zwischen Musik und Astronomie ein sehr anregender und beflügelnder Dialog, der ja auch im Zentrum unserer Veranstaltung stehen soll.
Hinter der Veranstaltung steht auch die internationale Organisation "Astronomers for Planet Earth". Wer verbirgt sich hinter diesem Titel?
Tobias Beuchert: Die Graswurzelbewegung hat sich einst an zwei unabhängigen Orten geformt. Sowohl in den USA als auch in Europa empfand man unter Astrophysikern die Notwendigkeit, sich während der Klimakrise zu Wort zu melden. Es gibt unzählige wissenschaftliche und methodische Parallelen zwischen der Astrophysik und der Klimaphysik, zum Beispiel bei den Planetenatmosphären oder Klimamodellen: Der Treibhauseffekt, der ja zur stetigen Erwärmung der Erde führt, ist nicht nur auf der Erde relevant, sondern auch auf anderen Planeten wie zum Beispiel der Venus.
Uns ging es also auch darum, Klimawissenschaftler in ihrer Forschung ideell zu unterstützen. Die Lage unseres Planeten ist zu dramatisch, als dass wir reinen Gewissens andere Welten erforschen könnten, ohne uns am öffentlichen Diskurs zu beteiligen und auf die Klimakrise hinzuweisen, ja sogar unseren Beitrag zu leisten, Lösungen mit zu erarbeiten.
Leider wird uns immer wieder vorgeworfen, wir folgten einer politischen Agenda oder Ideologie. Tatsächlich stehen wir für einen wissenschaftlichen Konsens, der allein durch wissenschaftliche Methoden gewonnen wurde.
Die Organisation "Astronomers for Planet Earth" ist eine internationale Bewegung mit knapp 1.500 Mitgliedern aus fast 80 Ländern. Kurz gefasst lautet unsere Nachricht "Es gibt keinen Planeten B".
Als zweite Säule reduzieren wir aktiv den CO2-Fußabdruck unserer eigenen Disziplin, der professionellen Astronomie, weltweit. Wer die Klimakrise öffentlich diskutiert, sollte natürlich auch seine eigenen Hausaufgaben gemacht haben. Dazu publizieren wir Ergebnisse eigener Forschungseinrichtungen und zeigen Alternativen auf, wie zum Beispiel der CO2-Abdruck von internationalen Konferenzen, sei es durch Supercomputer oder durch Flugreisen, reduziert werden kann.
Sie wollen Wissenschaft durch Erleben und Erfahren vermitteln. Was soll idealerweise mindestens bei den Gästen hängen bleiben?
Tobias Beuchert: Wir planen eine Reise durch das Universum von den Anfängen bis heute. Das Ganze wird nicht länger als eine gute Stunde dauern, wobei der Reiz in der Mischung aus wissenschaftlichen Fakten, Orgelmusik und visuellen Eindrücken liegen wird. Wir nutzen die Mittel der Musik und der Visualisierungen von Daten großer Teleskope, um das Publikum mit auf eine Reise zu nehmen. Wir werden den Fokus darauf setzen, wissenschaftliche Informationen als Geschichte zu erzählen, was ein besseres Hängenbleiben des Wissens laut aktueller Forschung fördert.
Ich hoffe, dass unsere Gäste am Ende der Veranstaltung eine Vorstellung haben werden, wie unser Universum, aber auch wie unsere Erde als ein besonderer Planet entstand. Am Ende werden wir den Raum für einen Dialog zu allen Themen öffnen und zum Fragenstellen und zur Diskussion einladen. Sicherlich wird es hier auch Raum und Zeit geben, über die imposante Geschichte, Größe und Leere des Universums zu reflektieren und über die Herausforderungen auf der Erde zu sprechen.
Sie sagen, Wissenschaft und Glaube stellen an sich dieselben Fragen. Schließen sich die beiden bei den Antwortversuchen nicht automatisch aus?
Tobias Beuchert: Dass beide Seiten dieselben Fragen stellen, ist vielleicht nicht wörtlich zu nehmen. Unbestritten handelt es sich bei der Wissenschaft und beim Glauben und zwei Komplexe in unserer Gesellschaft, die man nicht vermischen kann. Das muss man aber auch nicht. Mit der Wahl des Ortes der Kirche für unsere Veranstaltung, wählen wir den Weg des Dialogs zwischen beiden Seiten, bei denen keine Seite die andere in Abrede stellt.
Es geht bei einem Dialog meist darum, sich gegenseitig zu befruchten und einen gegenseitigen Nutzen aus dem Austausch zu ziehen. Es sollte nicht darum gehen, die andere Seite vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Ich denke, dass im Idealfall weder der Glaube der Wissenschaft sagen will, wie sie ihre Arbeit zu tun hat, noch versuchen wir als Wissenschaftler, die Geschichte der Genesis beim Wort zu nehmen und wissenschaftlich zu deuten. Auch die moderne Theologie ist meines Wissens davon abgekehrt die Bibel wörtlich zu nehmen.
Ich sehe hier also tatsächlich kein Ausschlusskriterium eines Dialogs. Im Gegenteil, ich bin davon überzeugt, dass es in allen Gesellschaftsbereichen und Kulturen enorm wichtig ist, miteinander ins Gespräch zu kommen. Nur so lassen sich die Herausforderungen der Zukunft gemeinsam meistern.
Hartwich-Düfel: Glaube und Wissenschaft behandeln in Bezug auf die Entstehung des Universums zwar dieselben Themen, aber sie gehen mit einer anderen Fragestellung an die Sache heran. Während die Astrophysik versucht, den materiellen und physikalischen Gegebenheiten und Gesetzmäßigkeiten auf den Grund zu gehen, was seit der Entdeckung der Quantenmechanik durchaus auch transzendente Aspekte haben kann, fragt der Glaube nach dem eigentlichen Grund, der Idee des Ganzen.
Wissenschaftliche Forschung ist mit und ohne Glauben möglich, gleichzeitig wird ein gläubiger Mensch bei jeder neuen wissenschaftlichen Erkenntnis immer noch mehr staunen über die Komplexität der Wunder der Schöpfung.
Tobias Beuchert: Zugegeben, die Quantenmechanik ist nicht leicht zu greifen und sehr abstrakt. Sie ist ein tolles Beispiel dafür, dass sie wunderschön und schlüssig durch die Sprache der Mathematik beschrieben werden kann, während unsere Sprache wohl eine andere ist. Daher ist die Quantenmechanik auch eine DER Herausforderungen der Wissenschaftskommunikation. Daher handelt es sich hier meiner Ansicht nach auch um kein per Wikipedia-Definition transzendentes Phänomen. Denn quantenmechanische Phänomene sind vom Menschen erfahrbar und auf die eine oder andere Art messbar.
Ohne die Quantenmechanik als mathematisch korrekte Beschreibung der Wirklichkeit auf kleinsten Skalen gäbe es nicht die Wirklichkeit, in der wir leben. Ich würde aber gerne ein anderes Beispiel nehmen: die Frage nach dem "Gestern" des Urknalls. Während man die Expansion des Universums, ja sogar die Entstehung der Materie aus dem Urknall mathematisch und physikalisch nüchtern beschreiben kann, so endet die Beschreibung beim Zeitpunkt Null. Nun, was war davor? Diese Frage ist menschlich und hat, denke ich, durchaus einen transzendenten Charakter. Mathematisch ist der Zeitpunkt Null durch eine "unendliche Singularität" gegeben, während sich die Frage nach dem Davor hier nicht stellt.
Wie darf sich der Gast des "Astronomischen Orgelkonzerts" sinnlich vorstellen, was wird er erleben?
Tobias Beuchert: Ohne viel vorwegzunehmen, werden unsere Gäste zunächst ihren eigenen Weg durch das lichtdurchflutete und doch undurchsichtige frühe Universum bahnen. Die Orgelpfeifen werden den gesamten Raum zum Beben bringen und so einen Eindruck der Kräfte vermitteln, die im Universum am Werk sind. Gleichzeitig werden echte Aufnahmen aus dem Universum, aber auch Computersimulationen eine eindrucksvolle Reise durchs Universum ermöglichen.
Zwei unserer Astronomen werden unsere Gäste auf dieser Reise mit wissenschaftlichen, mitreißenden Geschichten begleiten.
Wie wählt man denn die passende Musik aus?
Hartwich-Düfel: Die Musik als universelle Sprache eignet sich hervorragend, Ereignisse aus dem Universum zu beschreiben. Emotionen, die beim Betrachten kosmischer Ereignisse entstehen, haben natürlich in ganz besonderem Maße Komponisten von Science-Fiction-Filmmusik befördert. Zum Beispiel John Williams in der Musik zu "Star Wars" und Hans Zimmer in der "Interstellar"-Musik.
Aber auch Bach kann als universaler Komponist natürlich in Korrespondenz mit Ereignissen im Weltall gesetzt werden. Die monumentale Toccata aus Boellmanns "Suite gothique" korreliert wunderbar mit der Bewegung massiver Gesteinsbrocken, und Lefebure-Welys Pastorale unterstreicht die bunte, fröhliche Leichtigkeit der intakten Natur. Wir hoffen, dass sich durch vielfältige Musik verschiedener Stilrichtungen, gerade in Kombination mit den faszinierenden Videos aus dem Universum, jeder, angesprochen fühlen kann.